Im NRW-Wahlkampf kleben Parteien wieder Plakate, über die man als selbst denkender Mensch mit Faible für Logik, Sprache und Typographie nur den Kopf schütteln kann.

Uns Uwe kennt jeder. Ende der 90er war Uwe Seeler, die liebevoll zum Fußball-Allgemeingut erklärte Hamburger Stürmerlegende, vorübergehend Präsident seines HSV – und machte Schlagzeilen wegen vermeintlich fragwürdiger Immobiliengeschäfte. Beim Derby in Hamburg hängten Fans des Lokalrivalen FC St. Pauli daraufhin ein bis heute legendäres Banner in ihre Kurve. „Euch Uwe klaut!“ stand darauf. Womit sie dem Uns-Uwe-Kult entgegen hielten: Wer „uns“ ist, das entscheiden wir immer noch selbst.

Selbst entscheiden ist auch bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai angesagt. Damit wir es nicht zu schwer haben, helfen uns die Parteien in Form von Reklame. Und wie in jedem Wahlkampf sind auch diesmal wieder allerlei Plakate dabei, über die man als selbst denkender Mensch mit Faible für Logik, Sprache und Typographie nur den Kopf schütteln kann. Sicher wird es Leute geben, die mir zum Beispiel erklären können, was um alles in der Welt daran links sein soll, auf Plakaten „Kitas kostenlos“ für alle zu fordern, wie es die Linke tut. Denn im Ergebnis bedeutet das doch, dass die Allgemeinheit reichen Leuten den Kita-Platz bezahlen soll, den sie sich locker selbst leisten könnten – vorausgesetzt, sie finden einen. Dass die Forderung „Eine Schule für alle“ auf dem selben Plakat inhaltlich nicht weniger diskutabel und sprachlich zumindest missverständlich ist, fällt da schon kaum mehr ins Gewicht.

Ohnehin haben viele Parteien sich unabhängig von den Inhalten für Zweiklang entschieden, entweder mit zwei aufeinander aufbauenden Forderungen oder plakativen Gegensätzen. „Mehr Polizei. Weniger Einbrüche“, postulieren etwa die Christdemokraten – wobei womöglich verräterisch ist, dass sie die anonyme Polizei verwenden, statt Polizisten zu fordern und damit ein wenig zu menscheln.

#NRWIR regieren gemeinsam

Wie man sein Kampagnendogma vom Zweiklang ohne Rücksicht auf Verluste auf Plakate prügelt, zeigen die Grünen. Jedes Thema wird mit 1. und 2. beschrieben. Das funktioniert bei „1. Mehr Haltung / 2. Weniger Hass“ perfekt. Das Plakat, auf dem steht „1. Arten. / 2. Schützen!“ hätte man der Agentur dagegen um die Ohren hauen sollen. Warum nicht gleich: „1. Salat. / 2. Waschen!“ Zumal die gekünstelte Aufzählung für den Artenschutz mit einer knallgelb fluoreszierenden Horror-Biene bebildert wurde. Zusammen mit einem anderen Plakat aus dem Themenfeld Umweltschutz könnte der Eindruck entstehen, dass die Grünen mit viel Haltung und sogar ein wenig Hass der Zivilisation, zu der nun einmal Millionen Allergiker und überzeugte Stadtmenschen gehören, den Krieg erklären wollen. Als vom Pollenflug Gepeinigtem kommt es jedenfalls einer Drohung mit Bio-Waffen gleich, wenn neben einem lila leuchtenden Laubbaum (womöglich eine Birke?!) die Sprüche „1. Umwelt schützen. / 2. Natur atmen!“ stehen. Aber auch ganz unbetroffen gilt: „Natur atmen“ klingt zwar poetisch, aber in Wahrheit wollen die meisten Wähler nicht Natur atmen, sondern saubere Luft.

Mit diesem Beispiel aus der Reihe „Knapp vorbei ist auch daneben“ wären wir zurück beim Fußball, bei Uns Uwe – und dem Wahlkampf-Hashtag, den sich die SPD hat ausdenken lassen. Deren Agentur Butter unternimmt mit #NRWIR den x-ten Versuch, ein – Höhö! – NRWir-Gefühl zwischen Rheinländern und Ostwestfalen zu schaffen, weil sie zufällig zu einem Bundesland zusammengefasst wurden. Dadurch, dass #NRWIR in fetten Lettern unter anderem auf Bildern verwendet wird, die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit ganz normalen Leuten zeigen, führt die Aussage aber noch weiter. Landesregierung und Landesvolk werden zur Einheit zusammengeschweißt.

Subtext: NRWIR regieren gemeinsam. Bei aller Liebe und Überparteilichkeit dieser kleinen Kolumne: Es sind doch SPD und Grüne, die mit ihrer ideologischen Bildungspolitik inklusive  Experimenten wie dem Prinzip „Schreiben wie man spricht“ Deutsch zur ersten Fremdsprache gemacht haben – für Grundschüler, in deren Ahnenreihe seit Jahrhunderten kein Migrant auftaucht. Nun werden mittels eines enervierenden Hashtags auch noch „wir“ nonchalant zu Mittätern erklärt. Netter Versuch, Euch Hannelore. Von wegen #NRWIR – das wart ganz alleine #NRIHR!