Was machen eigentlich die Grünen in Sachen Cum-Ex? Vertuschen, vernebeln und sich weggucken. Unser Gastautor Erwin Jurtschitsch hat ein Stück über hanseatische Doppelmoral geschrieben.

Seit ihrer Gründung haben die Grünen zwei Dinge wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Seht her, sagten sie immer, wir sind die Nicht-Korrupten, wir sind die Aufklärer und wir sind für die Einhegung des Kapitals und gegen Steuerhinterziehung. Wir sind die Moral und deren Apostel.

Doch jetzt, kurz bevor sie das Kanzleramt erobern wollen, werden Sie hasenfüsig und zaghaft. Sowohl in Sachen Wirecard als auch in Sachen Cum-Ex hat sich die Partei erst von der Öffentlichkeit zu sanften und späten Schritten drängen lassen. Und in Hamburg haben die Grünen beschlossen, den Skandal um die Steuerhinterziehungen in Sachen Cum-Ex und die dazugehörigen Spendendeals nur sanft und widerwillig zur Kenntnis zu nehmen.

Die ansonsten so wortstarke Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank murmelte nur leise vor sich hin: „Ich denke, dass es jetzt wichtig ist, dass der heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages erklärt, weshalb er sich mehrfach mit Herrn Olearius getroffen hat, warum es diese Nähe gerade in dieser Ermittlungsphase gegeben hat und warum er das den Parlamentariern nicht gesagt hat“. 

Dabei geschieht in der Hansestadt gerade Erstaunliches. Ein Bankier, jener Christian Olearius, Mitinhaber der Warburg-Bank, der laut „Zeit“ insgesamt 170 Millionen Euro für seine Kunden an Steuern hinterzogen haben soll und gegen den die Kölner Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, wird mehrfach zum damaligen Bürgermeister zu Kamingesprächen eingeladen. Ziel: Verhinderung der Aufklärung des Steuerskandals und der Zahlung einer ersten Tranche von 47 Millionen Euro ans Finanzamt. 

Keine Zahlung, keine Aufklärung

Und beides funktionierte wunderbar. Erst gab es keine Zahlung und bis heute auch keine Aufklärung, und man versteht bis heute nicht warum Hamburg das einzige Bundesland ist, das die Frist zur Steuerrückerstattung im Rahmen einer Cum-Ex Forderung von über 47 Millionen Euro verstreichen ließ,  die Stadt also grundlos verzichtet.

Der gesamte SPD-Apparat – von damaligen Bürgermeister Olaf Scholz über den Finanzsenator und heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher und wichtige SPD-Granden und Bundestagsabgeordnete bis hin zur zuständigen Finanzbeamtin – sie alle arbeiteten daran, der Bank zu helfen. Und es wirkt so, als lasse sich die Partei mit 45.000 Euro Spendengeld bestechen, um dem Staat 170 Millionen zu „ersparen“. Würde sich das Ganze in Neapel abspielen, würde man in Deutschland von der typischen italienischen Korruption sprechen. In Hamburg nennt man es bei den Sozialdemokraten die enge Verbindung zwischen Partei und Wirtschaft. 

Doch es kommt noch amüsanter: 

Peter Tschentscher unterstand eine Finanzbeamtin, die sich gegen das Bundesfinanzministerium und die Staatsanwaltschaft so deutlich positioniert, dass die anderen Behördenvertreter sie in einer Besprechung genervt fragen,  wen sie eigentlich vertritt: die Stadt oder die Bank. Aufzeichnungen im Notizbuch von Bankier Olearius legen eine Vermutung nahe: Die zuständige Finanzbeamtin ist der Bank verpflichtet. Denn nach der Besprechung im Bundesfinanzministerium beschwert sich die Finanzbeamtin bei Olearius.

Glaubt man Olearius‘ Tagebuch, dann sagte sie in einem Gespräch, dass die Argumentation für einen geänderten Bescheid durch das Bundesfinanzministerium nicht haltbar sei, die Klagechancen für die Bank seien gut. „Die gesamte Finanzbehörde Hamburgs sei der Meinung, Warburg habe sich nichts zu Schulden kommen lassen“, notiert Olearius. Seine Beamtin habe berichtet, sie habe in einem Ministerium noch nie eine so aggressive Stimmung gegenüber einem Unternehmen gespürt wie in Berlin. Auch sie müsse jetzt erklären, warum sie die Vorjahre habe verjähren lassen. „Sie schäme sich. Das sei kein Rechtstaat.“

Dabei ist es ist nur dem Bundesfinanzministerium und der Kölner Staatsanwaltschaft zu verdanken, dass das Hamburger Finanzamt auf „dienstliche Anweisung“ dann doch einen Teil der Steuern zurückgefordert hat. 

Wo bleibt die Chuzpe?

Die Hamburger Behörden und vor allem die Beamtin wehren sich noch bis heute dagegen. Wie schreibt die Frau aus dem Finanzamt so schön „….die gesamte Hamburger Finanzbehörde ist der Meinung Warburg habe sich nichts zu Schulden kommen lassen“. An der Spitze der Finanzbehörde damals: der heutige Bürgermeister. 

Die schmutzigen Details dieses Skandals sind noch längst nicht alle bekannt, aber die Grünen und allen voran die SPD wollen keinesfalls, dass sie an die Oberfläche kommen. Über die CDU, und die SPD kann und muss man sich in dieser Frage nicht ernsthaft wundern, zu eng sind die Verbindungen in die Bank, aber die Grünen müssen sich fragen lassen, ob sie sich mit ihrem Koalitionspartner in der Frage nicht mal ernsthaft anlegen müssten. 

Man darf erinnern: Es waren die Grünen, die zusammen mit der CDU einen Untersuchungsausschuss zum Dioxinskandal und der Rolle der Firma Boehringer installierten. Die Firma wurde geschlossen, die Beweise waren zu erdrückend. Selbst Helmut Kohl – Hauptspendeneintreiber bei Chemiefirmen – musste seinem Hamburger CDU-Abgeordneten freie Hand lassen. Wo bleibt dieselbe Chuzpe bei Fegebank, Robert Habeck und Annalena Baerbock. Es reicht halt nicht aus, nur Sonntagsreden gegen Cum-Ex zu halten, man muss auch mal den Rücken gerade machen. 

Wo also bleibt die Grüne Partei, die ansonsten immer so gerne als Moralapostel auftritt, und warum stimmt sie dem Antrag der Opposition auf einen Untersuchungsausschuss nicht zu?

Immerhin fügen die neuen Enthüllungen von „Zeit“ und NDR den längst bekannten Fragen nun gravierende neue hinzu: Warum hat der Senat nicht die Wahrheit darüber gesagt, wie oft sich Olaf Scholz in seiner Zeit als Bürgermeister mit den Chefs der Warburg-Bank traf? Wieso hat sich eine Hamburger Finanzbeamtin zum Sprachrohr, fast schon zur Lobbyistin dieser Bank gemacht? Und was geschah eigentlich in der Finanzbehörde, nachdem der Bankchef Christian Olearius den sehr freundlichen Tipp von Olaf Scholz beherzigt und sein „Argumentationspapier“ kommentarlos an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher geschickt hatte? Und was hat der Finanzsenator mit dem Papier gemacht? 

An der Cum-Ex-Frage wird sich zeigen, wie feige und wie bestechlich die Grünen durch die Beteiligung an der Macht geworden sind. Denn, nicht nur die Korrupten selbst sind das Problem, sondern auch diejenigen, die die Korrupten an der Regierung halten.

Ich bin gespannt wie die Antwort meiner ehemaligen Partei ausfällt. Sie war schon mal mutiger.

PS: In einem solchen Ausschuss wäre auch zu klären, inwieweit der Gesetzgeber an dem Cum-Ex-Skandal Mitschuld trägt. Die Schlafwandler im Finanzministerium  haben dem Treiben  ja jahrelang zugesehen und viel zu spät reagiert. Und so könnte am Ende die Bank in Hamburg beweisen, dass nicht sie, sondern die Behörden den Skandal verursacht haben. Das wäre doch eine ironische Wende.

Erwin Jurtschitsch