Neue Methoden der Gentechnik eröffnen auch in der Pflanzenzucht enorme Möglichkeiten. Doch in Deutschland hat die Technologie keine Chance.

Eigentlich dürfen zumindest einige gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO) in der EU angebaut werden, doch seit etwas mehr als einem Jahr dürfen die Mitgliedsstaaten auch den Anbau zugelassener Pflanzen verbieten. In Deutschland wäre das gar nicht nötig, denn hier war das Wirken durch die Lande reisender Öko-Vandalen, die regelmäßig Versuchsfelder verwüsteten, so nachhaltig, dass seit Jahren keine GVO mehr angebaut werden – nicht einmal zu Forschungszwecken. Den Grünen reicht dies trotzdem nicht. Sie fordern ein bundesweites Verbot. Niedersachsens grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer etwa ist das ein besonders wichtiges Anliegen, fürchtet er doch, dass die schönen Felder und Wiesen zwischen Harz, Heide und Nordseeküste von fiesen Gen-Pollen aus dem benachbarten Sachsen-Anhalt verseucht werden könnten, wo es tatsächlich noch Pflanzenzüchter mit Sympathien für die Gentechnik geben soll.

Bei seiner grundsätzlichen Ablehnung der Technik, auch von Forschungsversuchen im Freiland, beruft sich Meyer auf die Mehrheit der Bevölkerung, die „aus ethischen, ökologischen oder religiösen Gründen“ dagegen sei. Das ist an sich ein legitimer Standpunkt für einen Politiker, auch wenn eine Bevölkerungsmehrheit als hinreichende Begründung für das komplette Verbot einer Technologie für unsere Gesellschaft ein ernstes Problem bedeuten könnte. Sollte man auch Verbrennungsmotoren verbieten, wenn eine Mehrheit der Deutschen dafür wäre?

Vielleicht kam den Grünen und speziell dem Minister diese Begründung etwas zu dünn vor, weshalb er auf Anfrage der Braunschweiger Zeitung noch spezielle Risiken wie eine mögliche „Krebsgefahr bei genmanipulierten Pflanzen und Tieren“ nachschob. Über die (zweifelhafte) Aussagekraft der Meinungsumfragen zur Gentechnik lässt sich zumindest diskutieren. Bei den Risiken hingegen liegt Meyer komplett quer zum wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Die Grüne Gentechnik ist keine Risikotechnologie. Zu diesem Fazit kam das Bundesforschungsministerium nach Begutachtung von 25 Jahren Sicherheitsforschung. Von GVO geht keine größere Gefahr für Mensch und Natur aus als von konventionellen Züchtungen. Zum selben Ergebnis kam die EU-Kommission unter Berücksichtigung von EU-finanzierten Studien durch mehr als 400 unabhängige Arbeitsgruppen. Daher fordern die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech und die Union der Deutschen Wissenschaftsakademien gemeinsam eine Anpassung des Gentechnikgesetzes. Sie wenden sich „gegen wissenschaftlich unbegründete pauschale Anbauverbote“ für GVO. Entscheidend für mögliche Risiken seien nicht die eingesetzte Technik, sondern die Eigenschaften des Produkts. Entsprechend müsse nicht wie bisher die Methode der Pflanzenzucht bewertet werden, sondern die einzelne Pflanze.

Und die deutschen Wissenschaftler stehen nicht allein da. Von der britischen Royal Society über die American Association for the Advancement of Science (AAAS) in den USA, der American Medical Association, der U.S. National Academy of Sciences bis zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) – unzählige renommierte Wissenschaftsinstitutionen haben sich gegen ein Verbot der Technologie ausgesprochen. Doch bei keinem Thema ist der Meinungsunterschied zwischen Laien und Experten so ausgeprägt wie bei GVO. 88 Prozent der Wissenschaftler der AAAS sind von der Sicherheit genetische veränderter Pflanzen überzeugt. Diese Ansicht teilen gerade einmal 37 Prozent der US-Bevölkerung. Allerdings sprachen sich bei Umfragen in den USA auch 80 Prozent der Befragten für eine verpflichtende Kennzeichnung von DNA in Nahrungsmitteln aus – also von Genen, nicht von genetisch veränderten Organismen. Die Grünen haben sich in dieser Frage auf die Seite von durch Ignoranz getriebener Angst gestellt, die sie selbst noch mit ihrer Politik und ihrer Unterstützung von Propagandakampagnen von Greenpeace und Co. befeuern, und gegen den wissenschaftlichen Sachverstand.

Ausstieg aus einer Zukunftstechnologie

Deutschland und viele Länder der EU haben sich bei der Gentechnik für einen Sonderweg entschieden. Der Anbau genetisch veränderter Pflanzen nimmt weltweit zu. 2014 wurden bereits auf 13 Prozent der globalen Ackerfläche GVO angebaut. Bei Soja, Baumwolle und Mais sind in den USA mehr als 90 Prozent gentechnisch verändert, weltweit sind es bei Soja rund 80 Prozent. Dabei handelt es sich vor allem um Pflanzen, die ein Protein produzieren, das für Schadinsekten giftig ist. Der Anbau dieser Pflanzen hat zu einem Rückgang des Insektizid-Einsatzes geführt, da weniger Gift von außen gespritzt werden muss.

Umstrittener ist der Anbau von Pflanzen, die tolerant gegenüber Pflanzenschutzmitteln sind. Sie erlauben den Einsatz von Herbiziden wie Glyphosat, ohne dass die Fruchtpflanzen dadurch zu Schaden kommen. Kritiker sagen, dies habe zu verstärktem Glyphosat-Einsatz und zur Ausbreitung resistenter Unkräuter geführt.

Das Einzüchten von Resistenzen in Nutzpflanzen ist keinesfalls neu. Schon mit Beginn der Landwirtschaft vor rund 10.000 Jahren haben Bauern zufällige Mutationen selektiert, die besonders hohe Erträge brachten oder widerstandsfähiger gegen Krankheiten waren. Auch dies ist eine gezielte genetische Veränderung von Pflanzen.

Seit einigen Jahrzehnten wird in der Mutationszüchtung Saatgut radioaktiver Strahlung oder mutagenen Chemikalien ausgesetzt, um die natürliche Mutationsrate zu erhöhen und so erwünschte Veränderungen im Erbgut zu produzieren. Die mutierten Samen werden anschließend ausgesät und die daraus entstehenden Pflanzen auf erwünschte Eigenschaften geprüft. Dieses Verfahren gilt als klassische Züchtung, die nicht reguliert wird. Auf diese Weise erzeugte Grapefruits gibt es im Bioladen, Bier nach deutschem Reinheitsgebot wird mit so erzeugter Gerste gebraut.

Während also das rein zufällige und unkontrollierte Verändern des Erbguts von Pflanzen nicht weiter reguliert wird, gelten für den gezielten und minimalen Eingriff ins Erbgut so strenge Auflagen, dass nur Großkonzerne wie Monsanto sich die Zulassung und Vermarktung von GVO leisten können. „Mutationszüchtung ist Züchtung mit der Schrotflinte. Sie ist extrem zufällig und mutiert das gesamte Genom durch, was anschließend aufwendig bereinigt werden muss“, sagt Dr. Patrick Schweizer. Er ist Züchtungsforscher vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und gehört jener kleinen und zunehmend frustrierten Gemeinschaft deutscher Forscher an, deren Vertreibung aus Deutschland offenbar das (bisher recht erfolgreich verfolgte) Anliegen der Grünen und vieler Umweltverbände ist.

Es ist absurd: Während der Hammer in Ordnung ist, soll das Skalpell verboten werden. Neue Methoden wie das CRISPR/Cas9-System haben dieses Skalpell sogar noch präziser gemacht. Es erlaubt den gezielten Austausch eines einzigen von zehn Milliarden Basenpaaren des Pflanzengenoms. „Das ist unglaublich elegant und effizient“, sagt Schweizer, „eine nobelpreiswürdige Revolution der Gentechnik.“

Diese Revolution ermöglicht es, die durch die konventionelle Pflanzenzüchtung gesetzten Grenzen zu erweitern. Kreuzt man etwa zwei verschiedene Apfelsorten, so sind die Merkmale des neuen Apfels wegen der extremen genetischen Variation kaum vorherzusehen. Hinzu kommt die lange Generationszeit bei Apfelbäumen. Es dauere mindestens 20 Jahre, um die Resistenz eines Wildapfels gegen eine Krankheit in einen Kulturapfel einzukreuzen, sagt Schweizer. Und das Ergebnis sei dann womöglich ungenießbar. Mittels Gentechnik ließe sich die Resistenz in drei bis fünf Jahren übertragen.

Doch Gentechnik-Gegner machen keinen Unterschied zwischen den älteren Methoden und CRISPR/Cas. Dabei wirft CRISPR/Cas für die Regulierung nach dem aktuell geltenden Verfahren in der EU ein kaum zu lösendes Problem auf: Mit der Methode ist es möglich, ein Gen in einer Pflanze auszuschalten und anschließend das Werkzeug für diese Veränderung wieder zu entfernen. Eine solche Pflanze ist anschließend nicht mehr von einer natürlichen Mutation zu unterscheiden. Ohne das Wissen über ihre Entstehung durch den Hersteller könnte die Zulassungsbehörde also nicht mehr herausbekommen, ob die Pflanze gentechnisch verändert wurde. Wie soll man das regulieren? Auch deshalb fordern die Akademien eine Anpassung der Gesetze. Nicht die Methode müsse Gegenstand der Risikobewertung sein, sondern die Eigenschaften der Züchtungsprodukte.

Für diesen Schritt ist es höchste Zeit. In den USA wurde kürzlich ein Champignon zugelassen, bei dem mittels CRISPR/Cas ein einzelnes Gen ausgeschaltet wurde. Die Folge: Das Enzym, das die Pilze braun anlaufen lässt, wird nicht mehr gebildet. Die US-Landwirtschaftsbehörde hat den Champignon von den üblichen strengen Gentechnik-Regularien freigestellt. Denn nicht nur wurde kein fremdes Erbgut in den Pilz eingefügt, das Gen hätte auch genauso gut durch eine natürliche Mutation, wie sie ständig stattfindet, ausgeschaltet werden können.

Auch eine Kartoffel, die beim Erhitztwerden weniger krebserregendes Acrylamid produziert, wurde in den USA nicht als GVO eingestuft. In der Entwicklung befinden sich außerdem Erdnüsse, die keine Allergene enthalten, dürretoleranter Mais, Weizen mit Resistenz gegen Mehltau und vieles mehr.

In Genen von Saatgut schlummert Potenzial, das nur die Gentechnik nutzen kann

Und das ist nur ein kleiner Teil des riesigen Potenzials, das in dieser Technologie steckt. Dabei muss nicht einmal auf „fremdes“ Erbgut wie bei den existierenden sogenannten transgenen Pflanzen zurückgegriffen werden. Ein enormer Schatz wertvoller Gene schlummert in Saatgut-Bibliotheken wie der Genbank des IPK, genetische Informationen unzähliger Pflanzenmerkmale, von Größe und Form, über Geschmack bis zur Resistenz gegen Krankheiten. Die Genbank enthält rund 150.000 Samen-Muster aus mehr als 3.000 Kulturpflanzenarten. Das macht sie zur größten Genbank der EU. Sie soll die genetische Vielfalt der Kulturpflanzen bewahren – als Pflanzengedächtnis der Bundesrepublik Deutschland.

Diese genetische Vielfalt ist selbst innerhalb einzelner Arten gewaltig. So gibt es zum Beispiel Weizen-Wildarten, die gegen Schwarzrost und andere Pilzkrankheiten resistent sind, die in den vergangenen Jahren vor allem in Afrika zu katastrophalen Ernteausfällen geführt haben. Doch Brotweizen ist hexaploid: Die Pflanze verfügt über einen sechsfachen Chromosomensatz. Um die Resistenz aus einer Wildsorte, die selbst keine Erträge bringt, in eine der verbreiteten Hochleistungssorten zu übertragen, müssten die entsprechenden Gene in alle sechs Chromosomensätze eingebracht werden – mit konventioneller Züchtung ein nahezu unmögliches Unterfangen; mittels CRISPR/Cas kein großes Problem.

Ein anderes Beispiel ist die Gerste. Laut IPK-Präsident Professor Andreas Graner sind die Erträge bei Gerste in Deutschland zwischen 1961 und 2000 pro Jahr um 2,8 Prozent pro Hektar gestiegen. Seitdem ist der Ertragszuwachs allerdings auf nur noch 0,5 Prozent gesunken. Die in der Genbank vorhandene genetischen Vielfalt sei nötig, um die Erträge weiter zu steigern. Graners Fazit: „Wertvolle Genvarianten aus Wildarten können oft nur gentechnisch in Kulturformen übertragen werden.“

Doch im Labor erforschte Pflanzen müssen irgendwann auch auf dem Acker erprobt werden. Seit April 2015 dürfen EU-Staaten auch den Anbau zugelassener GVO verbieten. In Deutschland ist ein solches Verbot sehr wahrscheinlich. Schon seit Jahren werden hier keine GVO mehr angebaut. Der letzte Freilandversuch am IPK wurde von Umweltaktivisten zerstört – keinesfalls anonym, wie Graner anmerkt. Die Täter sind bekannt. Doch das Landgericht Magdeburg hat im April dieses Jahres (sechs Jahre nach Zerstörung des Experiments), die Klage des IPK auf Zahlung von Schadenersatz abgewiesen. Solche Urteile und der hohe Aufwand, der zum Schutz von Versuchsfeldern betrieben werden muss, machen die von Gentechnik-Gegnern immer wieder eingeforderte Risikoforschung in Deutschland mittlerweile unmöglich. Für ihre Weizenversuche sind die IPK-Forscher deshalb nun in die Schweiz ausgewichen.

Die Stimmung unter Pflanzenforschern ist düster. „Die Technik ist in Deutschland tot“, sagt etwa Professor Christian Jung von der Universität Kiel. Er hat die Stellungnahme der Leopoldina zur Grünen Gentechnik mitverfasst. „Es gibt keine wesentliche Forschung und vor allem keine Entwicklung mehr. Und wer noch forscht, hat keine Chance zur Umsetzung an Nutzpflanzen im Feld“, sagt Jung. Er beklagt eine „Zerstörungskultur“, die die Forschungsfreiheit untergrabe.

In Deutschland ist die Debatte längst verloren, eine ganze Branche wandert ab, eine wissenschaftliche Disziplin steht vor dem Aus. Es ist der Sieg von Angst, Unwissenheit und Ideologie über die Vernunft.

Ein kleiner Lichtblick kommt aus der Schweiz. Der Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl), Professor Urs Niggli, sorgte für einiges Aufsehen in der Bio-Szene, als er öffentlich verkündete, er sehe großes Potenzial in CRISPR/Cas – auch und vor allem für den Biolandbau. Gentechnisch eingebrachte Resistenzen etwa gegen den Falschen Mehltau könnten dazu führen, dass der Biobauer keine giftigen Kupfer-Pestizide mehr spritzen muss. In einem privaten Gespräch offenbarte Niggli mir vor einem Jahr, dass er davon ausgeht, dass CRISPR/Cas die Bio-Szene spalten könne: in eine fortschrittliche Fraktion, die ihre ökologischen Ziele beibehält, aber bereit ist, diese auch mit neuen Technologien zu erreichen, und in eine religiöse Fraktion, die neue Technologien aus ideologischen Gründen ablehnt und die die Rahmenrichtlinien für den Ökologischen Landbau von 1984 als ihre Bibel betrachtet (meine Worte). Bisher sieht es allerdings so aus, als bliebe das moderne Bio-Landhaus ziemlich leer, während die Bio-Kirche aus allen Nähten platzt, die Bänke gefüllt mit den Vertretern sämtlicher Öko-Verbände und leider auch aller politischer Parteien in Deutschland. Sie predigen dort das Verbot der Grünen Gentechnik und stützen sich dabei auf Meinungsumfragen. Wenigstens sollten sie so ehrlich sein, zuzugeben dass Angst und Ideologie die Basis ihrer Entscheidung sind. Wissenschaftlich lässt sich ein Verbot nicht begründen.