Das Investigativ-Portal „Correctiv“ stellt eine rechtspopulistische Politikerin an den Pranger, weil diese als Sexarbeiterin tätig war. Heraus kommt eine schlüpfrige Männerfantasie.

So kann sie also auch aussehen, die Arbeit des „ersten gemeinnützigen Recherchezentrums im deutschsprachigen Raum“, als das sich „Correctiv“ gerne darstellt. Nach guten und wichtigen Artikeln über die Ausbeutung polnischer Arbeiter, Greenwashing in der Teppichindustrie und Missständen im Gesundheitswesen überrascht das Investigativ-Büro die Öffentlichkeit nun mit einer Geschichte über eine AfD-Politkerin aus NRW. Die Essenz des Textes: Iris D. war mal eine Hure.

Man muss kaum dazu sagen, dass der Beitrag aus der Feder zweier Männer stammt. Man kann sich die hochroten Köpfe vorstellen, mit denen sich die Verfasser an die Recherche auf einschlägigen Sexportalen gemacht und das Prostituierten-Profil von Iris D. – ganz investigativ – gescreenshottet haben. Dabei werden Skandale wie diese aufgedeckt: „Aus ihrem Umfeld heißt es, sie sei bei ihrer Sextätigkeit einem Fetisch nachgegangen, zu dem auch das Spiel mit der Rolle einer Prostituierten gehörte“, und „sie habe in ‚Swingerclubs, SM und Fetischszene‘ Erfahrungen gemacht.“ Was die „Correctiv“-Autoren ihrerseits im Schlafzimmer so alles treiben, möchte man lieber nicht wissen.

Vermeintliche Spuren führen ins Leere

Man merkt, wie der Text um Relevanz abseits von Männerfantasien aus den 50er Jahren ringt. Hat die „Spitzenfrau der AfD“ ihre Einnahmen ordnungsgemäß versteuert? Widerspricht Sexarbeit nicht dem traditionellen Familienbild der Partei? Die Spuren führen ins Leere und man merkt, dass wohl eher die triggernde Wort-Kombination „Sex“ und „AfD“ den Ausschlag für eine Veröffentlichung des Artikels gegeben hat.

Beim Lesen des Textes fragt man sich irgendwann, wo für die Autoren genau das Problem an der Sexarbeiterinnen-Tätigkeit der Politikerin ist. Belege, dass sich die rechtspopulistische Partei, etwa in ihrem Wahlprogramm, kritisch auf das horizontale Gewerbe bezieht, finden sich nirgends. Dafür steht relativ weit hinten das dürre Sätzchen, die Vergangenheit von Iris D. als Nebenerwerbsprostituierte „ist auch deshalb von Bedeutung, weil sich die AfD gern als Saubermann-Partei darstellt.“ Weiter ausgeführt wird dies mit keinem Wort. Dass die Partei soeben mit Alice Weidel eine lesbische Frau zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gewählt hat, bleibt unerwähnt. Es würde ja die schöne These stören.

Das scharfe Schwert verkommt zum labbrigen Dildo

Stattdessen erfährt der Leser, dass die Politikerin durch ihre Vergangenheit erpressbar sei: „Egal, ob es ein Geheimdienst ist – oder ein politischer Gegner in den eigenen Reihen oder in den Reihen anderer Parteien.“ Oder eben ein unabhängiges Recherchebüro. Durch die öffentliche Anprangerung dürfte sich dieses Problem allerdings erledigt haben.

„Correctiv“ ist ein wichtiges Netzwerk, das gemeinhin gute Arbeit leistet und den selbst gesteckten Ansprüchen in der Regel gerecht wird. Der journalistisch-investigative Background der Recherche-Profis ist ein scharfes Schwert. Mit voyeuristischen und letztlich sexistischen Beiträgen wie diesem droht es, zu einem labbrigen Gummi-Dildo zu werden.