Mein Book of Kells – Folge 22
Was sich so in meinem Notizbuch angesammelt hat. 29. Oktober 2024 Wenn ein neues Gesetz verkündet wird, dauert es meistens nicht lange, bis jemand sich über „Regelungslücken“ beklagt. Offensichtlich kann man sich in Deutschland nicht vorstellen, dass es wünschenswert sein könnte, dass irgendetwas NICHT geregelt wird. Ob der Begriff „Regelungslücke“ wohl auch in anderen Sprachen […]
Was sich so in meinem Notizbuch angesammelt hat. 29. Oktober 2024
Wenn ein neues Gesetz verkündet wird, dauert es meistens nicht lange, bis jemand sich über „Regelungslücken“ beklagt. Offensichtlich kann man sich in Deutschland nicht vorstellen, dass es wünschenswert sein könnte, dass irgendetwas NICHT geregelt wird. Ob der Begriff „Regelungslücke“ wohl auch in anderen Sprachen existiert?
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In diesem Zusammenhang ist aufschlussreich, dass sich Europapolitiker jüngst rühmten, dass man in der EU jetzt die weltweit erste und beste Regulierung der sogenannten Künstlichen Intelligenz eingeführt habe. Sie ist so großartig, dass Forschung und industrielle Anwendung der neuen Technik jetzt überwiegend auf anderen Kontinenten stattfinden. So bekommt jeder, was er verdient hat: Wir haben die beste Regulierung, der Rest der Welt hat den Fortschritt.
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Mit wichtigem Gesicht sagte mir der Steuerbeamte, er wolle mir ein Geheimnis anvertrauen: „Wir können gar nicht alles kontrollieren.“ Offensichtlich empfand er das als Missstand. Er kam gar nicht auf den Gedanken, dass es weder wünschenswert noch legitim ist, dass er alles kontrolliert.
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Ganz selbstverständlich, als sei dies das Normalste der Welt, stellte der Deutschlandfunk-Moderator seinen Gesprächspartner mit der Berufsbezeichnung „Journalist und Aktivist“ vor. Kürzer und treffender kann man das Grundübel des deutschen Journalismus nicht illustrieren.
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Peter Merseburger beschreibt in seiner lesenswerten Kurt-Schumacher-Biographie eine angeblich von Carlo Schmid überlieferte Szene, die sich bei einem Wahlkampfaufritt Schumachers in den 1920er Jahren zugetragen haben soll: Unruhe im Saal, das Publikum ist eher feindselig gestimmt. Schumacher betritt den Raum, nur spärlicher Applaus, „kaum stark genug, das aggressive Gemurmel derer zu übertönen, die nicht klatschten. Er stand da, schweigend, mit der Linken den aufgebördelten Rand des Pultes umfassend. Plötzlich schnellte diese Hand vor, als zuckte eine Degenklinge nach einem Herzen (…) und mit dem Vorschnellen dieser Hand kam der erste Satz (…): ‚Die Möglichkeiten der Demokratie in einem Volke sind proportional zu dem Maße der Selbstachtung, die dieses Volk für sich aufbringt und zu verteidigen bereit ist.‘ Im Saale war es still geworden und blieb still bis zum Ende.“ Ein Satz wie ein Pistolenschuss, inhaltlich und stilistisch ein Volltreffer. Der Bundespräsident sollte ihn sich eingerahmt über den Schreibtisch hängen.
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Im örtlichen Supermarkt hängen Plakate zur Propagierung einer Produktserie mit dem Namen „Bio & vegan“. Es wird deutlich, dass dies nicht als Sammelbegriff gemeint ist, sondern dass auf die betreffenden Produkte angeblich beides gleichzeitig zutreffen soll. Erfüllt das eigentlich schon den Straftatbestand des Betrugsversuchs?
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Vorschlag für Lebensmittelgeschäfte: Man könnte alle Produkte, mit deren Kauf man die Welt nicht rettet, in einem gemeinsamen Regal präsentieren. Der Aufwand wäre gering, denn das Regal wäre klein. Man hätte alles sofort im Blick und würde sich die langen Wege durch das übrige Geschäft sparen. Mich würde man damit als Kunden gewinnen.
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Die Volkswagen-Krise ist ein schönes Beispiel für die Folgen von Planwirtschaft. Kaum hört man einmal auf, Produkte herzustellen, die sich wie geschnitten Brot verkaufen, und bietet stattdessen in vorauseilendem Gehorsam gegenüber Behörden, die den Unternehmen vorschreiben wollen, was sie zu produzieren hätten, andere Produkte an, die niemand kaufen will, schon stellt man verblüfft fest, dass man vom Nichtverkauf von Waren nicht leben kann.
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Es heißt, die öffentlich-rechtlichen Sender müssten sich reformieren. Da wird man auch mit den Sendeformaten mutig experimentieren müssen. Man könnte zum Beispiel ausprobieren, ob es möglich ist, auch einmal eine politische Talkshow ohne Beteiligung von Frau Wagenknecht auszustrahlen.
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Es war im Jahr 2015. Ich war auf dem Flughafen in Moskau, auf dem Rückweg von einer Tagung, in Begleitung einer SPD-Politikerin. Wie betäubt nahm ich das Propaganda-Trommelfeuer wahr, dass uns im öffentlichen Raum auf Schritt und Tritt begleitete, von der Verherrlichung des soldatischen Heldentums über die penetrante, wie Selbstbeschwörung wirkende Betonung eigener Größe, Stärke und vermeintlicher Unbesiegbarkeit bis hin zur bekannten Blut-Und-Boden-Bildsymbolik: Rotbäckige Mädchen mit blonden Zöpfen vor prallgelben Kornfeldern. Putin-Bilder, wohin man nur schaute. Führerkult pur: Putin auf Zeitschriftentitelbildern und Postern, auf T-Shirts und Tassen. Mal mit nacktem Oberkörper und riesigem Gewehr in der Hand, mal mit bulliger Tarnuniform oder wie Rambo mit Patronengürteln behängt. Eine Sekunde lang glaubte ich, ich hätte im Augenwinkel ein Bild von Freddie Mercury aus den 80er Jahren gesehen. Verblüfft schaute ich genauer hin und stellte fest, dass es nur ein weiteres Bild von Putin mit muskulösem Oberkörper und Lederjacke war. Ich frage die Politikerin, ob es sie nicht erschrecke, sich in einem Land zu bewegen, das alle Kennzeichen einer totalitären Diktatur trage. Sie wies diesen Gedanken weit von sich, erzählte mir, was für nette, gastfreundliche Menschen die meisten Russen doch seien und ließ mich spüren, dass ich ihrer Meinung nach wenig von Russland verstand. Kurz: Sie begriff gar nicht, wovon ich sprach. Ich deutete auf ein besonders lächerliches Putin-Poster und sagte, so etwas sei doch nicht normal. Daraufhin beschied sie mir, dass das doch nichts Besonderes sei, schließlich hänge am Münchner Flughafen auch ein Bild des Bayerischen Ministerpräsidenten an der Wand.
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Ernst Peter Fischer zitiert Niels Bohr mit der schönen Aussage: „Der Sinn des Lebens besteht darin, dass es keinen Sinn hat, zu sagen, dass das Leben keinen Sinn hat.“ Hat das Sinn?