Das Präsidialsystem wurde vor über zweihundert Jahren in den USA ersonnen, um Freiheit und Sicherheit zu schützen. Heute dient es als Blaupause für den Umbau von Demokratien zu Autokratien.

Die 55 Delegierten, die im Jahre 1787 in Philadelphia zusammenkamen, um die amerikanische Verfassung auszuarbeiten, hatten eine äußerst schwierige Aufgabe. Die Vereinigten Staaten waren nun schon seit einigen Jahren ein unabhängiger Staat, aber es fehlte noch eine echte Einheit der 13 Gründerstaaten – und vor allem, es musste eine Staatsform mit einer starken Exekutive gefunden werden, die die Freiheit des Einzelnen schützen und bei Angriffen von außen schnell und entschlossen reagieren konnte. Doch einer mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteten Regierung konnte man nicht trauen. Nur wenn Engel regieren würden, so befand James Madison, einer der Gründerväter der USA, müsste es keine Kontrollen für die Regierung geben. Aber Menschen sind ja nun mal keine Engel. Deshalb übernahm man das von Montesquieu ersonnene Prinzip der Gewaltenteilung. Das Ergebnis war eine Republik mit einem Präsidialsystem und einem institutionellen Gefüge aus Kongress und Oberstem Gericht für die „checks and balances“.

Blaupause für die neuen Autoritären

Kaum jemand hätte geglaubt, dass sich dieses System im 21. Jahrhundert einer ganz speziellen Beliebtheit erfreuen würde. Und doch ist es so. Alle autoritären Machthaber und Machtwollende haben es als die passende politische Software entdeckt, um sich der Hardware, des Staates, zu bemächtigen. Ob es Russland ist, die Türkei, Venezuela oder nun Serbien, ja, und die Vereinigten Staaten selbst: Mit Zustimmung einer Mehrheit des Volkes beginnen mehr oder weniger unangefochtene Politiker einen Umbau des Systems, an dessen Anfang das Versprechen von Stabilität, Wohlstand, Schutz vor Terror und fremden Einflüssen steht – und am Ende hat man ein autoritäres Regime mit einem willfährigen Parlament und einer vollständigen Kontrolle über die anderen Verfassungsorgane, über Polizei und Geheimdienste. Die Medien sind zuvor schon gleichgeschaltet worden.

Schicksalstage für die Demokratie

Es ist kein Wunder, dass das Präsidialsystem sich dieser auffälligen, schillernden Popularität erfreut – bietet es doch qua des starken Präsidentenamtes die Möglichkeit, mit Dekreten zu regieren und so die Exekutivmacht in einer Person zu bündeln und die Bedeutung der anderen Verfassungsorgane auszuhöhlen.

Achten wir darauf, in welchen Ländern als nächstes der Umbau der parlamentarischen Demokratien in Präsidialrepubliken vonstatten gehen soll. Der 16. April könnte für die Türkei ein Schicksalstag werden. Frankreich hat das Präsidialsystem bereits – hier hängt alles davon ab, wer die Wahl gewinnen wird. Die Bedeutung dieses Wahlausgangs haben wir wahrscheinlich alle noch nicht richtig ermessen.