Warum durch den amerikanischen Regierungswechsel das Konzept der CSR redefiniert werden muss

Ich lebe momentan im mexikanischen San Luis Potosí. Eine bisher recht unbekannte Mittelstadt, die sich in den vergangenen Jahren zu einer Metropole der Industrieproduktion mauserte. Entsprechend positiv bis euphorisch war bis vor ein paar Monaten dort die Stimmung. Dann kam – Sie ahnen es – Donald Trump. Und mit ihm das neue Regime einer Twitter-Politik, die momentan weltweit Konzernchefs hibbelig auf ihre Handys schauen lässt, immer in Angst vor neuen Killertweets von The Donald, in denen er Großfirmen unter Druck setzt, ihre Investitionen bitte schön in den USA vorzunehmen und nicht in Ländern wie Mexiko.

In San Luis Potosí unterband Trump per Chefgespräch und anschließendem Tweet mal schnell einen Werksbau von Ford. Das Unternehmen investiert nun, zumindest nominell, die für Mexiko gedachten Gelder in den USA. Den Nahrungsmittelriesen Unilever hat Trump dazu gebracht, eine Fabrik der Tochterfirma Carrier nicht nach Mexiko auszulagern. Auch Toyota spürt schon, twitter-vermittelt, den unangenehm heißen Atem Trumps hinter sich. Dieser hatte in den TV-Duellen vor der Wahl schon Hillary Clinton zu schaffen gemacht.

Trump kündigt den Globalkonsens auf

Für global agierende Unternehmen stellt die bilaterale Twitter-Politik Trumps eine völlig neue Herausforderung dar. Bisher konnten sie davon ausgehen, dass die Grundzüge liberaler Ökonomie – Globalisierung, Freihandel, Wettbewerbsorientierung, Investitionen nach ökonomischen Kriterien – von der Politik verstanden und unterstützt würden. Zumal in den USA und von einer konservativen Politik. Das gilt nun nicht mehr. Trump kündigt den Globalkonsens funktionierender Wirtschaftssysteme auf. Er betreibt Wirtschaftspolitik nach Gutsherrenart, individuelle „Deals“ (sein Lieblingswort) ersetzen verlässliche Grundregeln, die für alle gelten.

In gewisser Weise werden momentan die Uhren zurück gedreht. Erkenntnisse, die als ein für alle mal geklärt galten, sind plötzlich wieder hinfällig. Gerade die Volkswirtschaftslehre erfährt das. Sie muss jetzt wieder einem – republikanischen – Präsidenten erläutern, worin der Wert offener Grenzen liegt und dass eine international vernetzte Wirtschaft auch für Hochlohnländer wie die USA letztlich gut ist. Die Ökonomen geben sich alle Mühe, doch ihre mediale und politische Reichweite ist nun mal begrenzt.

Wer verteidigt offene Grenzen und freien Handel

Und die Unternehmen? Sie kuschen. Zumindest bisher. Kein schöner Anblick. Wie Schuljungen treten CEOs im Trump-Tower an und holen sich ihre Ansagen ab. Wo bleibt eigentlich, fragt man sich, das Selbstbewusstsein, mit dem die Firmenlenker über Jahre der Politik eingebläut haben, wie zukunftsfähige Standorte aussehen müssen? Wo bleiben sie, die großen Interviews oder Reden, die den freien Handel und offene Grenzen verteidigen? Man hört von Unternehmen nichts, von Verbänden auch kaum etwas. Alle verharren in ängstlicher Trump-Starre.

Dabei haben sie gerade jetzt eine große Verantwortung. Man könnte sogar von einer neuen Art sozialer Verantwortung sprechen. Denn jene Firmenchefs, die die nötige Erklärarbeit auf sich nehmen, die auch den Konflikt mit dem Neo-Protektionisten Trump nicht scheuen, tun damit etwas Gutes für die Welt. Mit der Verteidigung offener Wirtschaftssysteme helfen sie – ja – auch den Arbeitern in Mexiko, Bulgarien oder Vietnam. Aber sie helfen eben auch, das ist der jetzt scheinbar wieder schwer nachzuvollziehende gedankliche Schritt, den Konsumenten UND den Arbeitern in Hochlohnländern wie den USA.

Die neue soziale Verantwortung der Unternehmen fängt direkt an der Führungsspitze an. Wenn bisher Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden, also „CSR“ betreiben wollen, dann fördern sie ein paar Schulen oder starten Bottom Up-Sozialprojekte. Das sieht sympathisch aus, ist aber natürlich wenig strategisch. Der offensive Kampf für eine freie und vernetzte Weltwirtschaft liegt auf einem anderen Level. Er ist anstrengend und riskant. Und bei ihm sind die Firmenchefs direkt gefordert. Verständlich daher, dass die Entscheider sich momentan noch wegducken. Aber sie verweisen damit langfristig der Welt – und auch ihrer eigenen Sache – keinen guten Dienst.