Das Ende Amerikas
Trumps Wiederwahl ist für Europa eine Zäsur: Zum ersten Mal seit fast einem Jahrhundert wird der Kontinent jetzt feststellen, was es heißt, auf sich allein gestellt zu sein.
Nein, das Ende Amerikas ist diese Wahl trotz allem nicht. Das Leben wird weitergehen in den USA, auch mit Trump und seiner Corona von Schmierlappen und Bauernfängern, die bald mit ihm in Regierungsverantwortung kommen. Demokratie und Wahlrechte werden nicht über Nacht abgeschafft, dafür sorgt schon Amerikas blühender Föderalismus, und es gibt immer eine nächste Wahl; absurderweise hat gerade Trumps Sieg dem Wahlsystem einen Stresstest mit unklarem Ausgang erspart. Am Supreme Court ist ein Großteil des Schadens bereits angerichtet, und was an unteren Gerichten an genehmem Personal dazukommen soll, muss kleinteilig vorbereitet werden und ist daher wenig meme-tauglich. In der Abtreibungsfrage wird sich zum Guten nichts bewegen, und generell muss man schon rechts von Holger Stahlknecht stehen, um die politischen Vorstöße zu goutieren, die uns in den nächsten vier Jahren aus Washington drohen. Die leichtesten, aber auch kurzlebigsten Punkte werden weiter im Kulturkampf gemacht: Das Eichhörnchen Peanut, Amerikas Antwort auf Chico, ist jetzt gerächt – herzlichen Glückwunsch dazu.
Europa steht allein
Aus deutscher und europäischer Sicht absehbar passé ist mit dieser Wahl aber Amerikas Rolle als Anker und Partner. Europa findet sich heute zum ersten Mal seit den Dreißigerjahren in einer Lage wieder, in der es völlig auf sich allein gestellt ist. Man muss kein Historiker sein, um zu sagen: Prost Mahlzeit.
Amerikas Wähler haben aus dem weltgeschichtlichen Airbag Europas die letzte Luft herausgelassen, die Geschäftsgrundlage namens Pax Americana entfällt (auch wenn die Strukturen unter Trump gegen entsprechenden Obolus vielleicht noch etwas bestehen bleiben). Während die unterversorgte Ukraine jetzt unseren Abwehrkampf verliert, kann Rolf Mützenich in die Hände klatschen, denn amerikanische Mittelstreckenraketen in Deutschland sind vom Tisch. Das große, von einer Flut von Whitepapern und Op-Eds zur „strategischen Autonomie“ begleitete Durchwurschteln bis 2028 hat bereits begonnen.
Kaum zu überwinden
Fast noch schwerer als die militärische Komponente wiegt die kulturelle Dissonanz zwischen Amerika und Europa, die diese Wahl unübersehbar gemacht hat. Man sollte in Umgebung von Le Pen, Orban, Höcke und Strache zwar zurückhaltend sein, auf welches hohe Ross man sich schwingt, aber eines steht fest: In den allermeisten Ländern Europas wäre ein Kandidat Trump bei Wahlen krachend durchgefallen (man darf raten, wo nicht). Dass er mit seinem Ballast, von der Putin-Kuschelei über die Normverstöße und Gerichtsverfahren bis hin zum Sturm aufs Kapitol, trotzdem einen solchen Triumph feiern kann, wirft nicht „Fragen auf“, wie manche das verharmlosend formulieren. Trumps Sieg zeigt vielmehr grell die politische und kulturelle Kluft zwischen großen Teilen Europas und Amerikas, die längst nicht nur den Austausch, sondern schon das gegenseitige Verständnis massiv erschwert. Die viel beschworenen gemeinsamen Werte leben gerade vor allem in und von der Beschwörung. Wo soll künftig der gemeinsame Weg mit einem isolationistischen Amerika liegen? Auch, wenn wir ihn aus Verzweiflung und Notwendigkeit weiter suchen müssen: Er gibt ihn womöglich nicht mehr.