Warum es notwendig sein kann, die Herkunft beim Namen zu nennen

Die widerlichen, menschenverachtenden Täter, die zu Weihnachten in Berlin versucht hatten, einen Obdachlosen zu verbrennen, sind gefasst. Zum Glück. Der mediale Druck, insbesondere erzeugt von der „BZ“ durch ihre Seite 1, auf der die Fahndungsfotos mit dem Hinweis abgebildet wurden, die Porträts der Überwachungskameras so lange auf der ersten Seite abzudrucken, bis alle gefasst seien – dieser mediale Druck war wohl zu stark. Dass allerdings jetzt in (fast) allen Onlineportalen von links bis konservativ die Herkunft der mutmaßlichen Täter genannt wurde (sechs Syrer, ein Libyer), ist neu. Und als Journalist stellt sich die Frage, warum plötzlich der Paradigmenwechsel? Galt doch bisher das eherne Gesetz, dass eine Nennung der Herkunft nur kommod sei, wenn sie von essenzieller Wichtigkeit für den Handlungs-, Tat- oder Storyverlauf ist.

Wenn ich einen Obdachlosen anzünden möchte, verstärkt oder mindert meine Herkunft dann die Widerwärtigkeit des Tatvorhabens? Aus journalistischer Sicht lautet die klare Antwort: nein. Völlig wurscht, ob ich Münchner oder Moldawier bin – es schickt sich so oder so nicht, andere in Brand zu setzen oder es zu versuchen. Aber dennoch bin ich in diesem Fall für die Nennung der Herkunft. Je selbstverständlicher es wird, dass auch Syrer und andere Flüchtlinge ekelhafte Kreaturen sein können, desto weniger lassen sie sich von rechtsaußen dämonisieren. Rassismus und Antisemitismus speisen sich nämlich gern aus einem diffusen Gefühl des Zukurzgekommenseins, des Neids auf andere, die vermeintlich bevorzugt werden, weil sie „besser“ sind oder als „besser“ angesehen respektive behandelt werden als man selbst. Deshalb sind wir gut beraten, den Kodex der Herkunftsnennung neu zu interpretieren. Es geht darum, AfD und Co. das Wort „Lügenpresse“ und die damit einhergehenden Assoziationen in ihre Schandmäuler zurückzustopfen. Und wenn es unter Flüchtlingen und Migranten auch verachtenswerte Individuen gibt, dann gilt es das fortan zu erwähnen – zur Verteidigung all der unschuldig Verfolgten, die bei uns Schutz suchen. Und zur Verteidigung der freien Presse, die sich von niemandem sagen lässt, was sie zu veröffentlichen hat oder nicht.