Ein dumpfes Buch für simple Gemüter: Robin DiAngelo erklärt die Welt so einfach, dass es wehtut.

Sind Sie ein Rassist? Wenn nein, woher wissen Sie das? Auch, wenn Sie keine bösen Absichten hegen, niemanden diskriminieren wollen oder es mit Martin Luther King halten („We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal“), also auf Farbenblindheit setzen: Sie sind wohl trotzdem ein Rassist. Vor allem, wenn Sie weiß sind; dann ist ohnehin alles klar. Das jedenfalls erklärt Robin DiAngelo in ihrem Buch „Wir müssen über Rassismus sprechen“.

Die Soziologin tourt seit dem Beginn der Black Lives Matter-Demonstrationen in den USA durch Talkshows und erläutert, wie man als weißer Mensch seinen Rassismus los wird. Ihr Buch erschien zwar schon vor zwei Jahren, doch der Zeitgeist erlaubt ihr ein rasches Comeback – nun auch mit Einstieg in die deutsche Debatte. Dass man die Geschichte und die Strukturen Amerikas nicht eins zu eins auf Deutschland umlegen kann, ignoriert die Autorin dabei getrost; indem man das Wort „Afroamerikaner“ durch das Wort „Migrant“ ersetzt, sei den kulturellen Differenzen genüge getan, liest man im Vorwort und staunt nicht schlecht. Doch die Schlichtheit der Argumente durchzieht das ganze Buch.

Schöne Grüße von Karl Popper

Im Grunde ist DiAngelos These, dass weiße Menschen nicht fähig sind, den ihnen aufgrund ihrer Hautfarbe inhärenten Rassismus anzuerkennen. Sie spricht bei dieser Abwehrhaltung von „weißer Fragilität“. Wer also behauptet, kein Rassist zu sein, irrt, schreibt DiAngelo. Die Tatsache, dass sie selbst eine weiße Frau ist, stört sie dabei nicht; sie habe schließlich – wie alle anderen Weißen auch – nicht die Wahl gehabt. Sie sei rassistisch sozialisiert worden. „Eltern können ihren Kindern nicht beibringen, keine Rassisten zu sein, und können selbst gar nicht frei von Rassismus sein. Eine rassismusfreie Erziehung ist unmöglich.“ Aber sie selbst bemühe sich, „weniger weiß“ zu sein. Wie sie sich das vorstellt, erfährt man nicht, aber es dürfte wohl nicht um Bräunungsmittel gehen.

Aber! Das Prinzip der Falsifikation, möchte man Robin DiAngelo zurufen, gilt doch auch in woken Zeiten. Wissenschaftliche Erkenntnisse gelten demnach solange als wahr, bis sie widerlegt sind. DiAngelo sieht das anders. Ihre Prämisse: Wenn eine Person verneint, ein Rassist zu sein, beweist das sowohl ihren Rassismus als auch ihre weiße Fragilität. Ein Zirkelschluß, für den der Begriff Pseudowissenschaft noch ein Euphemismus ist.

Alles konstruiert, auch Mutti

Von Eigenverantwortung hält DiAngelo nicht viel, in ihrer Welt funktioniert alles sehr einfach: Strukturen determinieren den Menschen, er kann sich ihrer nicht entledigen. Und die Struktur, um die es in ihrem Buch geht, heißt weiße Suprematie. Erst, wenn alle Weißen ihren Rassismus anerkennen, könne man (vielleicht, irgendwann) über sich selbst hinauswachsen. Dafür darf man sich schonmal von der „Ideologie des Individualismus“ verabschieden – die Gruppenidentität geht über alles. Aber frei von Rassismus könne man ohnehin nie sein: „Mein Lernprozess wird nie abgeschlossen sein.“ Dass eine positive weiße Identität etwas Unmögliches ist, wie DiAngelo weiter schreibt, versteht sich, so man bis fast zum Ende des Buches durchgehalten hat, von selbst. 

Aktivisten schwurbeln im Sinne ihrer Sache: das ist hinlänglich bekannt. DiAngelo aber ist nicht nur Diversity-Trainerin und Beraterin, sondern auch Professorin an der University of Washington in Seattle. Nun ist ihr Buch an akademischer Dürftigkeit kaum zu überbieten, weshalb sich die Frage stellt: Wieso führt es nicht nur die amerikanischen, sondern inzwischen auch die deutschen Bestsellerlisten an? Entweder, das Bedürfnis nach angeleiteter Selbstgeißelung ist immens. Oder aber beunruhigend viele Menschen finden Gefallen am Gedanken der Rerassifizierung der Welt.

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