Falsche Freunde
AfD-Chefin Frauke Petry biedert sich bei den deutschen Juden an. Mit ihrer Warnung vor „illegaler antisemitischer Migration“ will sie jedoch nur Minderheiten gegeneinander ausspielen. Denn die antisemitischen Horden sind bereits lange im Land.
Mit falschen Freunden ist es so eine Sache. Jeder hat gewiss schon einmal mit ihnen unliebsame Bekanntschaft geschlossen. Und wohl beinahe jeder ist bereits selbst eine falsche Freundschaft eingegangen, etwa um der Pausendresche auf dem Schulhof zu entgehen, sich das Mobbing des fiesen Vorgesetzten zu ersparen – oder weil man sich politisch engagiert hat.
Den unterschiedlichen Motiven der klassischen falschen Freundschaft ist eins stets gemein – derlei Anbahnungen finden diskret und geräuschlos statt. Übertriebene Liebesbezeugungen in Richtung des Zielobjekts fallen nur unangenehm auf. Umso bemerkenswerter, dass AfD-Frontfrau Petry jetzt erneut um die Zuneigung der Juden buhlt, als sei sie nicht Herrin ihrer Hormone – und gleichzeitig wüste Tiraden eines verschmähten Lovers in Richtung der vorgeblich Angebeteten ablässt.
Mehr als eine Idiotie von Idioten
Das wäre alles in zwei, drei Sätzen zu glossieren und abzutun als eine erwartbare Idiotie politischer Idioten – wenn es nicht so infam wäre. Denn Frauke Petry spielt wieder einmal mit dem Feuer, während sie es zu löschen vorgibt. Die AfD sei „einer der wenigen Garanten jüdischen Lebens“ sagt die Chefin der Rechts-Partei im Welt-Interview. Das impliziert im Umkehrschluss, dass die Juden verdammt noch mal gefälligst nicht so undankbar zu sein hätten, sie würden sonst nämlich noch erleben, was sie davon haben, wenn sie die AfD verschmähen. Ganze Bataillone islamistischer Migrantenhorden stehen im Subtext der Petry’schen Diktion andernfalls bereit, die deutsche Judenheit zu meucheln. Diese Angstmacherei (Petry zitiert auch den unbedachten Satz des Zentralsratsvorsitzenden Josef Schuster, der 2015 davor warnte, in gewissen Problemvierteln mit Kippa herumzulaufen) ist das offene Ausspielen von Minderheiten gegeneinander. Hier Juden, dort Muslime – in der Mitte der deutsche Mensch, der Unter- von noch unteren Menschen trennt.
Dass die AfD eine „Schande für Deutschland“ sei, hatte der Chef des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, unlängst gesagt. Recht hat der Mann. Dass Frauke Petry ihn in der Welt maßregelt, und die AfD „auch in Zeiten illegaler antisemitischer Migration nach Deutschland“ als einer der ganz wenigen pro-jüdisch sei, ist zwar unsäglich verschwurbelt und politisch durchsichtig, aber dennoch von widerwärtiger Bosheit. „Illegale antisemitische Migration“ insinuiert den Zusammenbruch der deutschen Gesellschaftsstrukturen durch Barbarenhorden, die unter dem schwarzen Banner des IS unser Idyll niederreißen. Als letztes Bollwerk steht da die AfD – bereit, auch den Juden zu retten; vorerst, und nur, wenn der sich auch kommod verhält.
Die Horden sind bereits im Land
Was Petry verschweigt, ist die Tatsache, dass diese Horden bereits im Land sind, freilich ohne IS-Flaggen, aber dafür bieder getarnt mit unverfänglichen biodeutschen Namen und mit Sitz und Stimme in den unterschiedlichsten parlamentarischen Strukturen: Höcke heißen die und Gauland, von Storch oder Gedeon. Die braungescheckten Buben und Bübinnen der AfD wollen diese Gesellschaft spalten. Sie säen Hass gegen Menschen anderer Herkunft (übrigens auch und gern gegen Juden, wenn man sich unter seinesgleichen wähnt). Sie wollen ein anderes Deutschland, eines mit Lagerstrukturen und einer ungebrochenen Vergangenheit. Sie sind, wie es momentan aussieht, auf dem besten Weg, dabei zu versagen. Und deshalb sollen jetzt, quasi als Volkssturm der AfD, plötzlich die Juden ran. Doch zum Glück scheint es so, dass diesmal das deutsche Judentum auch jenseits von Charlotte Knobloch seine Sinne beisammen hat. Die Grande Dame unserer Demokratie reagierte sofort und sagte über die AfD: „Sie steht für Revisionismus, religionsfeindliche Konzepte, eine völkisch-nationalistische Vision, offen und folgenlos geäußerte rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Thesen, Geschichtsklitterei, Holocaustrelativierung oder gar -leugnung sowie offene Nähe zur Neonaziszene … Sie ist ein Schande für unser Land und für jüdische Menschen nicht wählbar!“
Doch auch der Zentralratschef redet, ungewöhnlich genug, Klartext: „Auf solche angeblichen Garanten jüdischen Lebens können wir gerne verzichten.“ Bleibt nur zu hoffen, dass das auch bis in die Gemeinden vordringt. Denn viele Juden sympathisieren mehr oder minder offen mit den scheinbar einfachen Lösungsangeboten der AfD – aus Angst vor einer tatsächlichen oder vermeintlichen Islamisierung. Dieses Phänomen, dass sich Juden aus Angst vor dem Islamismus geradewegs in die Arme ihrer natürlichen Feinde wie Fidesz in Ungarn oder dem Front National in Frankreich bzw. der Wilders-„Partij voor de Vrijheid“ werfen, ist in einigen unserer Nachbarländer bereits altbekannt. Wir deutschen Juden sollten dringend darauf achten, nicht nach der Brecht’schen Maxime zu verfahren: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“