Donald Trump hat die Animal Instincts freigesetzt. Das schockt die Politik und beflügelt die Börsen. Doch wer jetzt noch die Wall of Worry erklimmen möchte, sollte vorsichtig sein. Um mit Ringelnatz zu sprechen: Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Und selbst das nicht.

Wenn einem partout nichts Positives über eine Person einfällt, bleibt einem immer noch die Deppen-Formel schlechthin: „Erfolg“. Sie lässt sich auf alle anwenden, deren Dasein zur öffentlichen Belästigung geworden ist – das aber ziemlich erfolgreich! Donald Trump ist so eine Person nach noch nicht einmal einem Monat im Amt. Kein Tag, an dem er nicht die Titelseiten beherrscht. Kein Tag, an dem er nicht mit seinen Dekreten und Anordnungen wie Caveman auf Crystal Meth durch die politische Landschaft pflügt. Und obwohl in dieser Zerstörungswut kein Keim für einen Neuanfang erkennbar ist, reden seine Fans von Erfolg! Eine sinnfreie Leerformel für substanzbefreiten Aktionismus, dessen einziges Ziel die Beseitigung des Althergebrachten ist – in diesem Fall die Werte und Institutionen, die in den letzten 70 Jahren das Verhältnis der USA zum Rest der Welt geprägt haben: Freiheit und Demokratie, die atlantische Brücke zu Europa – und die Nato, die das alles schützen soll. Kein Wunder, dass die Welt geschockt ist.

„Aber was, wenn er doch Erfolg hat?“, fragt die „Die Zeit“ mit leicht mokantem Unterton und weidet sich mit Schadenfreude an den enttäuschten Hoffnungen vieler, Trump scheitern zu sehen. Die drei Autoren entwerfen mit beinahe wollüstigem Erschauern eine Art neue Weltordnung unter Trump: Wenn die mexikanische Mauer die Migration stoppt und damit die amerikanischen Arbeitsplätze sicher werden, wenn die Chinesen unter Druck die Märkte öffnen und gleichzeitig vom amerikanischen Markt ferngehalten werden, wenn die Mainstream-Medien entmachtet werden, die Nato ein Schattendasein führt und Putin unsere Sicherheit garantiert, dann ist der „globale Regimewechsel“ vollzogen und die Welt erstrahlt in neuem Glanz. Und über allem thront Trump als „gutmütiger Rüpel“, wie die Jacksonians die USA sehen.

Ein Twitter-Zwitter ohne fassbare Identität

Viel Gerede, aber letztendlich Unsinn! Denn egal, wie man Erfolg bei Trump definiert, etwa durch die Verbindung zwischen Idee und Tat, dessen kürzester Weg bekanntlich ein Tweet ist, man wird derzeit schwerlich eine Weltordnung beschreiben können, die mit Trump in Einklang zu bringen ist. Seine Welt ist die Höhle und da regieren nur Instinkte. Oder Schattenbilder an der Wand wie im Höhlengleichnis von Platon. Trump ist eine Sphinx, deren Inneres unbekannt ist, ein Chamäleon, das ständig seine Farbe wechselt, ein Twitter-Zwitter ohne fassbare Identität, nicht Fisch, nicht Fleisch.

Trumps Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit verwirren mittlerweile auch seine besten Freunde. Netanjahu, der eben noch Trump für seinen geplanten Botschaftsumzug nach Jerusalem rühmte, wurde bitter enttäuscht, als dieser plötzlich den Siedlungsbau kritisierte. Putin, der offensichtlich schon den Beginn einer wunderbaren Saunafreundschaft heraufziehen sah, erfuhr über die amerikanische Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, dass man sein Vorgehen in der Ostukraine für „aggressiv“ halte. Dahinter einen neuen Trump zu vermuten, fällt ebenso schwer, wie überhaupt ein planvolles Handel zu erkennen. Mal ist er für Flugverbotszonen in Syrien, dann wieder dagegen. Mal hält er die Nato für „obsolet“, dann wieder für unverzichtbar. Selbst die Höhe der mexikanischen Mauer ist unklar. Mal soll sie 10 Meter hoch sein, dann wieder 12, sogar von 27 Metern war bei Trump schon die Rede.

Präsident im Ausnahmezustand

Ständig widerspricht er sich oder jagt im nächsten Moment eine andere Sau durchs Dorf. Hat er eine Sache umgestoßen, sägt er schon am nächsten Ast – so kommt niemand hinterher, um den Schaden sachgerecht zu protokollieren. Ein Präsident im Ausnahmezustand, der durch seinen schrillen Alarmismus und Dezisionismus seine Kritiker einfach übertönt – und seine Fans begeistert. So wie Trump wollen viele einfach mal die Kontrolle verlieren und statt langwieriger und komplexer Problemlösungsstrategien einen Konflikt durch Krawall und Kurzschluss lösen. Das nennt man dann Erfolg.

Hinter Trump steht Steve Bannon, ein rechtsradikaler Scharfmacher, der mehrfach bekundet hat, dass er „den Staat zerstören“ will. Er ist ein moderner Saint-Just, der sich an der Revolution berauscht, so wie ihn Georg Büchner in „Dantons Tod“ vor dem Nationalkonvent sprechen lässt: „Es scheint in dieser Versammlung einige empfindliche Ohren zu geben, die das Wort »Blut« nicht wohl vertragen können …“ Bannon will eine neue Ordnung auf der alten errichten. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Trump scheint große Stück auf Bannon zu halten, er hat ihn sogar als ständiges Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat platziert, doch letztendlich hört Trump nur auf einen: auf Trump!

Von Popcorn versteht er was

Wie alle Narzissten ist auch Trump ein Paranoiker! Schon kleinste Kritik kann ihn in Rage bringen. Mal feuert er seine kommissarische Justizministerin und bezeichnet sie als „Verräterin“ oder er legt sich mit Arnold Schwarzenegger an, wer die besseren Quoten hat. Von Popcorn versteht er was. Insofern ist auch nicht ausgeschlossen, dass irgendwann mal Bannon dran glauben muss oder seine blond-anämische Fakten-Rampensau Kellyanne Conway. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Und selbst das nicht. (Joachim Ringelnatz)

Da ist es erstaunlich, dass sich die auf Sicherheit programmierten Börsen gerade in einem Höhenflug befinden. Trump hat mit der „Most Hated Hausse“, die „Animal Instincts“ freigelegt, wie mich ein amerikanischer Freund belehrte. Denn wenn Trump für irgendetwas als Botschafter taugt, dann für die Aktienmärkte. Ein Caveman, der im Markt wieder die Höhlenbedingungen herstellen will. Die von Obama nach dem 2008er-Crahs an die Kette gelegte Finanzindustrie wird gerade dereguliert. Deficit Spending im großen Ausmaß soll Wachstumsimpulse auslösen, Strafzölle die heimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz schützen. Das und der sicher zu erwartende Zinsanstieg haben die Phantasie der Anleger beflügelt. Doch wer jetzt noch als Späteinsteiger die „Wall of Worry“ erklimmen möchte, sollte vorsichtig sein. Nicht alle der geplanten Maßnahmen werden ohne negativen Folgen bleiben. Die Weltmärkte sind ein komplexes System aus kommunizierenden Röhren. Was an der einen Stelle Gewinne schafft, verursacht woanders Verluste. Und ein Handelskrieg kann schnell das Wachstum bei gleichzeitiger Extremverschuldung des Staates killen. Denn eines müssen sich auch die Trump-Fans sagen lassen: Diesmal spekuliert der President Apprentice nicht mit eigenem, sondern mit fremden Geld – und zwar von Abermillionen Menschen. Und diese Wette kann böse enden!