Vor 50 Jahren besiegte Israel die Armeen Ägyptens, Syriens und Jordaniens. Die drei Wochen davor gingen als „Tkufat HaHamtana“ (dt. Epoche des Wartens) in die israelische Geschichte ein. Während das Militär auf einen Präventivschlag drängte, hoffte Ministerpräsident Levi Eschkol bis zuletzt, dass der Krieg sich verhindern ließe. Als er dann doch ausbrach, fehlten die politischen Ziele für den Waffengang.

Sechs Tage dauerte der Krieg zwischen Ägypten, Syrien und Jordanien auf der einen und Israel auf der anderen Seite, der heute vor 50 Jahren begann. Gewonnen war er allerdings bereits nach wenigen Stunden. Um 7.45 Uhr startete nahezu die gesamte israelische Luftwaffe und nahm im Tiefflug unterhalb des ägyptischen Radars und der effektiven Reichweite der Flugabwehrraketen Kurs auf ägyptische Flugplätze. Um 12 Uhr war die ägyptische Luftwaffe fast vollständig zerstört. Die Landebahnen der Militärflughäfen waren mit speziell dafür entwickelten Raketen so schwer beschädigt worden, dass sie für den Rest des Krieges unbrauchbar waren. Mehr als 300 ägyptische Kampfflugzeuge wurden zerstört, die meisten davon am Boden. Israel verfügte insgesamt gerade einmal über etwas mehr als 200 Flieger.

Nach einem ähnlichen Schlag gegen die syrische Luftwaffe hatte Israel die vollständige Lufthoheit über dem Kampfgebiet. Für den Rest des Krieges konnte die Armee, die sich zu diesem Zeitpunkt noch keine Artillerie leisten konnte, auf ihre „fliegende Artillerie“ zur Unterstützung am Boden zurückgreifen. Die Luftwaffe, die bereits zuvor mit dem Slogan „HaTowim la Tajs“ (frei übersetzt: die Besten zur Luftwaffe) geworben hatte, brauchte sich über Jahre hinweg keine Sorgen mehr um die Rekrutierung zu machen.

Das Land befand sich im kollektiven Siegestaumel und feierte seine Armee. Frontkommandanten wurden zu Nationalhelden. Ariel Scharon legte mit der Eroberung der Festung von Abu-Ageila den Grundstein für seine spätere politische Karriere. Sein koordinierter Nachtangriff mit Panzern, Infanterie, Pionieren und Fallschirmjägern öffnete den Weg in den Sinai und fand Aufnahme in den Lehrplan von Militärakademien überall auf der Welt. Mit einem Tross von Hofberichterstattern sorgte Scharon dafür, dass auch ja jeder von seinen Heldentaten erfuhr.

Arabische Vernichtungsdrohungen

Doch dem Triumph vorangegangen waren Wochen einer nationalen Depression. Der letzte Auswanderer möge am Flughafen das Licht ausmachen, hieß es in einem Witz, der damals erzählt wurde. Israel sah sich in seiner Existenz bedroht: Am 14. Mai hatte Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser Truppen auf den entmilitarisierten Sinai verlegt, die ihre Positionen gemäß dem den Israelis bekannten Eroberungsplan einnahmen. Das kam für das israelische Militär überraschend, da Ägypten zu diesem Zeitpunkt in eine erfolglose Intervention im Jemen verwickelt war.

Zwei Tage später forderte Nasser die UN-Truppen (UNEF) auf, die als Puffer zwischen Ägypten und Israel stationiert waren, den Sinai zu verlassen. Israels Generalstabschef Jitzchak Rabin wurde langsam nervös und bat um die Mobilisierung der Reserve. Ministerpräsident Levi Eschkol, der auf eine friedliche Lösung des Konflikts hoffte, gestattete widerwillig die Einberufung von zwei Brigaden.

Am 22. Mai schließlich sperrte Ägypten die Straße von Tiran für Schiffe, die Israel ansteuerten und schnitt das kleine Land damit vom Handel mit Afrika und Asien ab, insbesondere von Öllieferungen aus dem Iran – ein Casus belli, wie Israel zuvor wiederholt öffentlich klargemacht hatte.

Hinzu kam das Trommelfeuer arabischer Propaganda: „Unser Ziel ist die Zerstörung Israels. Die arabischen Völker wollen kämpfen“, verkündete Nasser am 27. Mai. Bereits in der Woche davor hatte der syrische Verteidigungsminister Hafiz al-Assad erklärt: „Unsere Streitkräfte sind nun vollständig bereit, nicht nur die Aggression zurückzuschlagen, sondern den Akt der Befreiung selbst einzuleiten und die zionistische Präsenz im arabischen Heimatland zu sprengen. Die syrische Armee hat ihren Finger am Abzug und ist vereint (…). Als Mann des Militärs glaube ich, dass die Zeit gekommen ist, den Vernichtungskrieg zu beginnen.“

Abdul Rahman Arif, der Präsident des Irak, der mit Ägypten und Jordanien ein Militärbündnis schloss und der Ende Mai Truppen nach Jordanien verlegte, verkündete: „Die Existenz Israels ist ein Fehler, der korrigiert werden muss. Dies ist die Gelegenheit, die Schmach auszulöschen, die uns seit 1948 begleitet.“ Der irakische Premierminister wiederum ging davon aus, dass es nach dem kommenden Krieg praktisch keine jüdischen Überlebenden geben würde. Und Nasser legte in einer Rede am 29. Mai nach: „Da es uns gelang, die Lage wieder auf die Zeit vor 1956 zurückzudrehen, so besteht kein Zweifel darüber, dass Gott uns helfen wird, auch wieder zur Lage vor 1948 zurückzukehren.“*

In Israel herrschte eine Art kollektiver Panik

Auch wenn das israelische Militär zunächst nicht davon ausging, dass Ägypten tatsächlich einen Krieg beginnen wollte, wurden solche Vernichtungsdrohungen in Israel sehr ernst genommen. Und sie riefen Erinnerungen an den Holocaust wach, zumal allgemein bekannt war, dass deutsche Wissenschaftler an der Entwicklung von Waffen für die arabischen Armeen arbeiteten. Ende Mai war die Stimmung im Land nahe der kollektiven Panik. Fast täglich fanden Luftschutzübungen statt. Kinder wurden nach Europa ausgeflogen, die Schulen richteten Luftschutzbunker ein, in den Krankhäusern wurden tausende Betten vorbereitet, die Bevölkerung zu Blutspenden aufgerufen. In Stadtparks wurden nicht nur Schützengräben, sondern auch gleich tausende Gräber ausgehoben.

Wenn Sara Lemel in ihrem Korrespondentenbericht zu 50 Jahren Sechstagekrieg für die dpa den Hintergrund des Kriegs lapidar in einem Satz zusammenfasst („Der bis dahin dritte bewaffnete Konflikt zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten bricht am 5. Juni 1967 aus, nachdem Ägypten israelische Seewege blockiert und Truppen auf die Sinai-Halbinsel verlegt hat“), dann wird von dieser Dramatik der Lage nichts offenbar.

Generalstabschef Rabin sah Israel mit dem Rücken zur Wand und drängte gemäß der gültigen israelischen Militärdoktrin, dass das Land für einen Verteidigungskrieg zu klein sei, auf einen Präventivschlag. Doch Eschkol wollte davon nichts wissen. Dass die ägyptische Armee im Sinai aufmarschiert sei, müsse nicht zum Krieg führen, sagte er seinen Generälen. Er hoffte auf eine Öffnung der Straße von Tiran durch internationalen Druck. US-Präsident Johnson hatte versprochen, zu diesem Zweck eine internationale Flotte zusammenzustellen, die eine Durchfahrt durch die Blockade erzwingen sollte.

Rabin hielt diesen Plan für vollkommen unrealistisch. In der Überzeugung, durch seine Drohungen gegenüber Syrien zur Eskalation beigetragen zu haben (Rabin hatte unter anderem in der Militärzeitschrift „Bamachane“ einen Einmarsch in Syrien angedeutet, sollte das Regime nicht gegen die von seinem Boden aus operierenden Terrorgruppen vorgehen) und nun die alleinige Verantwortung für das Überleben Israels auf seinen Schultern zu tragen, erlitt der Generalstabschef am Abend des 23. Mai offenbar einen Nervenzusammenbruch. Später hieß es, eine Nikotinvergiftung habe Rabin nach endlosen verqualmten Sitzungen in unterirdischen Bunkern außer Gefecht gesetzt.

Israel ist auf sich allein gestellt

Andere Generäle setzten auf die Flucht nach vorn. Bei einer hitzigen Sitzung des Generalstabs am 28. Mai ging Ariel Scharon so weit, eine Absetzung Eschkols vorzuschlagen. Der wieder genesene Rabin wollte davon aber nichts wissen. Selbst unter dem extremen Druck der angekündigten Vernichtung blieb Israels Demokratie stabil. Ein Putsch war für den Großteil der Generalität unvorstellbar. Stattdessen wurde entschieden, 30.000 Reservisten nach Hause zu schicken, weil die Dauermobilisierung der Reserve eine kaum mehr zu stemmende wirtschaftliche Belastung für das kleine Land war und man sich außerdem erhoffte, durch diesen Schritt die Moral heben zu können.

Am Ende war es der öffentliche Druck, der die Weichen auf einen Präventivschlag stellten. Am 28. Mai wollte Eschkol die Bevölkerung mit einer Ansprache im Radio beruhigen. Doch die Rede wurde zum PR-Desaster. Wegen einer späten Änderung am schwer leserlichen Manuskript ging sie als „Stotterrede“ in die israelische Geschichte ein. Der Eindruck eines verunsicherten Ministerpräsidenten führte zu Aufrufen in den Medien nach einer Absetzung Eschkols.

Die „Tauben“ im Kabinett hatten bereits zuvor vorgeschlagen, den ehemaligen Generalstabschef Mosche Dajan zum Verteidigungsminister zu ernennen, in der Hoffnung, dass der Kriegsheld von 1956 den Einfluss Rabins auf die Politik beschränken würde. Das tat Dajan auch tatsächlich, als er schließlich am 1. Juni im Zuge der Gründung einer Regierung der nationalen Einheit den Posten übernahm. Allerdings gab er seinem Generalstabschef in der Einschätzung der Lage recht. Als US-Präsident Johnson dann in einem Brief vom 3. Juni an Eschkol weiterhin lediglich auf Bemühungen verwies, für internationale Unterstützung bei den Vereinten Nationen zu werben und nicht die erhoffte Garantie für Israels Sicherheit abgab, wurde klar, dass Israel keine Hilfe von außen zu erwarten hatte. In der von Dajan geführten Kabinettssitzung am Tag darauf gab die Regierung der Armee den Befehl, den Angriff auf Ägypten vorzubereiten.

Jordanien soll sich raushalten – der Mythos von der geplanten Eroberung

In dem bereits erwähnten Korrespondentenbericht der dpa „50 Jahre Besatzung: Israels Siedlerbewegung aus dem Krieg geboren“ heißt es: „In einem überraschenden Präventivschlag zerstört Israel in kürzester Zeit große Teile der Luftwaffen Ägyptens, Jordaniens, und Syriens. Im Sturm erobern israelische Bodentruppen Westjordanland, Sinai-Halbinsel, Gazastreifen, Ost-Jerusalem und die syrischen Golanhöhen, während die Welt staunend zusieht.“ Tatsächlich hat Israel am Morgen des 5. Juni 1967 zunächst ausschließlich gegen Ägypten losgeschlagen. Dass dies auch Krieg mit Syrien bedeuten würde, war offensichtlich. Immerhin hatte Nasser unter anderem deswegen Truppen auf den Sinai verlegt, um Israel vor einem Angriff auf Syrien abzuhalten. Der sowjetische Geheimdienst hatte Nasser mit falschen Informationen über einen israelischen Aufmarsch an der syrischen Grenze versorgt.

Einen Krieg mit Jordanien wollte Israel aber vermeiden. Über gleich mehrere Wege, zuletzt über den norwegischen UN-General Odd Bull, ließ man König Hussein ausrichten, dass man keinen Kampf mit Jordanien wolle. Als die jordanische Armee mit Maschinengewehren und kleinen Geschützen israelische Stellungen in Westjerusalem angriff, erwiderten die israelischen Soldaten das Feuer lediglich mit Handwaffen. Erst als die jordanische Artillerie und Luftwaffe eingriff, schlug Israel zurück.

Die Vorgaben der Militärführung an die Kommandanten vor Ort waren aber zunächst ausschließlich defensiver Natur. Mosche Dajan gab den Befehl, Jerusalem notfalls zu umzingeln, nicht aber zu erobern. Dass Israel die Gelegenheit eines Krieges begrüßt habe, um Jerusalem, das Westjordanland und die Golanhöhen zu besetzen, getrieben von einer Groß-Israel-Ideologie und religiösen Siedlern, ist ein Mythos, den man immer wieder lesen kann.

Ein Krieg ohne politische Ziele und die Dynamik des Schlachtfelds

Tatsächlich hatte Israel überhaupt keine politischen oder strategischen Ziele, was daran lag, dass das eigentliche politische Ziel bis zuletzt die Verhinderung eines Kriegs war. Der Sechstagekrieg war ein Befreiungsschlag gegen eine existenzielle Bedrohung. Die Armee hatte den Auftrag, die Bedrohung durch die ägyptische Armee auf dem Sinai zu beseitigen. Im Regierungsbeschluss vom 4. Juni hieß es lediglich: „Die Regierung hat entschieden, militärische Schritte einzuleiten, um Israel von der militärischen Schlinge, die sich um das Land gelegt hat, zu befreien.“**

Der weitere Verlauf mit den immensen Gebietsgewinnen war eine Folge der rasanten Dynamik des Krieges. Die entwickelte sich nicht von oben nach unten, von der politischen Führung über den Generalstab zu den Frontoffizieren, sondern umgekehrt. Ohne klare Vorgaben entschieden die Feldkommandanten vor Ort auf Basis taktischer Erwägungen. Dieses Vertrauen auf die Improvisation der Offiziere war Teil des Selbstverständnisses der israelischen Armee. Die Geschwindigkeit, in der sich der Krieg entwickelte, überholte dabei die Einflussmöglichkeiten des Verteidigungsministers Dajan, der weder ein Vorrücken bis zum Suez-Kanal noch die Eroberung der Golan-Höhen guthieß. Auch die Besetzung des Gaza-Streifens war nicht geplant.

Erst nach Ende des Krieges begannen die Überlegungen, wie mit dem eroberten Territorium zu verfahren sei. Der Jubel über die Wiedervereinigung Jerusalems und der biblischen Kerngebiete des Judentums war groß. Dass Israel einer erneuten Teilung seiner Hauptstadt nicht zustimmen würde, lag auf der Hand, zumal der UN-Teilungsplan von 1947 eine solche ja gar nicht vorgesehen hatte. Jerusalem hatte unter internationale Verwaltung gestellt werden sollen, was den Zugang der Anhänger der drei monotheistischen Weltreligionen zu ihren Heiligtümern garantieren sollte. Erst die Eroberung Ostjerusalems durch Jordanien verhinderte dies, da die Jordanier die Juden aus der Altstadt vertrieben, die Synagogen zerstörten und den Platz vor der Klagemauer zubauten.

Dajan wartet auf einen Anruf aus Kairo und Damaskus

Auch dass im Westjordanland keine Juden mehr lebten, war auf die Besetzung durch die jordanische Armee zurückzuführen. Die „erste Siedlung“, wie es im Bericht der dpa heißt, die noch im Jahr 1967 gegründet wurde, war Kfar Etzion. Das Dorf war 1948 von der jordanischen Armee zerstört, ihre Bewohner fast vollständig massakriert worden. Einer der Neugründer Kfar Etzions war ein ehemaliger Bewohner. Offenbar reichen 19 Jahre Besetzung und ein Massaker, um vom rechtmäßigen Einwohner zum illegalen Siedler zu werden.

Am 19. Juni 1967, neun Tage nach dem Ende des Sechstagekriegs, wusste die israelische Regierung, was sie mit den eroberten Gebieten machen wollte. An Ägypten und Syrien erging das Angebot: Land gegen Frieden. Für die Anerkennung Israels und die Unterzeichnung eines Friedensvertrags war Israel bereit, die besetzten Territorien vollständig zurückzugeben. Der BBC sagte Mosche Dajan damals in einem Interview: „We’re waiting for a phone call from the Arabs.”

Er wartete vergeblich. Statt zum Telefon zu greifen, reisten die Araber zum Gipfel der arabischen Liga in Khartum – und verabschiedeten dort am 1. September die berühmt gewordenen drei Neins: Kein Frieden, keine Anerkennung, keine Verhandlungen mit Israel. Damit war die Saat für den nächsten Krieg gelegt.

 

*Zitiert nach: Yehuda Wallach: Feindbilder, Bedrohungsvorstellungen und strategische Planungen vor den Kriegen von 1956, 1967 und 1973 zwischen Israel und seinen Nachbarn. Die israelische Sicht. In: Jürgen Rohwer (Hg.): Feindbilder und Militärstrategien seit 1945, Bremen 1992, S. 143.

**Zitiert nach Ami Gluska: The Israeli Military and the Origins of the 1967 War. Government, Armed Forces and Defence Policy 1963-67. London 2007.

 

Quellen

  • Michael Oren: Six Days of War. June 1967 and the Making of the Modern Middle East. Oxford 2002
  • Haim Benjamini: The Six Day War, Israel, 1967: Decisions, Coalitions, Consequences. A Sociological View. In: Moshe Lissak (Hg.): Israeli Society and its Defense Establishment. The Social and Political Impact of a Protracted Violent Conflict. London 1984.
  • Ami Gluska: The Israeli Military and the Origins of the 1967 War. Government, Armed Forces and Defence Policy 1963-67. London 2007.