Die Diskussion um Nahrungsmittel hat absurde Züge angenommen: Zeit für eine nüchterne Betrachtung der Lage und ein Plädoyer gegen die Methoden einer Industrie, deren einziges Produkt Panikmache ist.

In den 1970er Jahren während meines Studiums bekam ich zum ersten Mal eine Ahnung davon, was es bedeutet, wenn es nichts mehr zu essen gibt. Damals durchquerten meine Mitbewohner und ich auf dem Weg zur Uni oft die Schrebergärten in der Nachbarschaft. Den meist schon älteren „Laubenpiepern“ waren wir langhaarigen Studenten erst nicht geheuer, aber als sie sich an unseren Anblick gewöhnt hatten, schenkten sie uns während der Erntezeit Obst und Gemüse. Wir nahmen gern an, es schmeckte gut. Wir lernten sogar, Marmelade zu kochen.

Dann musste die Kolonie einem Versicherungspalast weichen. Die Kleingärtner erhielten Entschädigungen; ein neues Gelände wurde angelegt. Manche Vereinsmitglieder zogen um, andere gaben auf.

Bevor die Bagger anrückten, stromerten wir durch die verlassenen Gärten und Hütten – und stießen auf Dosen, Kanister und Flaschen mit dem Totenkopf auf dem Etikett. Unsere Kleingärtner hatten alles genutzt, was die Industrie an Dünge-, Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln zu bieten hatte: Aldrin, Heptachlor und E605, Schneckenkorn, Zelio, ein Thallium-haltiges Gift zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen, selbst DDT fanden wir in den Schuppen. Wir waren schockiert.

Man konnte auf nichts verzichten

Meine Mutter wunderte sich nicht: „Wenn Du die schlechten Zeiten erlebt hättest, dann wüsstest Du, dass Du auf keine Möhre und keine Bohne verzichten kannst.“ Mit den „schlechten Zeiten“ waren die späten zwanziger Jahre und natürlich die Kriegs- und Nachkriegszeit gemeint. „Wir hatten immer Hunger.“ Sie erzählte, wie damals jedes Stückchen Land bebaut wurde. Auch in der Stadt wurden Kaninchen und Schweine gehalten. Schimmel auf Lebensmitteln wurde abgestreift, faule Stellen bei Obst und Gemüse herausgeschnitten, sauer gewordene Milch als „Stippmilch“ verwertet. Die Wälder wirkten wie durchgefegt, weil jeder Pilz und jede Frucht geerntet und jedes Ästchen, das auf den Boden fiel, als Brennmaterial gesammelt wurde. Mein Vater sagte nichts. Erst später erfuhr ich, dass man in den Lagern des Zweiten Weltkriegs lernte, einen Bissen Brot 120mal zu kauen und dass der Hunger vor nichts halt machte, auch nicht vor Brennnesseln, Lindenblättern und Gras.

Kollektive Erfahrungen sitzen tief. Bis heute fällt es mir schwer, Brot wegzuwerfen, obwohl ich in meiner Kindheit keinen Tag Hunger leiden musste. Überfluss gab es jedoch auch nicht. Noch bis in die 1960er Jahre waren frisches Obst, Salat und Gemüse im Winter Mangelware. Es gab Konserven und Eingekochtes: Pfirsiche aus der Dose, Bohnen aus dem Glas und eingemachte Pflaumen, Kirschen und Apfelkompott, gut gezuckert natürlich („Zucker sparen? Grundverkehrt! Der Körper braucht ihn, Zucker nährt“, pflegte meine Großmutter zu sagen). Die Kartoffeln im Keller wurden mit Tixit-Pulver eingestäubt, damit sie nicht keimten, Äpfel auf dem Regal gelagert, wo sie immer schrumpeliger wurden, oder in Scheiben geschnitten und im Backofen getrocknet. Möhren kamen in eine Sandkiste. Von den Vitaminen blieb dabei nicht viel erhalten. Kinder mussten im Winter täglich einen Löffel Lebertran schlucken, um genügend Vitamin A, D und E zu erhalten. „Südfrüchte“ wie Orangen und Bananen waren teuer. Es gab sie zu besonderen Gelegenheiten. Fisch war nur in Küstennähe frisch zu bekommen. Die Chemie wurde damals noch als Segen begriffen. Konservierungsmittel machten die Nahrung haltbar und schützten vor Lebensmittelvergiftungen. Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel sorgten für bessere und verlässlichere Ernten. Es war die große Zeit des Gifteinsatzes gegen alles, was Landwirten und Freizeitgärtnern die Ernte streitig machte: Insekten, Mäuse, Unkräuter, Fäulnis und Schimmel.

Verdienste der Umweltschützer

Heute ist das alles Geschichte. Die Umweltschutzbewegungen, die in den 1980er Jahren entstanden, haben das Bewusstsein für die Gefahr eines sorglosen Umgangs mit allzu giftigen Substanzen geschärft. Die ökologische Landwirtschaft hat Themen wie Bodengesundheit, Überdüngung von Gewässern, die Einbeziehung von Nützlingen und die Berücksichtigung von ökologischen Kreisläufen auf die Tagesordnung gesetzt. Inzwischen wird an den Universitäten das biologische Management von Schädlingen, Unkräutern und Böden erforscht; neue Disziplinen wie die chemische Ökologie und die molekulare Phytopathologie sind entstanden. Forscher in aller Welt untersuchen, wie Pflanzen miteinander kommunizieren, welche genetischen Programme bei einem Schädlingsbefall aktiviert werden und wie sich Lebensgemeinschaften herausbilden, die voneinander profitieren.

Zahlreiche besonders problematische Insektizide und Fungizide sind seit 2004 weltweit verboten. Rückstände der noch erlaubten Mittel werden penibel kontrolliert. Es gibt Verstöße, aber Umweltschutzorganisationen müssen ihre Warnungen vor Gift in der Nahrung immer häufiger mit dem Hinweis versehen, dass die gesetzlich zugelassenen Grenzwerte nicht überschritten wurden.

Bislang hat die Produktivität der Landwirtschaft nicht darunter gelitten. Ob Sommer oder Winter: Die Läden quellen über von Obst, Gemüse und Salaten mit und ohne Bio-Siegel. Was abends nicht verkauft ist, wird weggeworfen. Hunderte Sorten, darunter auch tropische Früchte, werden täglich angeboten; selbst im tiefsten Winter sind frische Erdbeeren zu kaufen. Daneben gibt es Obst und Gemüse, erntefrisch eingefroren, in der Tiefkühlabteilung. Rachitis, Skorbut und andere Vitamin-Mangelerkrankungen kommen in den industrialisierten Ländern praktisch nicht mehr vor. Die Lebenserwartung steigt von Jahr zu Jahr.

Lobbygruppen schüren Angst

Doch jetzt sind wir auf dem besten Wege, diese Errungenschaften in Gefahr zu bringen und sie anderen zu verweigern. Ursache ist eine paradoxe Situation: Obwohl unsere Nahrung noch nie so reichhaltig und hochwertig war, ist die Furcht vor falscher Ernährung so groß wie nie zuvor. Die Medien warnen vor „Gift und Genen“ in der Nahrung, vor zu viel Zucker, Fett und Gluten, verteufeln Fleisch, Milch, Weizen, Butter und Alkohol. Immer mehr Menschen, so heisst es, stellen ihre Ernährung um und versuchen, gluten-, zucker- oder laktosefrei, vegetarisch, vegan oder frutarisch zu leben. Diät-Gurus empfehlen low carb, low fat, Roh- oder Steinzeitkost. Tipps für „Entgiftung“ und „Entschlackung“ werden ausgetauscht. Eltern klagen, dass Kindergeburtstage wegen vermeintlicher Nahrungsunverträglichkeiten zum organisatorischen Alptraum werden: Alexander darf keine Nüsse essen, Sophie keine Äpfel, Maximilian verträgt keine Zitrusfrüchte, Marie ist allergisch gegen Erdbeeren, Elias wird vegan ernährt, Anna glutenfrei und alle zusammen dürfen natürlich keine Süßigkeiten bekommen (und nicht zu viel Salz!). Kein Monat vergeht ohne Schlagzeilen über „Chemie“ im Gebäck, „Gene“ im Viehfutter und Pestizide im Gemüse. In den sozialen Medien kursieren immer neue Katastrophenmeldungen, Petitionsaufrufe und Warnungen. Am Pranger stehen Hühnerzüchter, Milchbauern, Fastfoodketten, Schokoladenhersteller, Wurstfabrikanten und natürlich alle Großkonzerne der Agrar-, Chemie- und Lebensmittelindustrie. Nur wenige zweifeln noch daran, dass wir schleichend vergiftet werden, wenn wir uns nicht „bewusst“ ernähren.

Essen ist heute mit Angst besetzt, Angst, die von Lobbygruppen geschürt wird, um Spenden zu erhalten und die Nachfrage nach bestimmten Produkten zu befördern. So, wie viele Medien die Auflage in die Höhe treiben, indem sie eine nackte Frau auf die Titelseite bringen, halten es manche Umweltschutzorganisationen mit Totenköpfen und Gasmasken. Medienwirksam durchstreifen sie in Schutzanzügen „genverseuchte“ Felder und entsorgen „chemieverseuchte“ Kinderkleidung in Sondermüll-Behältern. Passend zur Jahreszeit wird vor Dioxin in Ostereiern, Karzinogenen in Grillfleisch, Aluminium in Brezeln und Acrylamid in Weihnachtsgebäck gewarnt.

Nur Angst um die Gesundheit sei „kampagnenfähig“, wurde mir bei Greenpeace eröffnet, als ich Ende der 1990er Jahre während einer internen Diskussion Aussagen über gesundheitliche Risiken von gentechnisch erzeugten Pflanzen in Zweifel zog. Angst öffnet das Portemonnaie, hieß es. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich für die Umweltschutzorganisation als Berater und Autor gearbeitet. Ich war überzeugter Gegner von Pestiziden und Anhänger des Biolandbaus gewesen. Jetzt kamen die ersten Zweifel. Ich nahm meinen Abschied und stellte bald fest, dass ich nicht der einzige war, der es skeptisch sah, dass aus der anfänglichen Graswurzel-Opposition eine florierende Industrie geworden ist, die weltweit Hunderttausende von Menschen beschäftigt. Sie alle leben davon, dass es Skandale gibt – sonst fließen keine Spenden. Natürlich gibt es noch immer Missstände, aber die Frage ist erlaubt, ob manche Skandale tatsächlich welche sind.

Absurdes Bild von Landwirtschaft

Bei uns geht es der Umwelt so gut wie schon lange nicht mehr. 25 Jahre nach dem Ende der DDR sind Saale, Mulde und Elbe keine Kloaken mehr. Mitten im Hamburger Hafengebiet fühlen sich Neunaugen, Schweinswale und Seehunde wohl, in Halle-Bitterfeld wachsen die Bäume wieder, die mit Schwermetallen und Giftstoffen verseuchten Böden sind weitgehend saniert. Teiche, in denen ölige Lachen schwappten, sind heute wieder klar und voller Fische und Amphibien. Der Phosphatgehalt des Oberflächenwassers ist so stark zurückgegangen, dass viele Seen heute wieder oligotroph sind und nur noch eine geringe Masse an Fischen ernähren – eine Entwicklung, die als bedrohlich empfunden und fälschlicherweise auf „Umweltverschmutzung“ zurückgeführt wird. Dem Wald geht es prächtig, und die Deutschen hatten noch nie so eine hohe Lebenserwartung.

Dennoch sind Panikmacher äußerst erfolgreich. Viele Menschen fordern Lebensmittel, die ohne „Chemie“, „genfrei“ und „organisch“ erzeugt werden, lehnen Fastfood und Fertiggerichte ab. Sie wollen keine Herbizide, Insektizide, Fungizide, keinen Dünger, keine Gentechnik und auch keine anderen modernen Methoden der Pflanzenzucht. Der Begriff Pestizid wird in der Öffentlichkeit nur noch mit „Vergiftung von Boden, Pflanzen und Lebensmitteln“ assoziiert. Städter, so klagen Bauern, stellen sich die Landwirtschaft vor, wie sie in Bilderbüchern dargestellt wird. Kälbchen, Ferkel, Kätzchen und Hühner tummeln sich auf dem Hof, Bienen und Vögel schwirren durchs Bild, hinterm Zaun grast friedlich eine Kuh, ein Hund liegt in der Sonne und irgendwo ist auch der Landmann zu sehen. Er hat einen Strohhut aufgesetzt, einen Grashalm im Mund und sitzt auf einem Traktor – so viel Technik ist gerade noch erlaubt.

Von Düngemittel- und Stallverordnungen, Kurzumtriebsplantagen, vom EU-Hygienepaket, den zwei Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik, Pflanzenschutz-Sachkundenachweis und der „Verordnung zur Bekämpfung des Kartoffelkrebses und der Kartoffelzystennematoden“ weiß der Städter nichts.

Bauern kommen nicht zu Wort

Das ist kein Wunder: Landwirte und Bauernverbände haben über Jahrzehnte versäumt, richtig zu informieren. Sie haben dem Trommelfeuer von Nachrichten über angebliche Belastungen, Verunreinigungen, Vergiftungen und Verseuchungen unser Nahrung wenig entgegen gehalten und darauf vertraut, dass die überwiegende Mehrheit der Konsumenten am Ende doch eher auf den Preis schaut. Damit haben sie den Angstmachern das Feld überlassen. Die malen die Landwirtschaft vorwiegend in schwarz-weiß und führen Diskussionen, in denen die Landwirte weder vor- noch zu Wort kommen. Das Ergebnis: Viele Menschen, die keine Ahnung mehr davon haben, wie ihre tägliche Nahrung produziert wird, fordern heute eine Idylle, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat und die es so nie gab.

Das wäre nicht weiter tragisch, wenn dieser mangelnde Sachverstand nicht zu Verboten und Verordnungen führen würde, die den Bauern immer mehr Möglichkeiten nehmen, die Nahrung, von der wir alle leben, vor Krankheiten, Schädlingen und Konkurrenz auf dem Acker zu schützen. Wie so oft fürchten sich die Menschen vor den falschen Dingen. Nicht Pestizide oder Gentechnik, sondern Pflanzenkrankheiten und Schädlinge bedrohen unsere Nahrung. Wie in der Medizin, wo uns die Antibiotika auszugehen drohen, stehen wir in der Landwirtschaft kurz davor, Pflanzen nicht mehr effektiv schützen zu können. So wie Bakterien und Viren mit der Zeit Resistenzen gegen Medikamente entwickeln, geschieht es auf dem Acker: Schädlinge werden widerstandsfähig. Anders, als viele glauben, gibt es in zahlreichen Gegenden der Welt und zunehmend auch in Europa Schädlinge und Pflanzenkrankheiten, die sich rasant ausbreiten und gegen die es keinerlei „natürlichen“, mit Biolandbau-Kriterien kompatiblen Bekämpfungsmöglichkeiten gibt. In Gefahr sind inzwischen fast alle wichtigen Nahrungspflanzen: Kartoffeln, Weizen, Reis, Zitrusfrüchte, Kaffee, Kakao, Bananen, Papaya und Äpfel. Die Lage ist dramatisch, das sagen nicht nur Fachleute. Auch in Europa schlagen Bauern Alarm, bei Mais, Weizen und Kartoffeln.

Auch die Schädlinge rüsten nach

Die Ursachen für die rasante Ausbreitung von neuen Schädlingen und Resistenzen sind vielfältig. Zum Teil haben sie historische Gründe, die wir nicht mehr ändern können – etwa, weil die genetische Basis mancher Nutzpflanzen durch die Kolonialkriege vergangener Jahrhunderte äußerst schmal ist. Daneben tragen Globalisierung, Monokulturen und Klimawandel zum Problem bei. Wichtigster Grund aber ist die stetige Evolution von Viren, Bakterien, Pilzen und Insekten. Daher ist jeder Sieg über sie immer nur vorläufig. Bleiben wir nicht am Ball, gewinnen sie die Oberhand. Die Schädlinge zu überlisten, wird immer schwieriger. Ängste und Blockadehaltungen haben Zeit und Kosten für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und intelligent erzeugten neuen Sorten in absurde Höhen getrieben; bewährte Mittel werden auf Druck von Lobbygruppen inzwischen gegen den Rat von Wissenschaftlern und im Widerspruch zu Hunderten von Studien vom Markt genommen. Front gegen Pflanzenschutzmittel und neue Techniken zu machen, gilt als ehrenwert und verantwortungsbewusst – aber niemand scheint sich darüber Gedanken zu machen, dass diese Haltung eine Kehrseite hat: Bestimmte Dinge nicht zu tun, hat genauso schwer wiegende Konsequenzen wie die Entscheidung dafür. Man kann gegen die Einführung einer Vitamin A-haltigen Reissorte sein, weil es hypothetisch Fälle geben könnte, bei denen eine schädliche Wirkung eintritt. Allerdings kommen dann viel mehr Menschen um, die durch die neue Sorte hätten gerettet werden können. Über diese Verantwortung wird kaum nachgedacht und schon gar nicht geredet.

Hinzu kommt: Im Jahr 2050 werden nach neuesten Prognosen bis zu 11 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Sie alle zu ernähren, und zwar mit möglichst geringem Verbrauch an Land und Ressourcen und ohne das Klima aus dem Gleichgewicht zu bringen, wird keine leichte Aufgabe. Es bedeutet, die gegenwärtige Nahrungsmittelproduktion zu verdoppeln, ohne Fehl- und Mangelernährung zu verstärken.

Intelligente Strategien statt Denkverbote

Das ist kein Aufruf, zu den Giftorgien der 1950er und 60er Jahre zurück zu kehren. Es geht auch nicht darum, die moderne Agrartechnologie, grüne Gentechnik und Monokulturen in rosigen Farben zu malen. Aber die Lösung kann auch nicht in einer viel beschworenen Agrarwende liegen, die nur noch kleinteilige Bio-Landwirtschaft akzeptiert und erwiesenermaßen unproduktive Methoden zum Heilsbringer ausruft. Bestimmte Dogmen und Praktiken des Biolandbaus sind sogar bedenklich. Sie schaden der Umwelt, verbrauchen unnötig Ressourcen und gefährden die Gesundheit von Menschen.

Statt Denkverboten und Blockadehaltungen sind intelligente Strategien gefragt, die nicht von vorn herein bestimmte Mittel und Techniken ausschließen – zumal deren Ausschluss nicht rational, sondern vorwissenschaftlich begründet ist.  Integrierte Anbaumethoden, Mischkulturen und biologische Schädlingsbekämpfung zur Verringerung des Einsatzes von Pestiziden und Insektiziden können in vielen Fällen sinnvoll sein. Bei massiver Bedrohung durch Schädlinge sollte jedoch der gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder von modernen Zuchtmethoden, einschließlich der grünen Gentechnik, kein Tabu sein. Konventionelle ebenso wie Bio-Landwirtschaft könnte von modernen Sorten profitieren, die auch ohne Insektizide schädlingsresistent sind, die eine schonende Bodenbearbeitung ermöglichen, mit wenig Wasser auskommen und Hitze besser ertragen. Wir benötigen auch besseres Management von Böden, Wasser, Dünger sowie von Pflanz- und Erntezeiten. Hier sind Satelliten, Internet und Sensoren gefragt.

Angesichts dieser Herausforderungen hilft Lagerdenken nicht weiter. Hersteller von Agrarmaschinen und -chemikalien haben das schon längst erkannt. Sie legen ihren Fokus nicht mehr wie früher auf maximale Produktivität, sondern auf intelligenten Einsatz von Ressourcen. Da ist es ermutigend, dass mittlerweile auch Biobauern sich bewegen. Einige lehnen Gentechnik nicht mehr in Bausch und Bogen ab, andere kehren dem Dogmatismus mancher Bioverbände den Rücken und kehren zu einer Wirtschaftsweise zurück, die als konventionell gilt, aber dennoch viele Praktiken und Konzepte aus dem Biolandbau übernimmt.

Es wird höchste Zeit für Realismus in der Debatte um unsere Nahrung. Schließlich sollen in Zukunft alle Menschen nicht nur satt werden, sondern auch weiterhin zwischen vielen verschiedenen Lebensmitteln und Ernährungsweisen wählen können.