Ein ukrainischer Antisemit und Putin-Fan sollte dieses Jahr den „Aachener Friedenspreis“ bekommen. Daraus wurde nichts. Unser Autor hat sich den Verein näher angesehen, der von seriösen Redaktionen wie das Nobelpreiskomitee behandelt wird. Ergebnis: Es müffelt bei den Friedensfreunden.

Bislang ging man davon aus, dass die Holocaust-Leugnung der Gipfel der Infamie sei. Dass es Menschen geben könne, die Auschwitz als Tatsache akzeptieren, aber die Schuld dafür nicht bei den Nazis suchen, sondern bei den Juden selbst, lag außerhalb jeder vernünftigen Vorstellungskraft. Doch es gibt sie, etwa in der Person des ukrainischen Friedens-Aktivisten Ruslan Kotsaba, der für sein freimütiges Bekenntnis, den ukrainischen Behörden den Einberufungsbescheid in „ihre Hämorrhoiden, vor meinen kleinen Kindern“ zu stecken und dafür in Haft ging, den diesjährigen Aachener Friedenspreis erhalten sollte – vielleicht, weil Frieden sich so schön auf Hämorrhoiden reimt. Was er zum Thema Holocaust in einem Video sagte:

„Die Juden erinnern sich an diese Periode [gemeint ist der Holocaust] vermutlich mit Trauer, daran, wie sie wie Schafe dahinliefen und zu Tausenden erschossen wurden, obwohl sie nur von ein bis zwei MP-Schützen bewacht wurden, obwohl sie doch mit ihrer Körpermasse jeden Konvoi hätten erdrücken können. Aber sie spürten eben, dass sie eben eine Strafe zu verbüßen haben, dafür, dass sie den Nationalsozialismus heranzüchteten, den Kommunismus heranzüchteten. Lenin, Marx, Engels, diese ganzen Blankis (jüdischer Familienname Lenins), diese Trotzkis, Kamenjews, Sinojews, Stalins, Hitlers usw. heranzüchteten.“

Der Pontifex Pazifus als Antisemit

Dass an allem, was den Juden zustieß, auch sie selbst ein wenig Schuld seien, weiß man spätestens seit Mahatma Gandhi. Der Pontifex Pazifus hatte den Juden nach der Reichspogromnacht empfohlen, gewaltlosen Widerstand zu leisten – und als sie das nicht taten, sie als „unfähig“ und „schwach“ bezeichnet, sehr zum Leidwesen seines Verehrers Martin Buber. Wenig später, am 23. Dezember 1940, schrieb Gandhi an Hitler: „Lieber Freund … Wir zweifeln nicht an Ihrer Tapferkeit, Ihrer Hingabe an Ihr Vaterland, noch glauben wir, dass Sie das Monster sind, als das ihre Gegner sie beschreiben.“ Hitler möge doch bitte versuchen, seine Ziele auf friedlichem Wege zu erreichen. Und als der liebe Freund sich dann doch als Monster erwies, zieht Gandhi 1946 folgendes Resumee: „Hitler tötete fünf Millionen Juden. Es ist das größte Verbrechen unserer Zeit. Die Juden hätten sich selbst (sic!) dem Messer des Schlächters ausliefern sollen. Sie hätten sich von Klippen ins Meer werfen sollen. Dies hätte die Welt und das deutsche Volk aufgerüttelt.“ Doch statt eines Heldentods zu sterben, hat sich der Jude einfach nur zur Schlachtbank führen lassen. Kurz gesagt: Er war zu dumm, zu schwach, zu feige … Gandhi, der Pazifist als Antisemit. Nachzulesen in einem Essay George Orwells, Reflections on Gandhi.

Ruslan Kotsaba hat nun dieser Lesart des Holocausts noch eine weitere Prise Wahnsinn hinzugefügt: Da die Juden sich mit Hitler offensichtlich eine Art außer Kontrolle geratenen Golem „erzüchtet“ haben, hätten sie den Holocaust mehr als verdient. Beim Aachener Friedenspreis erklärte die Vorstandsprecherin, Lea Heuser, dass es sich wohl um einen Übersetzungsfehler handelte, auch eine „Manipulation“ schloss sie nicht aus – etwa durch Hinzufügen einer zweiten Tonspur. Doch schon nach kurzer Zeit musste der Verein mit Entsetzen feststellen: Ruslan Kotsaba hatte es tatsächlich so gesagt. Er distanzierte sich zwar von diesem Video, das aus dem Jahre 2011 stammt, aber es passt durchaus zu anderen Äußerungen, die er etwa über „Halbblüter“ in der ukrainischen Politik machte.

Flexibilität im Friedensdiskurs

Zur Schadensbegrenzung schickten die Aachener Friedenskämpfer ihre erste Garde an die Front, darunter den Ober-Peacenik und Bundestagsabgeordneten der Linken, Andrej Hunko, der in Sachen Flexibilität im Friedensdiskurs schon einige Erfahrung beim Verbiegen von Standpunkten vorweisen kann: So hatte er als  Ostukraine-Tourist 2015 dem brutalen Warlord und damaligem Chef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, Alexandr Sachartschenko, die Hand geschüttelt. Hunko gab zwar zu, dass die Äußerungen Kotsabas „völlig inakzeptabel“ seien, aber zu einem anderen Kotsaba gehörten und nicht zu dem, den man für seine Friedensbemühungen ehren wolle. So hätte Kotsaba zwar in früheren Zeiten „fragwürdige politische Positionen“ vertreten, zu denen auch sein Eintreten für den Euromaidan gehörte, der ja auch, so Hunko, schließlich zum Krieg geführt habe. Inzwischen habe er sich jedoch zu einem „entschlossenen Kriegsgegner und Pazifisten“ gewandelt, was ihn nach wie vor für den Preis qualifiziere.

Dieser unredliche und faktisch falsche Persilschein stieß auf erhebliche Kritik in den Sozialen Medien, weil Hunko den Anhängern des Euromaidan damit unterstellte, nicht nur für den Krieg in der Ostukraine verantwortlich zu sein, sondern auch antisemitische Hetze in ihren Reihen geduldet zu haben. Das war dann doch etwas zu dreist. Wenig später wurde die Stellungnahme von der Facebookseite des Vereins gelöscht. Und am 10. Mai verkündete der Vorstand, vorbehaltlich einer Abstimmung der Mitgliederversammlung, dass man von der Verleihung des Friedenspreises an Kotsaba Abstand nehmen wolle.

Als wäre es der Nobelpreis

Damit könnte die Antisemitimus-Affäre des Aachener Friedenspreises eigentlich beendet sein. Doch das ist es nicht. Fragen wirft nicht nur die Tatsache auf, dass in dem Verein neben 450 Einzelpersonen auch etwa 50 honorige Organisationen, Parteien und Verbände Mitglied sind, die sich, ob sie nun laut Satzung mitgestimmt haben oder nicht (Stellungnahmen am Ende des Textes), die Entscheidung zurechnen lassen müssen – so die Stadt Aachen, der DGB NRW Süd-West, der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen, die Ortsverbände von SPD und Grünen, der evangelische Kirchenkreis Aachen und andere. Auch die Presse nickt Jahr für Jahr ebenso brav wie ungeprüft die Preisträger ab, als handele es sich um die turnusmäßige Verkündung des Friedensnobelpreises aus Oslo, über dessen Sinnhaftigkeit man ja schließlich auch nicht zu befinden habe. Doch das sollte man im Fall Aachen, nämlich prüfen! Denn nicht nur die Verleihung an Kotsaba ist mehr als obskur, auch andere Entscheidungen werfen Fragen auf. Was ist das also für ein Verein, der überall in den Medien, auf Wikipedia und in den Kalendern so häufig und so selbstverständlich auftaucht wie das Gütesiegel der CMA?

Die Gründung des Aachener Friedenspreis geht auf das Jahr 1988 zurück, Seine Entstehung verdankt er unter anderem der Verleihung des Aachener Karlspreises an Henry Kissinger. Jenem Vertreter einer amerikanischen „Realpolitik“, der, ungeachtet seiner unbestrittenen Verdienste etwa um die Beendigung des Vietnamkriegs, die Bombardements in Kambodscha, den Putsch in Chile und die Unterstützung diverser Militärdiktatoren zu verantworten hatte. Zu dieser Preisverleihung wollte man auf kritische Distanz gehen und ein Zeichen setzen, dass friedenserhaltende Politik nicht nur von großen Persönlichkeiten der Weltgeschichte gemacht wird, sondern vor allem von unten, von Menschen und Initiativen aus der Nachbarschaft. Das war die Idee.

Statt Raketen Kreuze auf dem Friedensacker

Doch auch der Aachener Gegenpreis ging nicht etwa nur an sanfte Senioren aus der kirchlichen Friedensarbeit, die wie die erste Preisträgerin Jutta Dahl für jede Pershing ein Kreuz auf dem „Friedensacker“ pflanzten und ansonsten sich vor Kasernentoren platzierten, um dort Flugblätter und selbstgebackenen Kuchen zu verteilen. Etwa bei der Verleihung des Friedenspreises im Jahr 1993. Da zeichnete man mit Jean Bertrand Aristide einen Mann aus, der zwar Frieden in das von „Papa- und Baby-Doc“ grausam zugerichtete Haiti bringen sollte, sich aber schnell zu einem ebenso skrupellosen Politiker entwickelte wie die Duvaliers. Seine Macht ließ er sich von Todesschwadronen absichern (auch wenn er eine unmittelbare Beteiligung später abstritt), etwa die Chiméres aus seinem Kirchenbezirk, die wie die berüchtigten Tonton Macoute die Gegner von Präsident Aristide einschüchterten, bedrohten, entführten und ermordeten. Ansonsten zeichnete sich Aristide dadurch aus, dass er wohlgemerkt als ehemaliger katholischer Priester Voodoo zur Staatsreligion erhob und 2004, als seine Zeit abgelaufen war, mit 40 Millionen US-Dollar ins südafrikanische Exil verschwand.

Mag sein, dass die Aachener nicht genau wussten, wenn sie da auszeichneten, mag sein, dass sie den frühen Aristide zu schnell mit Vorschusslorbeeren eindeckten, während sie den späten Kotsaba zu wenig auf seine Vergangenheit hin flöhten. Fehler passieren. Doch darum geht es nicht. Es geht vielmehr um die moralische Überheblichkeit, die immer wieder Leute zu eigen ist, die das Weltgeschehen von erhobener Warte aus kommentieren und darauf vertrauen, dass die Ablehnung des Kriegs in all seinen Erscheinungsformen eine Art Grundimmunisierung gegen jede Kritik darstellt.

Der militärische Arm der Friedensbewegung

Dabei ist „Frieden“ die wohl abgedroschenste Konsensvokabel der jüngeren Geschichte. Mit „Frieden“ rechtfertigte Erich Honecker die Mauertoten und Joseph Goebbels die Vorbereitungen zum Krieg. Mit „Frieden“ kann jeder Depp was anfangen. Die ubiquitäre Allzweckwaffe im Kampf gegen das Böse in der Welt. Und wer auch nur vorsichtige Kritik an dieser Kerntugend des Gutmenschentums äußert, wird als Bellizist beschimpft. Kein Wunder, dass es Friedensinitiativen, Friedensräte, Friedensnetzwerke, Friedensfestivals, Friedensforen, Friedenswerkstätten, Friedenswinter und Friedensgebete wie Sand am Meer gibt. Über 50 zählt alleine die Dachorganisation „Kooperation für den Frieden“. Und daneben existieren weitere Gruppen, die sich den Frieden auf die Fahnen geschrieben haben – etwa die „Mahnwachen für den Frieden“ des ehemaligen Radiomoderators Ken Jebsen, der mit seinen verschwörungstheoretischen und antisemitischen Parolen bis in die Reichsbürgerszene Gehör findet. Die Mahnwachen bilden so etwas wie den militärischen Arm der deutschen Friedensbewegung, auch wenn sich die anderen Initiativen in ihrer Mehrzahl inzwischen deutlich von Jebsen und seiner krawalligen Friedensquerfront distanziert haben. Dennoch verfügen beide Gruppen, die der alten Ostermarschierer und die der neuen postdemokratischen Friedensfanatiker, über einen gemeinsamen genetischen Code, der über alle Differenzen hinweg den Kitt für übergreifende Kooperationen bildet: der Antiamerikanismus und der Antizionismus. Beim Aachener Friedenspreis ist beides Programm. Und natürlich die auffällig häufige Verwendung der szenetypischen Buzzwords wie „Ziviler Ungehorsam“, „Illegaler Waffenhandel“, „Völkerverständigung“, „atomarer Rüstungswettlauf“ und andere Allgemeinplätze, mit denen man auch ein „Friedensquartett“ bedrucken könnte.

Helden im Volkshochschulformat

Dabei muss man eines klarstellen: Etliche der Geehrten sind über jeden Zweifel erhaben, arbeiten als Deeskalationsteams in Krisengebieten, verfolgen Menschenrechtsverletzungen, kümmern sich um Kriegsflüchtlinge, organisieren den Schutz bedrohter Dorfprojekte oder machen eine andere Arbeit, die höchsten Respekt verdient. Es sind auch weniger die Ehrungen selbst, die kritikwürdig sind, sondern das Gesamtbild, dass die Aachener hinterlassen – und dieses Bild ist von Unterlassungen, einseitiger Parteinahme und grotesken Fehlentscheidungen geprägt. Neben den ehrenwerten Preisträgern gibt es das platte Agitprop-Theater, die unreflektierte Aktionskunst, die üblichen Verdächtigen aus der Aktivistenszene, die Lehrer und Pastoren, die vom Pult oder von der Kanzel aus ihr Missfallen über die angebliche Militarisierung des Landes verbreiten wie Fußpilz in einer Badeanstalt. Menschen, die wie der Lehrer Bernhard Nolz stolz darauf sind, eine Woche nach dem 11. September 2001 in einer Rede vor Schülern die USA „scharf kritisiert“ zu haben. Gratismut in der Besoldungsgruppe A 12. Helden im Volkshochschulformat.

Bei manchen Ehrungen musste man offensichtlich mit der Waffe nachhelfen: So lehnte die Düsseldorfer Hulda-Pankok-Gesamtschule den ihr 2013 zugedachten Preis für „Schule ohne Bundeswehr“ ab, weil sie sich politisch nicht missbrauchen lassen wolle. Außerdem träfen die „dargestellten und für preiswürdig gehaltenen Umstände weder tatsächlich noch rechtlich zu“, so die Schulleiterin Alexandra Haussmann in einem Brief an den Vereinsvorstand. Dort reagierte man verschnupft. Ein solcher Vorgang habe sich in der Geschichte des Aachener Friedenspreises noch nicht ereignet, entrüstete sich die Sprecherin des Vereins, Lea Heuser. Man halte an der Schule als Preisträger fest – getreu dem Motto: Was Frieden ist, bestimmen wir.

Der Klagemaurer aus dem Aachener Friedenszoo

Ein besonders unappetitliches Exemplar aus dem Aachener Friedenszoo war der 1998 geehrte und inzwischen verstorbene Kölner Klagemauer-Aktivist Walter Herrmann: Nach Zwangsräumung seiner Wohnung zog er mit einer Art Installation in den öffentlichen Straßenraum, um erst gegen Wohnungsnot zu protestieren, später gegen den 2. Golfkrieg. Ein mutiges Statement sagen die einen, eine öffentliche Belästigung die anderen. Den Aachenern war es einen Preis wert, weil die Klagemauer Zeugnis davon ablege, daß die „soziale Frage nicht faschitischer Politik überlassen wird.“ (Rechtschreibfehler übernommen) Später steigerte sich Hermanns pathologischer Mitteilungsdrang in einer alles überlagenden Obsession zum Kampf gegen die Juden, die er auf eine Stufe mit den Nazis stellte und ein Bild veröffentlichte, auf dem ein in US-Farben gekleideter Karikatur-Jude ein palästinensisches Kind verspeist. Im Aachener Friedenspreis kam es daraufhin zum Streit, ob man sich von Herrmann distanzieren solle. Das lehnte der damalige Vorsitzende Karl-Heinz Otten ab, etliche Vorstandsmitglieder traten danach aus dem Verein aus. Klagemaurer Herrmann wird auch nach seinem Tod auf der Website des Vereins als Preisträger geehrt.

Überhaupt die Juden! Die Preisbilanz der Aachener sieht so aus: Preisträger, die Israel als „Apartheid-Staat“ anprangern, die Besatzungspolitik kritisieren, die IDF angreifen und auf Schiffen die Blockade zum Gaza-Strip durchbrechen wollen: 6 (Sechs), darunter der Herrmann-Freund und Israelhasser Reuven Moskovitz. Preisträger, die die Politik der palästinensischen Autonomiebehörde kritisieren und gegen den alltäglichen Terror der Hamas, des Islamischen Jihad oder der al-Aqusa-Brigaden aufstehen: 0. In Worten Null!

Wahnhafte Beschäftigung mit eingebildeten Kriegen

So sieht es auch auf anderen Konfliktfeldern aus. Während die realen Kriege auf der Welt, die Massenbombardements in Syrien, die Bürgerkriege in Teilen Nordafrikas, Somalias und in Myanmar, die Besetzung der Krim, der verdeckte russische Krieg in der Ostukraine, die Taliban-Gefechte in Afghanistan und Teilen Pakistans, der Scharia-Konflikt in Nigeria, die verschiedenen Konflikte im Irak und vor allem die massive Einmischung Irans in die Konfliktherde anderer Länder sowie seine Unterstützung für die Terror-Attacken aus Gaza, dem Golan und Libanon auf Israel in der Agenda der Aachener Friedensapostel keine Rolle spielen oder wie im Donbass als lokaler Bürgerkrieg verharmlost werden, beschäftigt man sich geradezu wahnhaft mit eingebildeten Kriegen und kreischt hysterisch bei jeder Erhöhung des Wehretats auf, als stünde die Apokalypse unmittelbar bevor. Und natürlich ist es immer der Westen, der für die „Militarisierung“ verantwortlich ist, nicht etwa Putin mit seiner Politik der heimtückisch-asymmetrischen Kriegführung.

Und hier die Bilanz! Preisträger, die vorwiegend oder ausschließlich die USA, die NATO, die Bundeswehr oder allgemein den Westen für ihre Militärpolitik kritisieren: 28. Preisträger, die Russland, China und die mit ihnen verbündeten Staaten für ihre Militärpolitik kritisieren: 1.

Fehler in der Matrix

In der Tat haben es die Petersburger Soldatenmütter auf die Liste geschafft, allerdings schon 2004, als den Aachener Friedensrichtern noch nicht bekannt war, welche Rolle die Mütter einmal im russisch-ukrainischen Krieg spielen würden. 2014 gingen diese an die Öffentlichkeit und räumten mit der von Putin sorgsam entwickelten Legende auf, es handle sich um einen innerukrainischen Konflikt. Die Mütter deckten auf, dass 15.000 Soldaten aus Russland in der Donezk-Region im Einsatz waren. Allein mehr als 100 Soldaten eines tschetschenischen Infanterieregiments starben und wurden im Geheimen beigesetzt, ohne dass die Mütter über die Grabstätten informiert wurden. Ein Fehler in der Matrix, würde man sagen, den auch die Aachener nicht mehr korrigieren konnten.

Bleiben zum Schluss noch ein paar versöhnliche Worte zum Pazifismus: Mein Vater war einer. Er hat sich als junger Mann während des 2. Weltkriegs als Sanitäter durch die Kampfhandlungen an der Ostfront gemogelt, behandelte trotz Strafandrohung Sowjetgefangene genau so sorgfältig wie verletzte deutsche Wehrmachtsangehörige und war am Ende froh, dass er dieses Kapitel ohne einen einzigen Schuss abschließen konnte. Dieser Haltung blieb er bis zum Tod treu – und ich habe ihn dafür geachtet und bewundert. Vielleicht auch, weil er aus seiner Gewissensentscheidung nie ein großes Ding gemacht hat, geschweige denn, anderen damit auf die Nerven zu gehen. Es blieb für ihn immer etwas sehr persönliches.

Anders als bei den Herrmanns, Kotsabas und anderen Aktivisten. Sie machen aus ihrem Gewissen eine öffentliche Kloake und wollen den Pazifismus als totalitäres Prinzip in der Gesellschaftsordnung verankern. Sie haben den „Frieden“ seines inneren Kerns beraubt, seiner konstitutiven Kraft – etwa für ein freies Europa, das auch Verteidigungsanstrengungen beinhaltet – und seiner Mehrdeutigkeit, die sich simplen Vereinfachungen entzieht. Sie haben den Frieden zum Bullshit-Wort des Jahrzehnts gemacht.

Nachtrag:

Die wichtigsten Mitglieder des „Aachener Friedenspreises e.V.“ wurden angeschrieben, um in Erfahrung zu bringen, ob sie in irgendeiner Weise auf die Preisverleihung Einfluss genommen haben und wie sie die Affäre bewerten. Folgende Mitglieder haben bis Dienstag, 14. Mai 2019, 18:00 Uhr geantwortet.

Aachens Oberbürgermeister

„Die Stadt Aachen ist Mitglied des Vereins „Aachener Friedenspreis e. V.“ gemäß eines Beitrittsbeschlusses des Rates der Stadt aus dem Jahr 2004. Trotz der Mitgliedschaft ist der Friedenspreis kein Preis der Stadt Aachen.

An der Auswahl der Preisträger haben weder ich persönlich noch ein Vertreter der Stadt Aachen mitgewirkt.

Für den aktuellen Fall gilt: Personen, die sich antisemitisch äußern, können in Aachen keinen Preis mit Unterstützung der Stadt erhalten. Eine Preisvergabe an Ruslan Kotsaba darf nicht erfolgen. Ich erwarte, dass der Trägerverein des Friedenspreises rasch selbstkritisch aufarbeitet, wie es zur Fehlentscheidung, ihn auszuzeichnen, kommen konnte. Ich gehe nach dem aktuellen Sachstand davon aus, dass der Verein in seiner Mitgliederversammlung am 14. Juni der öffentlich geäußerten Haltung des Vorstands, Ruslan Kotsaba nicht auszuzeichnen, folgen wird.“

Marcel Philipp (Oberbürgermeister)

Diözesanrat der Katholiken, Bistum Aachen

„Wie Sie ganz richtig erwähnen, hat der Vorstand die Entscheidung zur Verleihung des Aachener Friedenspreises an Ruslan Kotsaba inzwischen revidiert. Der Diözesanrat der Katholiken steht hinter dem Vorstand in dieser Frage. Weiter wird sich der Diözesanrat der  Katholiken in der Öffentlichkeit zu diesem Thema nicht äußern. Sollte es notwendig sein, in der Mitgliederversammlung die Vorgänge zu reflektieren, werden wir uns an dieser Diskussion konstruktiv beteiligen. Ihre Grundsatzkritik an den Entscheidungen des Aachener Friedenspreise und den Vorwurf der einseitigen Parteilichkeit können wir nicht teilen. Erst im letzten Jahr hat ein wichtiger Projektpartner des Diözesanrates bei der Friedensarbeit  in Kolumbien den Preis erhalten.

Mechtild Jansen (Geschäftsführerin)

DGB NRW

Die DGB-Region NRW Süd-West ist Mitglied im Verein „Aachener Friedenspreis e.V.“ und in dessen Vorstand vertreten. Getragen wird der Verein von einem breiten Bündnis, u.a. ist auch die Stadt Aachen Mitglied.

Wie der Vorstand bereits öffentlich mitgeteilt hat, kannte er das Video mit den 2011 getätigten antisemitischen Aussagen von Ruslan Kotsaba bis zur Bekanntgabe des Preisträgers nicht. Andernfalls wäre es nicht zu seiner Nominierung gekommen. Als der Vorstand Kenntnis von dem Video erlangte, hat er unmittelbar und im Sinne des DGB reagiert: Ruslan Kotsaba wird den Preis nicht erhalten (vorbehaltlich der Zustimmung der Mitgliederversammlung, von der auszugehen ist). In Zukunft wird es sicherlich darum gehen, noch genauer hinzuschauen, wer für den Preis nominiert wird. Auch das hat der Vorstand öffentlich eingeräumt und sich für die Nominierung von Herrn Kotsaba entschuldigt (vgl. Aachener Nachrichten von Samstag, 11.05., Titelseite). Ziel des Preises und Hintergrund des Engagements des DGB ist es, Menschen zu würdigen, die zur Verständigung der Völker und der Menschen untereinander beitragen. Der Kampf gegen Antisemitismus ist dem DGB dabei ein besonderen Anliegen. Wir haben gerade erst die seit 45 Jahren andauernde, intensive Partnerschaft zwischen dem israelischen Gewerkschaftsbund Histadrut Tel Aviv-Jaffa und dem DGB NRW gefeiert. Weite Teile unseres Bezirksvorstandes sind aus diesem Grund nach Israel gereist. Seit Jahrzehnten findet regelmäßig ein vom DGB NRW organisierter Austausch zwischen deutschen und israelischen Gewerkschafter/innen statt. Das Existenzrecht Israels und auch das Recht auf Selbstverteidigung Israels sind dabei unumstößliche Prämissen.

Julia Bandelow (Pressesprecherin)

SPD-UB Aachen-Stadt:

„Der SPD-Unterbezirk Aachen-Stadt ist Mitglied im Aachener Friedenspreis e.V. Die Vertreter*innen der SPD haben zu keinem Zeitpunkt den betroffenen Vielleicht-Preisträger gewählt.“

Stefan Mix (Geschäftsführer)

Evangelischer Kirchenkreis

Der Kirchenkreis ist Mitglied im Aachener Friedenspreis. Er war bei der diesjährigen Auswahl der Preisträger nicht beteiligt. Nach den vorliegenden Informationen halten wir die Reaktion des Vorstandes für angemessen und richtig. Der Kirchenkreis wird zunächst keine weiteren Konsequenzen ziehen.

Jürgen Groneberg (Leiter des Ev. Erwachsenenbildungswerkes des Kirchenkreises Aachen) – eingegangen am 16.05.2019, 08:20

Missio

Herzlichen Dank für Ihre Anfrage zur Vergabe des Aachener Friedenspreises an Herrn Ruslan Kotsaba. Gerne antworten wir. Die Mitgliedschaft des Internationalen Katholischen Missionswerkes missio e.V. Aachen beim Aachener Friedenspreis ruht. Deshalb hat missio e.V. nicht an der Nominierung, Auswahl und Kommunikation der Preisträger des Aachener Friedenspreises 2019 mitgewirkt. missio e.V. hat die Vorgänge um die Verleihung des Aachener Friedenspreises an Herrn Ruslan Kotsaba aus den Medien zur Kenntnis genommen und begrüßt die öffentlich mitgeteilte Entscheidung des Vorstands des Aachener Friedenspreises, die Vergabe an Herrn Ruslan Kotsaba zurückzunehmen.

Johannes Seibel, (Pressesprecher) – eingegangen am 15. Mai 2019, 8:39

Misereor

vielen Dank für Ihre Mail vom vergangenen Samstag zur Bekanntgabe des diesjährigen Preisträgers des Aachener Friedenspreises. Sie haben MISEREOR als eines der Mitglieder des Vereins angesprochen.

Auch aus unserer Sicht ist die Verleihung des Aachener Friedenspreises an Herrn Ruslan Kotsaba wegen seiner antisemitischen Äußerungen in keiner Weise akzeptabel. Aus diesem Grund begrüßen wir es sehr, dass der Vorstand des Aachener Friedenspreises den Mitgliedern die Rücknahme der Entscheidung vorschlägt und dazu eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen hat. Ganz offensichtlich – und darauf verweist ja auch der Vorstand des Friedenspreises – ist bei der Vorbereitung der Entscheidung nicht gründlich genug recherchiert worden. Von daher gilt es, innerhalb des Vereins die Strukturen und Abläufe zu überprüfen, um künftig solche Fehler auszuschließen. Bei der Entscheidung für die Vergabe des Friedenspreises an Ruslan Kotsaba im Rahmen einer Mitgliederversammlung war MISEREOR wegen Verhinderung des zuständigen Vertreters nicht beteiligt.

Seit seiner Gründung fühlt sich MISEREOR der Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel in besonderer Weise verpflichtet. Als katholisches Hilfswerk übernimmt MISEREOR historische Verantwortung für Israel und erkennt das Existenzrechts Israels ohne jede Einschränkung an. Bis heute und in Zukunft ist Deutschland – vor dem Hintergrund des Verbrechens der Shoah – verpflichtet, für Frieden, Freiheit und Demokratie in der Welt einzustehen. Konkret wird dieses Engagement in einer Reihe von Projekten, in denen wir uns für die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen. Unsere Partner in der Region stehen ein für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Menschenrechte. Der zunehmende Antisemitismus in Deutschland erfüllt uns mit Sorge. Wir verurteilen entschlossen Antisemitismus in jeder Form. Antisemitisch motivierte gewalttätige Übergriffe sind durch nichts zu rechtfertigen.

Aus Sicht von MISEREOR hat der Aachener Friedenspreis in den vergangenen Jahren immer wieder wegweisende Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich für Frieden und Menschenrechte einsetzen. Viele haben dafür auch persönliche Benachteiligung oder Diskriminierung in Kauf genommen. Der Aachener Friedenspreis hat dazu beigetragen, diesen Menschen öffentliche Aufmerksamkeit und damit auch einen gewissen Schutz zu sichern. Für MISEREOR mit seinen Partnern in Afrika, Asien und Lateinamerika erfüllt der Friedenspreis damit eine wichtige Funktion. Wir sehen durchaus, dass die aktuelle Situation dieses Renommeé des Preises beeinträchtigen kann und erwarten vom Vorstand eine gründliche Aufarbeitung. Wir werden diese innerhalb des Vereins in den nächsten Wochen kritisch begleiten und das Votum der Mitgliederversammlung dazu abwarten. Je nach Ausgang der Abstimmung behält sich MISEREOR weitere Schritte vor.

Ralph Allgaier (Pressesprecher) – eingegangen am 15.05.2019,, 12:54

Bündnis 90 / Die Grünen  – Aachen

Vergangene Woche wurden vom Aachener Friedenspreis die beiden diesjährigen Preisträger veröffentlicht. Kurz danach wurde bekannt, dass der Journalist und designierte ukrainische Preisträger Ruslan Kotsaba im Jahr 2011 ein Video mit antisemitischen Äußerungen veröffentlich hatte.

Diese neuen Informationen haben uns Aachener GRÜNE, ebenfalls Mitglied im Aachener Friedenspreis, betroffen gemacht. Ein Preisträger, der sich antisemitisch äußert, ist für uns selbstverständlich nicht tragbar. Auch GRÜNE Bundestagsabgeordnete hatten gegen diese Nominierung interveniert. Daher begrüßen wir den Beschluss des Vorstandes des Aachener Friedenspreises, die von der Mitgliederversammlung beschlossene Preisverleihung an Kotsaba zurückzunehmen.

Der Aachener Friedenspreis ist ein international anerkannter Preis und darf nicht in Misskredit geraten. Nach diesem Eklat ist es wichtig, wieder Vertrauen in die Arbeit des Friedenspreises und damit der Preisträger*innen aufzubauen. Daher müssen die Preisträger-Vorschläge sorgfältig ausgearbeitet und vorbereitet werden.

Die Entscheidung des Vorstandes, den Preis nicht an Kotsaba zu verleihen, muss durch eine Sonder-Mitgliederversammlung am 14. Juni bestätigt werden.

Wir werden diesen Antrag des Vorstandes unterstützen!

Dr. Susanne Küthe (Geschäftsführerin) – eingegangen am 22.05.2019,, 09:48

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