In einem Stadtmagazin bellt ein Autor eine antisemitische Verschwörungstheorie. Zeit, zurückzubeißen.

Oft gibt es einen guten Grund dafür, wenn jemand seine Texte nicht mit seinem wahren Namen zeichnet. Dr. Deutsch hat zum Beispiel gar nicht promoviert. Manchmal verbergen Autoren ihre Ergüsse aber auch aus niederen Beweggründen hinter einem Phantasienamen. Die dämlichste und platteste Form, sich hinter einem Pseudonym zu verstecken, ist dabei der Kniff, seine Texte einem vorgeblichen Tier ins Maul zu legen.

Im Bremerhavener Stadtmagazin „Laufpass“ hat sich jemand sogar für beides entschieden. Die ohnehin erfundene Figur „Luca Deichwalker“ unterschreibt ihre Kolumnen als „blöder Hund“ – mit entsprechendem Autorenfoto. Die doppelte Ablenkung von sich selbst ist offenbar nötig, denn derart anonymisiert hat der Deichwalker kürzlich einen Artikel ins Stadtmagazin gebellt, bei dem jeder anständige Zweibeiner die Ohren anlegen müsste.

Empört von seiner eigenen Verschwörungstheorie, dass die Lebensmittelindustrie uns alle vergiftet, steigert der blöde Hund sich von Zeile zu Zeile in einen antisemitischen Exzess hinein, angefangen bei dem Lob für den leider verloren gegangenen rechtsstaatlichen Umgang mit so genannten Brunnenvergiftern:

Früher wurden Menschen, welche die Grundnahrungsmittel anderer vergifteten auf die ein oder andere Weise hingerichtet, bis sie tot waren und bleiben. Der Grund war und ist einleuchtend: Ihr Handeln war eine Gefahr für die Allgemeinheit …

Das vorausgeschickt, stürmert der Hund von Kolumnist weiter und behauptet, heute werde das Brunnenvergiften nicht nur nicht mehr angemessen bestraft. Wer wie die Lebensmittelindustrie das Essen vergifte oder Pestizide einsetze, könne diese Stoffe sogar von der Steuer absetzen. Pointe: Der Staat, der früher noch Brunnenvergifter verfolgt habe, mache sich nun zu deren Mittäter.

Juden und Fabrikanten

Dazu muss kein Hund, aber jeder Mensch wissen: Anders als etwa der Brandstifter ist der Kriminellentypus des Brunnenvergifters ein Hirngespinst. Das Wasser des Feindes zu vergiften ist insbesondere bei Belagerungen oder gegen Invasionen eine militärische Taktik, die sich durch die Kriegsgeschichte der gesamten Menschheit zieht.

Die Geschichte vom Brunnenvergifter als fiesem Einzeltäter jedoch ist fast ausnahmslos eine Verleumdung und insbesondere in unseren Breiten – zu denen aller Gemeinheiten gegen die kleine Küstenstadt zum Trotz auch Bremerhaven gehört – eine der ältesten antisemitischen Schauergeschichten. Konnten die braven Christen im Mittelalter sich mal wieder eine Seuche nicht erklären oder war es mal wieder Zeit, ein paar Juden des Ortes zu erschlagen, dann wurde einfach behauptet, sie hätten die Brunnen vergiftet. Der Verleumdung folgte in der Regel ein Pogrom – und die Juden wurden, wie vom blöden Hund so treffend beschrieben „auf die ein oder andere Weise hingerichtet, bis sie tot waren“.

Jahrhunderte später greift der Autor eines Bremerhavener Stadtmagazins zum antisemitischen Stereotyp schlechthin, um in halluzinierter Notwehr einen weiteren Pogrom zu fordern – gegen Unternehmen, die völlig legale und streng überwachte Produkte herstellen und vertreiben. Das geht über alle Deiche des Anstands hinweg. Von einem Aufstand in Bremerhaven hört man jedoch nichts. Und der einzige, der garantiert nichts dafür kann, ist der abgebildete Hund.