Mit der Europäischen Chemikalienagentur ECHA hat nunmehr die fünfte internationale Fachagentur geurteilt, dass das seit Jahrzehnten genutzte Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat nicht krebserregend ist. Für die Gegner des Mittels zählt eine wissenschaftliche Bewertung jedoch nur dann, wenn sie die eigene Meinung stützt.

2016 ist die Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in der EU ausgelaufen. Eine Verlängerung wäre eine Formsache gewesen, wenn nicht Aktivisten aus der Bio- und Ökoszene dagegen mobilisiert hätten. Ihr Argument: Glyphosat sei krebserregend, das habe zumindest die „WHO“ festgestellt.

Tatsache ist, dass die WHO das mitnichten festgestellt hat. Die Internationale Krebsagentur IARC, eine an die WHO angegliederte Institution, hatte geurteilt, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“. Ein anderes, für die Pestizidbewertung zuständiges Gremium der WHO, The Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues (JMPR), kam wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die US-amerikanische Environmental Protection Agency (EPA) zum gegenteiligen Ergebnis. Doch nicht einmal die IARC hatte behauptet, es bestehe für Verbraucher oder Anwender bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ein Krebsrisiko. Der Unterschied: IARC bewertet Gefahren, die übrigen Behörden Risiken.

Risiko oder Gefahr?

Das ist ein großer Unterschied: Führt ein Stoff bei sachgemäßer Anwendung zu Risiken für Umwelt und Gesundheit – oder löst er unter Laborbedingungen und in sehr großer Menge Gesundheitsschäden aus? Salz und Wasser sind bei normalem Verzehr harmlos (es besteht kein Risiko), in großen Mengen genossen, führen sie jedoch zu Gesundheitsschäden und sogar zum Tod (objektiv stellen sie also eine Gefahr dar).

Aktivisten pfeifen jedoch auf den Unterschied. Das „laut WHO krebserregende“ Glyphosat ist für sie zum Chlorhühnchen der Gentechnik geworden. Ihre Hoffnung: Wird Glyphosat verboten, so ist es auch mit den mittels Gentechnik gezüchteten Glyphosat-resistenten Nutzpflanzen vorbei. Die werden zwar in Deutschland nicht angebaut, aber genutzt, zum Beispiel als Viehfutter. Nach Auffassung deutscher Vertreter der reinen Lehre sollten solche „genverseuchten“ Produkte nicht die Landesgrenzen überschreiten. In den Futtermitteln aus Glyphosat-resistenten Pflanzen lassen sich Spuren des Stoffs nachweisen – wäre der dann verboten, dürfte nur noch konventionell angebautes Viehfutter eingeführt werden.

Sie mobilisierten mit Petitionen, Demonstrationen und sonstigen Aktionen und setzten damit Politiker unter Druck. Da sich die EU-Mitgliedsstaaten unter diesen Umständen nicht über eine Verlängerung der Zulassung einigen konnten, verlängerte die EU-Kommission die bestehende Zulassung im vergangenen Sommer erst einmal nur bis Ende 2017, um Zeit für eine abschließende Entscheidung zu bekommen. In der Zwischenzeit sollte eine andere europäische Agentur, die Europäische Chemikalienagentur ECHA, ein weiteres Gutachten erstellen.

Dieses Gutachten liegt nun vor. Es wurde von den 50 Mitgliedern des ECHA Committee for Risk Assessment (RAC) einstimmig beschlossen. Es stellt fest, dass es derzeit keine Erkenntnisse dafür gibt, dass Glyphosat krebserregend, mutagen oder reproduktionsschädigend ist. Das Gutachten ist für die Verfechter des Vorsorgeprinzips („Gefahr, nicht Risiko, ist ausschlaggebend!“) noch einmal vernichtender als die Stellungnahmen von BfR, EFSA, EPA und JMPR, denn ECHA hat wie das IARC die Gefahr, nicht das Risiko bewertet.

Nebensächliche Fakten

Aktivisten interessiert das nicht. Campact schreibt, ohne die Ironie zu erkennen: „Dieses Glyphosat-Gutachten gefährdet unsere Gesundheit“, obwohl das Gutachten doch gerade das Gegenteil belegt.

MdB Harald Ebner, der „Glyphosat-Experte“ der Grünen, wiederholt in einer Presseerklärung die alte Mär, dass die „Krebsexperten der Weltgesundheitsorganisation das globale Ackergift Nummer eins vor zwei Jahren als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ eingestuft“ haben. Er weiß aber noch mehr: „In Kalifornien wird künftig auf Glyphosat-Produkten ein entsprechender Warnhinweis stehen.“

In der Tat. Kalifornien ist dafür bekannt, so ziemlich alles, was möglicherweise krebserregend sein könnte, mit einem Warnhinweis zu versehen: alkoholische Getränke, das bei Ökos beliebte Naturheilmittel Aloe vera, Altöl, Aspirin, Benzindämpfe, Holzstaub, die Antibiotika Doxycyclin, Penizillin, Streptomyzin und Tetrazyklin, Marihuanarauch (ein grünes Kernanliegen), Nickel, Nikotin, das beliebte Aromatherapeutikum Orangenöl, die Pille und gesalzener Fisch chinesischer Art, um nur einige zu nennen.

Ebner fährt fort, Glyphosat sei „zudem Gift für die Artenvielfalt“.

Hier wird es interessant. In der ECHA-Presserklärung steht nichts von Auswirkungen auf die Artenvielfalt – das war auch garnicht ihr Prüfungsauftrag. Ebner hat hier die Meinung der Grünen in die Pressemitteilung hineingeschrieben. Dasselbe Spiel betreibt einige Stunden später SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks. Sie schreibt: „Die ECHA hat aber auch klar gemacht: Für unsere Umwelt ist Glyphosat äußerst gefährlich. Glyphosat stellt eine erhebliche Gefahr für die Artenvielfalt auf Feldern und Äckern dar. Was lange Zeit von der Pflanzenschutzmittelindustrie als Lappalie abgetan wurde, ist nun von der zuständigen EU-Behörde als erhebliche Umweltgefährdung eingestuft worden.“ Das ist frei erfunden. Die Tagesschau vermeldet dennoch: „Das Unkrautvernichtungsmittel erfülle nicht die Kriterien, als ‚Karzinogen, Mutagen oder schädlich für die Fortpflanzung‘ eingestuft zu werden, begründete das Kommitee seine Entscheidung. Unstrittig sind massive negative Einflüsse der Chemikalie auf die Artenvielfalt.“  Offenbar wurden hier die Positionen von Ebner und Hendricks verwendet, ohne einen Gegencheck durchzuführen.

Merke: Wissenschaftliche Bewertung gilt nur, wenn ihr Ergebnis mit grünen Positionen übereinstimmt.

Aber die grüne Lobby und ihr Sprachrohr, die Tagesschau, haben nicht Unrecht. Glyphosat lässt Unkräuter (vorübergehend) gar nicht erst wachsen. Der von SPD und Grünen favorisierte Ökolandbau hingegen beseitigt Unkräuter durch Pflügen und Jäten und dezimiert die Artenvielfalt auf diese Weise. Das Ergebnis ist dasselbe: Wenn Landwirte und Gärtner sich einer Fläche angenommen haben, wächst dort nur noch das, was der Bauer bzw. Gärtner will. Quecke, Brennnessel, Löwenzahn und Hirtentäschelkraut, die vielen Insekten als Nahrung dienen, sind dann weg.

Ebners Trumpfkarte: „Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen Glyphosat hat innerhalb weniger Wochen fast eine halbe Million Unterschriften gegen Glyphosat gesammelt.“ Sven Giegold, Europa-Parlamentarier der Grünen, stößt ins gleiche Horn (s.o.). Was brauchen wir da noch wissenschaftlich Bewertung? Wie sagte Trumps Pressesprecher Sean Spicer im Januar so treffend: „I think sometimes we can disagree with the facts.“