Wie man die Hamas stark macht
Der neue amerikanische Präsident hat mal wieder eine Idee. Diesmal für das vielleicht schwierigste Problem: den Nahen Osten. Warum Trump fehlgeht und was es stattdessen braucht.
Donald Trump hat der Hamas einen Gefallen getan. Er, der nicht nur sein Land, sondern auch die Welt mit seinem Begehren, Wollen und Handeln bald täglich in Aufregung und Schrecken versetzt, hat eine Idee kundgetan. Schon ploppen bei seinen Vasallen und Anhängern Worte wie „Disruption“, „großer Wurf“ und „Vision“ auf, während der Rest der Welt vor lauter Kopfschütteln Gefahr läuft, sich auf Dauer den Hals zu verrenken. Trump will aus dem Gazastreifen, der nach 15 Monaten Krieg größten Teils eine Ruinenlandschaft ist, eine nahöstliche Riviera formen. Das ist erst einmal keine falsche Assoziation bei einem Gebiet mit rund 40 Kilometern Sandstrand. Wer Bilder vom Leben in Gaza vor dem 7. Oktober 2023 kennt (siehe Titelbild), der weiß, wie viel Mittelmeer-Flair dort schon existierte. Tatsächlich könnte der Gazastreifen ein touristisches Ziel sein, wenn es einen realistischen Zugang über Land oder See gäbe. Und es könnte schon längst auf dem Weg dorthin sein, wenn die Hamas die Milliardenhilfen aus Katar und der EU nicht für Terrorinfrastruktur, Waffen und ein pharaonisches Tunnelsystem ausgegeben – und vor allem, wenn es nicht Israel überfallen, 1200 Menschen massakriert und über 250 als Geiseln genommen hätte.
Entgegen der Propaganda der Palästinenser-Sympathisanten im Westen besaß der Gazastreifen nie den Anschein eines Freiluftgefängnisses. Jeden Tag gingen viele Tausende nach Israel zur Arbeit. Wo sie normalerweise nicht hingehen konnten: nach Ägypten. Das Land ist unter dem Diktator Abdel Fatah El-Sisi ein Bollwerk gegen die islamistische Muslimbruderschaft und unterdrückt deren Mitglieder brutal. Da die Hamas ein regionaler Ableger der Muslimbruderschaft ist, wird El-Sisi auch in Zukunft kein Entgegenkommen für die von der Hamas fanatisierten Palästinenser aus dem Gazastreifen zeigen und sie ins Land lassen. Er war dann auch einer der ersten, die Trumps Riviera-Plan ablehnten. Denn der Bauunternehmer im Weißen Haus wollte freie Bahn für seine amerikanischen Abrissunternehmen und casinoähnlichen Baupläne obwohl er schon in Atlantic City vor Jahren Schiffbruch erlitten hatte und nur mit Mühe heil aus dem Schlamassel herausgekommen war. Trotzdem kündigte er nun an, er wolle den Gaza-Streifen übernehmen, die rund zwei Millionen Bewohner in Nachbarstaaten verfrachten und den Wiederaufbau, wie auch immer, sicherstellen. Die internationale Ablehnung war einhellig – von Netanjahu und seinen rechtsextremen Koalitionspartnern mal abgesehen, die von einem gesäuberten Gazastreifen delirieren –: Niemand wolle die Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen und bei einer völkerrechtswidrigen Vertreibung den Komplizen geben. Die Hamas befand kurz und knapp, dass Trumps Plan absurd sei.
EINE BREITE ALLIANZ FÜR FRIEDEN
Damit gelang Trump, was angesichts der katastrophalen Lage im Gazastreifen vielleicht hätte in Gefahr geraten können: Er verband, ja, er zementierte dort das Schicksal der Palästinenser mit der Existenz der Hamas. Sie ist jetzt ihre einzige Schutzmacht. Keine Alternative in Sicht. Zwar ist ein dauerhafter Frieden in Ruinen kaum vorstellbar. Aber noch weniger vorstellbar ist eine Vertreibung der zwei Millionen Palästinenser in ein Niemandsland.
Es gibt Stimmen, die halten Trumps Vorstoß für den ersten Schritt zu einem Deal, quasi ein erstes Angebot, das interessierte Staaten und Regionalmächte wie Saudi-Arabien, Katar, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien aufnehmen und mit einem Gegenangebot beantworten könnten. Aber hier wird Trump eine Erfahrung machen, die auch für die Ukraine gilt: Es wird keine tragbare Lösung über den Kopf von Betroffenen hinweg geben. Und Trump hat die Palästinenser, obwohl sie den Krieg begonnen haben, mit seinem Vertreibungsvorschlag erst recht zu Betroffene gemacht, an deren Seite fast alle stehen werden.
Trump braucht die genannten arabischen Staaten. Er wird zwar versuchen, sie reihenweise unter Druck zu setzen: mit dem Entzug von Geld, Waffen, Zuwendung. Aber Trump braucht die arabischen Staaten, um überhaupt etwas im Nahen Osten auf kurz oder lang und tagtäglich umsetzen zu können. Keiner der arabischen Führer wird sich demütigen lassen oder einen Aufstand im eigenen Land riskieren. Aber sie werden letztlich Verantwortung übernehmen. Einen dauerhaften Frieden wird es nur geben, wenn diese Länder einsehen, dass sie sich militärisch engagieren müssen, um die Hamas im Griff zu behalten oder ganz auszuschalten. Eine Idee, die erst einmal in der Welt ist, wird nicht mehr verschwinden, egal ob sie Faschismus, Kommunismus oder Islamismus heißt. Entscheidend ist, wie viel Macht man ihr einräumt, ob sie einen Staat besitzt, Waffen, Kämpfer und eine fanatisierte Bevölkerung. Zwar hat Trump schon klar gemacht, dass er keine Soldaten in ein nahöstliches Abenteuer schicken will; und Israel kann und will nicht auf Dauer für geordnete – und das heißt: friedliche und prosperierende – Verhältnisse im Gazastreifen sorgen. Eine Chance auf Frieden im Nahen Osten gibt es nur in einer breiten Allianz und nicht mit einer Berserker-Politik à la Trump. Wenn die genannten arabischen Staaten für einen dauerhaften Frieden einen palästinensischen Staat wollen, dann müssen sie die Normalisierung mit Israel vorantreiben und sich zugleich mit Truppen in Gaza engagieren. Das wäre ein Deal. Stattdessen warten sie bislang darauf, dass Israel mit der Hamas aufräumt – natürlich, ohne jemandem dabei weh zu tun. Das ist eine heuchlerische Politik. Israel hat mit der Schwächung des großen Störenfrieds Iran überhaupt erst ein Zeitfenster für friedliche Entwicklungen geöffnet. Israel braucht nun überprüfbare Garantien, dass es nicht zu einer heimlichen militärischen Unterstützung der Hamas und einer Wiederauflage der quasi offenen Zusammenarbeit der UNRWA mit der Hamas und der Nutzung von Gebäuden und Tunneln als Waffenlager und terroristische Logistikzentren kommt. Diese Allianz, zu der auch die Europäische Union wie auch die USA gehören müssen, wird sich auf ein langes und immer wieder auf die Probe gestelltes Engagement für den Wiederaufbau und gegen die Hamas einstellen müssen. Schon der Wiederaufbau wird Milliarden Dollar verschlingen. Warum sollte Israel dafür aufkommen? Es sollen nicht die bezahlen, die das Monster bekämpft, sondern die, die es mit Absicht (wie Katar) oder mit Nachsicht (wie die EU) genährt haben.
Es geht um einen dauerhaften Frieden – und der ist alle Mühen wert. So werden Trump und Netanjahu sich auf Dauer wieder mit einem palästinensischen Staat abfinden müssen, im Gazastreifen zunächst vielleicht als Protektorat Ägyptens und Saudi-Arabiens. Das ist noch schwerlich vorstellbar. Aber realistischer als Trumps Vorschlag. Jetzt muss aber zunächst die Feuerpause halten. Das ist der allererste kleine Schritt.