Kaum eine Denkrichtung ist momentan so unpopulär wie die kulturwissenschaftliche. Wer Zuspruch will, propagiert lieber „einfache Wahrheiten“ und arbeitet sich an den bösen Verkomplizierern ab. Dabei gibt es gerade heute kulturanalytisch viel zu tun.

Ein Kollateralopfer des momentanen Zeitgeistes sind die Kulturwissenschaften. Diese entsetzlich kopflastigen, verkomplizierenden, den Blick für das einfach Wahre verstellenden Denkarten französischer Intellektueller und ihrer Freunde weltweit sind nicht mehr wohlgelitten. In den sozialen Medien populär ist, wer mit einem „harten Faktum“ argumentiert. Großgestig treten in jeder Facebook-Diskussion früher oder später jene auf, die „einfach mal die Dinge beim Namen nennen“. Sie berufen sich entweder auf den gesunden Menschenverstand oder auf die „echten“, harten, weil Natur-Wissenschaften. Die wären von den fiesen Kulturtheoretikern in der Vergangenheit angeblich kleingehalten worden. Womit jetzt endlich mal Schluss sein müsse.

Unterstützung von philosophischer Seite bekamen sie jetzt durch einen Gastbeitrag in der Zeit. Der Zürcher Philosoph Michael Hampe ließ sich dort hämisch bis siegestrunken über eine Gruppe Denker aus, die ihn offenbar im akademischen Betrieb ein wenig traumatisiert hatte: die „kulturwissenschaftliche Linke“. Im wesentlichen warf er der vor, durch die Verkomplizierung von Begriffen wie Wahrheit den Fake News erst Tür und Tor geöffnet zu haben.

Hampe: „Was sagt man den Leugnern der Erderwärmung, wenn sie die Tatsachen mit grober Pranke einfach beiseiteschieben und lachend rufen: ‚Du wirfst mir vor, die Tatsachen zu leugnen? Hast du nicht behauptet, die gäbe es gar nicht? Nun, wenn alles nur konstruiert ist, dann konstruiere ich mir jetzt eben mal mein Klima, ich erfinde es, statt es vorzufinden – so hast du es doch immer gewollt!’“

Nun sind die Momente, in denen Donald Trump so argumentiert hätte, mir noch nicht aufgefallen. Eher selten zitiert der Mann Foucault oder Derrida. Im Gegenteil. Der Erfolg der neuen Rechten basiert auf einer sehr ähnlichen Diskurskritik, wie sie Hampe vornimmt. Trump ist gegen alles, was die Dinge verkompliziert: Intellektuelle, Journalisten, Computer. Hampels kulturwissenschaftliche Linke dürfte Teil seines Feindbild-Arsenals sein. Die sich selbst ungeheuer mutig findende „Ich sag es wie es ist“-Logik ist Trumps Metier, ebenso wie jenes seiner publizistischen Freunde.

Den Erfolg der vielen Trumps dieser Welt macht aus, dass sie die harte Aufklärer-Geste kultivieren und permanent rhetorisch und in Bildern untermauern. Und um genau diesen Kultivierungsprozess zu untersuchen, sind die Kulturwissenschaften tückischerweise ausgesprochen gut geeignet. Es gibt bei den neuen globalen Populismen eben viel Inszenierung zu analysieren, viel ästhetischen Rausch zu entlarven. Wie das geht, zeigt in einem aktuellen Interview die Kulturwissenschaftlerin Judith Butler. Sie zerlegt das massenästhetische Medienphänomen Trump – und betreibt dort im besten Sinne kulturwissenschaftliche Dekonstruktion. Müßig zu sagen, dass Butler (vor allem durch ihre gendertheoretischen Ansätze) selber schon länger ein Lieblingsobjekt der feixenden Neo-Positivisten ist.