Seit 1982 läuft der Witwer von Zsa Zsa Gabor als German Prince durch Los Angeles. Bei seiner Festival-Filmpremiere war er fast alleine.

Der Prinz trägt goldene Schuhe, einen Bayern-München-Trainingsanzug und eine US-Flugzeugträger-Mütze. Er hat kleine Wunden am Ohr und an der Hand. Von der Gartenarbeit oben an der Villa in Bel Air, die 1957 gebaut wurde, sagt er. Die Villa, in der er seit 1982 mit Zsa Zsa Gabor lebte, die Ende vergangenen Jahres 99-jährig starb.

Nun ist die Frau, die so etwas wie die erste Hilton-Kardashian-Jenner war, nicht mehr da und das Leben von Frédéric von Anhalt, geboren als Hans Lichtenberg, ist mit seinen 73 Jahren trister geworden. Noch trister, obwohl seine Frau seit einem Unfall im Jahr 2002 Vollzeitpflege bedurfte. Der Prinz musste sie seitdem nachts regelmäßig umdrehen.

Er ist ein Phänomen. Auf den ersten Blick scheint er wie ein dumpfer Aufschneider. Ein teils unangenehmer Sprücheklopfer. Der sagt, wenn Gäste kommen, „aaah, die reichen Leute!“ Aber wer ihn ein bisschen näher kennenlernt, merkt, da steckt mehr dahinter.

Von Anhalt ist in den Kinokomplex nahe des Flughafens von Los Angeles gekommen, weil sein Lebensfilm „Prinz Hollywood“ beim Silicon Beach Film Festival gezeigt wird. Der Film, 2016 das erste Mal in Deutschland ausgestrahlt, wurde vom Öffentlich-Rechtlichen über mehrere Jahre gedreht. Jetzt also Hollywood.

Das Festival ist neu wie der Begriff „Silicon Beach“. Er bezeichnet das Areal am Strand von Venice, wo neureiche Internetfirmen wie Snapchat und Netflix gerade im großen Stil Immobilien aufkaufen und eine Art Silicon Valley an der Küste von Los Angeles bauen. Zum Leidwesen der dortigen Händler, die umgeben von Obdachlosen Touristen-Nippes und Ein-Dollar-Cokes verkaufen. „Diese Arschlöcher kaufen hier alles auf“, sagte mir ein aus der Altstadt von Jerusalem stammender Araber, der an der Strandpromenade einen Schmuckladen hat.

Es ist halbzehn am Kino, von Anhalts Film soll um zehn Uhr gezeigt werden. Es war schwer den Eingang zum Kino zu finden, weil gerade alles eine halbe Baustelle ist.

„Jetzt amtlich Hollywoodstar“

Frédéric von Anhalt kündigte den Film in einer Mail mit den Worten „jetzt amtlich Hollywoodstar“ an. Außer mir und einer Freundin sind da noch Rick Mendoza, ein Paparazzo in den 50ern mit Zahnspange und Hut und seine Assistentin Celeste Octavia, ein hübsches, ehemaliges Model.

Der Film sei nicht besonders gut, sagt der Prinz vor dem Kino, alles unter der Gürtellinie sei weggelassen worden, im Übrigen würden die Amerikaner gerade eine Riesendoku über ihn und seine verstorbene Frau Zsa Zsa machen, Netflix sei mit im Boot. Das sei dann der real deal.

Mendoza kichert viel und ansteckend, er schießt mich und meine Begleitung ab und zeigt die Fotos auf dem Display. „Schau, Brad Pitt und Angelina Jolie“, witzelt er.

Wir stehen also zu fünft vor dem großen Kino. Der Prinz bezahlt die Karten zu seiner eigenen Premiere.

Es gibt einen minikleinen roten Teppich samt Aufsteller vom Silicon Beach Film Festival, aber es ist außer uns fünf niemand da. Mendoza, ein alter Hase im Geschäft, wuselt umher und macht Fotos vom Prinzen, kichert weiter. Er begleitet den Prince from Germany schon seit zehn Jahren. „Er wollte berühmt werden und mein Job war, das zu schaffen“, sagt er.

Der Film ist dann wunderbar. Von Anhalt sagt darin Sätze über Los Angeles wie: „Man kann hier nur überleben, wenn man ein bisschen verrückt ist. Die drehen alle ein bisschen durch.“

Wir sitzen im großen, leeren Saal, von Anhalt mit einem Ein-Liter-Softdrink. Man lernt mehr kennen über die Geschichte des Polizistensohns, der in seinem Heimatdorf Wallhausen vom Vater brutal gezüchtigt wurde und als junger Mann stark schielte mit dicken Brillengläsern vor den Augen. Der alte von Anhalt ist ein schöner Mann, der junge schien ein merkwürdiger Eigenbrötler zu sein.

Man erfährt, dass der schon zu seinem 21. Geburtstag auf dicke Hose machte, mit einem Ferrari durchs Dorf fuhr und Diener und Trommler anstellte, die er mit leeren Geldumschlägen bezahlte.

Man erfährt, wie er den Münchener Titelhändler Konsul Weyer um die 300.000 Mark betrog, die der edle Von-Anhalt-Titel eigentlich kostete. Er lieh sich 100.000 Mark in bar von seinem Bruder und holte die während der Adoptions-Unterzeichnung aus der Tasche, um der Sekretärin ein Trinkgeld von 3000 Mark auf den Tisch zu blättern. Ein so solventer Herr, dessen Schecks würden schon nicht platzen, dachte der Konsul, der den Vorgang beobachte. Da irrte er sich.

Mit dem Titel in der Tasche flog der falsche Prinz sofort nach Los Angeles. Der Konsul wollte seine Besitztümer dort pfänden lassen, aber das ging nicht. Zsa Zsa Gabor behauptete, von Anhalt sei ein einfacher Stallbursche, der nur zwei Lederstiefel sein Eigen nennen würde.
Das ringt Bewunderung ab: Frédéric von Anhalt hat einen Mann übers Ohr gehauen, der sich mit seinem fragwürdigen Adelsgeschacher eine goldene Nase verdiente.

Er kennt das harte Leben

Man erfährt auch, dass der junge Lichtenberg mit 28 Jahren mal wochenlang auf der Straße hausen musste und, als er zu Weihnachten nach Hause kommen wollte, von der Mutter an der Türschwelle abgewiesen wurde, da es ja sonst nur wieder Streit mit dem Vater geben würde. Er musste dann das Weihnachtsfest in der bitteren Kälte verbringen. Ein hartes Leben.

Aber er zeigte sich immer wieder als guter Geschäftsmann für das Nachtleben. Als er mit 24 Jahren seine erste Dorfdisco aufgemacht hatte, habe er „das Geld in Putzeimern“ nach Hause getragen, sagt er im Film.

Auch ein paar seiner Adoptivsöhne, die er seit 2002 adoptierte, kommen vor. Drei von ihnen sind Zuhälter aus dem Rotlichtmilieu, die sehr gut für ihre Titel bezahlt haben sollen. Das sei ihm eine besondere Freude gewesen, sagt der Prinz. Dass der deutsche Geburtsadel, der ihn verachtet, jetzt auch noch mit Zuhälter-Prinzen leben müsse.

Und das ist auch wieder so ein Punkt, der Bewunderung abringen kann. Wie von Anhalt das Kastensystem der Blaublüter, die Europa so lange im Griff hatten, ad absurdum führt.

Als der Film zu Ende ist, sagt von Anhalt, er habe schon auf dem Weg aus Bel Air in seinem silbernen Mercedes-Jeep gewusst, dass er wahrscheinlich ganz alleine da sein wird. „Leute, die sich Freunde nennen, sind nicht gekommen“, sagt er etwas verbittert. Aber das sei ihm nicht wichtig. Er könne sehr gut alleine Spaß haben mit dem ganzen Geld, das Zsa Zsa ihm hinterlassen hat. Offenbar sind mit ihrem Tod auch die meisten Freunde weggestorben.

Er fährt dann alleine zurück in seine Villa auf den Berg. Diese Villa, die als Drehort für Filme wie „Liberace“ und „Argo“ bekannt wurde. Hier haust er ganz alleine mit einer aus einem asiatischen Land stammenden Angestellten, die früher Zsa Zsa mitpflegte.

Bis Mai kommenden Jahres soll in der Villa für die amerikanische Doku gedreht werden. Dann wird das Haus abgerissen, „eine Tiefgarage für 50 Autos in den Berg geschlagen“, sagt von Anhalt. Er wird dann nach Brandenburg ziehen, wo er sich ein Anwesen gekauft hat.

Einmal sagt von Anhalt in der Dokumentation über sein Leben mit Zsa Zsa, dass er eigentlich „ein Clown“ sei, ein Schelm. Das passt. „Im Grunde verarsche ich mich selbst, aber das ist okay, solange ich Spaß habe“, sagt er.

Von Anhalt ist Fan von Bayern München – Foto: Til Biermann