Wie ein 78-Millionen-Euro-Grab doch noch nicht zu einem Rostmahnmal für Größenwahn wurde.

Berlin ist grau und kühl und nass. Vier Grad. In der Brandenburger Pampa auf einem ehemaligen sowjetischen Kasernengelände, wo Heidekräuter und Ex-Militärbauten sich bis zum Horizont erstrecken, ist es noch preußischer kalt. 

Und genau hier sieht es aus, als sei ein Raumschiff gelandet. Rund 100 Meter hoch, 350 Meter lang, 200 Meter breit. Eigentlich sollten aus diesem Mammutbauwerk, in das man den Eiffelturm legen könnte, Anfang der 2000er Riesenzeppeline geboren werden, die etwa bis zu 160 Tonnen schwere Monster-Stahlbauteile nach Russland transportieren sollten. Schwertransporte ohne Autobahnsperrungen, einfach durch die Luft.

Hört sich schlau an, aber durch das Hindenburg-Desaster 1937 in New Jersey und dem damit verbundenen katastrophalen Ruf von Zeppelinen auch etwas megaloman – und das war es dann wohl auch. 

Bevor es überhaupt losging mit der Fertigung, war die „Cargolifter“-Firma, die an der Börse 270 Millionen Euro eingesammelt hatte, schon insolvent. Von den 78 Millionen Euro Baukosten der größten freitragenden Halle der Welt hatte das finanziell klamme Land Brandenburg rund die Hälfte zugeschossen. 

Hoffnung für das Subventionen-Grab

Dann fand sich ein malaysischer Konzern, der das Bauwerk samt Grundstück für 17,5 Millionen Euro übernahm, davon wiederum zehn Millionen aus der brandenburgischen Landeskasse. Der Plan: Ein Tropenparadies inmitten von Brandenburg. 

Die Energiekosten müssen immens sein, schließlich wurde die Halle nicht gebaut, um tropische Pflanzen zu beherbergen, eine Luft-Temperatur von 26 Grad, 40 bis 60 Prozent Luftfeuchtigkeit und Schwimmbecken bei 30 Grad zu halten. Aber immerhin verrosten die Stahlteile nicht als tristes 78-Millionen-Euro-Grab. Ein finanzieller „Mehrwehrt“, wie Jürgen Klinsmann sagen würde, wurde hier vielleicht nicht geschaffen, aber immerhin auch kein Totalverlust.

Eine Fußbodenheizung war aus Arbeitsschutzgründen schon für die Werkhalle eingebaut worden. So kann man auch im Winter in T-Shirt oder oben ohne rumlaufen.

Der Betreiber versucht, trotz der enormen Energie-Aufwendungen klimafreundlich zu sein. 80 Prozent des Wassers würden wieder aufbereitet, die Becken in der Außenanlage „Amazonia“ in speziellen Bodenspeichern über Nacht auf Temperatur gehalten, sagt ein Mitarbeiter. Man sei auch gerade dabei, die „Ökobilanz“ auszurechnen, um etwa zu vergleichen, wie klimafreundlich man im Vergleich zu Mallorca-Flügen sei, aber da die Nachfrage danach in Zeiten von Greta Thunberg riesig sei, würde das noch dauern.

50.000 Pflanzen

Nach anfänglichen Schwierigkeiten und einer Übernahme durch einen spanischen Freizeitpark-Konzern ist das 2004 eröffnete „Tropical Island“ nun seit fünf Jahren profitabel. Viele der jährlich 1,1 Millionen Gäste kommen aus dem 40 Kilometer entfernten Polen, andere aus dem Umland. Berliner nehmen die etwa einstündige Zugfahrt (8,90 Euro pro Weg) aus der Hauptstadt eher selten auf sich, um für eine Tageskarte rund 50 Euro zu zahlen. Die gehen lieber ins „Vabali“ am Hauptbahnhof.

In der Halle wurden auf der einen langen Seite die undurchsichtigen Bauteile herausgenommen und durch UV-Licht-durchlässige Plastikplanen ersetzt. Es ist das gleiche Material, das auch beim bauschigen Stadion des FC Bayern München verwendet wurde. Das war notwendig, damit die 50.000 Pflanzen überleben. Durch die Sonnenlichteinstrahlung hat man auch nicht das Gefühl in einer Werkhalle zu sein.

Das „Tropical Island“ ist, außer an Weihnachten, immer und rund um die Uhr geöffnet. Rund 550 Mitarbeiter sorgen dafür, dass es sauber ist und alles läuft. Von der Umkleide geht es durch einen kleinen Tropenwald samt rosa Flamingos und bunten Fischen an einer Zeltstadt (etwa 80 Euro die Nacht pro Person inklusive Eintritt, es gibt verschiedene Angebote) vorbei zur „Südsee“. Das ist ein 140 Meter langes Schwimmbecken mit Inseln samt 200 Meter langem Sandstrand. Das Wasser ist etwas kühl und nicht ganz so warm, wie es in der Südsee sein sollte. Es erinnert eher an die Ostsee im August.

Plastik-Dorf mit Instagram-Charme

Viele Kinder sind mit ihren Eltern da, Jugendliche, ein paar Pärchen. Unterhalb der Woche ist es nicht extrem voll, das soll an Wochenenden und zu Urlaubszeiten anders sein. Kinder scheinen es hier zu lieben, es gibt mehrere Wasserrutschen. Und Eltern müssen sich keine großen Sorgen machen, dass der Nachwuchs verloren geht.

Hinter der Südsee liegt eine Art lateinamerikanisches Dorf. Für rund 120 Euro pro Nacht pro Person kann man sich hier in eines der 197 Zimmer einmieten. Es hat etwas Plastikartiges. Wenn man sich aber im richtigen Winkel vor die Bauten stellt und Handyfotos für Instagram macht, könnte man meinen, dies ist nicht Königs Wusterhausen, sondern Santiago de Chile.

Wenn man aus dem richtigen Winkel fotografiert, könnte man meinen, dies ist tatsächlich Südamerika

Wenn man aus dem richtigen Winkel fotografiert, könnte man meinen, dies ist tatsächlich Südamerika (Foto: Anna Jane Brooks)

Ein Mann läuft mit einem per Seilen an seinem Körper befestigten Fesselballon durch die Gassen der falschen Stadt. 15 Meter über ihm sitzen zwei Touristen in einem Korb und schauen über das Retorten-Ressort. Mehrere Fresstempel kümmern sich um das leibliche Wohl. Ein All-You-Can-Eat-Thai-Buffet gibt es für 20 Euro, einen Burger für 15 Euro. Das Mitbringen eigener Speisen ist nicht gestattet.

Kalifornien oder Königs-Wusterhausen? (Foto: Anna Jane Brooks)

Kalifornien oder Königs Wusterhausen? (Foto: Anna Jane Brooks)

Schöne Saunalandschaft

Ich bin mit der Fotografin Anna Jane Brooks unterwegs. Wir laufen in Badeklamotten durch die Halle. Nach dem Bad in der doch etwas kühlen „Südsee“ ist uns kalt.

Die „Südsee“ mit aufgemaltem Himmel. Erinnert ein bisschen an „Truman Show“ (Foto: Anna Jane Brooks)

Die „Südsee“ mit aufgemaltem Himmel. Erinnert ein bisschen an „Truman Show“ (Foto: Anna Jane Brooks)

Wir gehen in die Saunalandschaft, die man extra dazu buchen muss. Hier gibt es mehrere Saunen mit verschiedenen Hitze- und Feuchtigkeitsgraden und ein Kühlbecken.

Das passt irgendwie besser zum Winter. Hier kann man sehr gut ein paar Stunden verbringen, den Körper mit Hitze- und Kälteschauern in Wallung bringen. Auf den Liegen an die wirklich beeindruckend hohe und weite Hallendecke starren, künstlichen Vogelgeräuschen lauschen. 

Es gibt verschiedene Saunen, manche heiß und finnisch, andere kühler und nass (Foto: Anna Jane Brooks)

Es gibt verschiedene Saunen, manche heiß und finnisch, andere kühler und nass (Foto: Anna Jane Brooks)

Es gibt auch einen Außenbereich mit Warmwasser und Strömungen. Der Tunnel dahin mieft, die feuchte Wärme scheint Bakterien zu begünstigen. Da die Halle nicht genügend Platz für Übernachtungsgäste bietet, hat man draußen Bungalows errichtet, neue kommen ständig dazu. Bald sollen 1900 Gäste gleichzeitig im und um das „Tropical Island“ übernachten können. Durchschnittlich bleiben die Gäste zwei Tage. Durch Kooperationen mit Tourismus-Anbietern im nahen Spreewald hoffen die Betreiber, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer zu verlängern. 

Til Biermann und Anna Jane Brooks – ein bisschen Maui Maui (Foto: Anna Jane Brooks)

Til Biermann und Anna Jane Brooks – ein bisschen Maui Maui (Foto: Anna Jane Brooks)

Früher konnte man hier squatten

Früher, so erzählt uns ein Mitarbeiter, konnte man nach dem Eintritt kostenlos so lange bleiben, wie man wollte. Ein Mann soll anfangs mal ein Jahr am Strand der „Südsee“ gelebt haben. Mittlerweile registriert die Chipkarte, die man am Eingang bekommt, wenn man über einen Tag da ist und dann wird immer nach ein Uhr nachts ein Aufpreis von rund 35 Euro fällig.

In solchen Zelten könnte man auch wochenlang im Tropical Island leben (Foto: Anna Jane Brooks)

In solchen Zelten könnte man auch wochenlang im Tropical Island leben (Foto: Anna Jane Brooks)

In etwa seit dieser Änderung ist der Freizeitpark auch profitabel geworden. Vielleicht war das ja die nötige Stellschraube. Wer sich den Übernachtungspreis sparen will, kann allerdings immer noch heimlich auf den Liegen am Strand schlafen. Ein bisschen wie in Thailand eben.

Am Abend gibt es stets eine Lasershow (Foto: Anna Jane Brooks)

Am Abend gibt es stets eine Lasershow (Foto: Anna Jane Brooks)

Was immer man vom „Tropical Island“ halten will – man kann heutzutage für ein paar Euro mehr auch an einen echten Sandstrand etwa in Barcelona fliegen – aber die Wende vom Mahnmal für verbrannte Staatsgelder zum Exempel für eine kreative Umwandlung wurde tatsächlich geschafft. Und vielleicht gibt es nahe des Flughafens Schönefeld ja bald das „Tropical Island II“…