Martin Mosebachs „Mogador“ ist mein Buch des Jahres, weil ich die arabische Welt mag und die Erzählkunst dieses Autors bewundere.

Martin Mosebachs Roman „Mogador“ ist mein Buch des Jahres, weil es eine wunderbare Sprache zelebriert. Bemerkenswert auch, dass diese Geschichte über einen zwielichtigen Banker und eine Puffmutter in der marokkanischen Provinz ohne moralisches Urteil auskommt. Worum geht es? In Mogador, das ist der alte Name der Küstenstadt Essaouira, trifft der Deutsche Patrick auf die Einheimische Khadija. Dem Banker sind „Unregelmäßigkeiten“ unterlaufen, die einen Aufenthalt außerhalb der EU nahelegen. Allerdings hat er persönlich von diesen Manövern gar nicht profitiert, sondern ein Kunde seiner Bank, weshalb eine Restsympathie auf ihm ruht. Das Gleiche gilt für Khadija, die aus tiefer Armut hineingerutscht ist in die Rolle einer, nun ja: Gastgeberin. Ihre sündhafte Bedürfnisanstalt in einer archaischen und vom Islam geprägten Umgebung floriert mit den Mitteln der Täuschung und der Schauspielerei. Ein ordentliches Hotel kommt für den von der Polizei Gesuchten nicht in Frage, Khadija braucht das Geld, und so leben die beiden eine Weile unter einem Dach, beschnuppern und misstrauen sich. Ein Paar werden sie nicht, dieses Buch beschreibt keine Romanze. Wer die arabische Welt kennt und -allen politischen Großwetterlagen zum Trotz- schätzt, wird sich an den präzisen Menschen-Beobachtungen Mosebachs ergötzen. Bauern, Fischer, abergläubische Weiber und dralle Dorfpolizisten: Das alles kann er beschreiben wie kein Zweiter. Man merkt, dass er seine Figuren respektiert. Vielleicht sogar liebt. Die Analphabeten mehr als die Gelehrten, die Gewitzten mehr als die Moralapostel, die Zweifler mehr als die Siegesgewissen. Sympathisch.