Nicht jeder Unsinn ist gleich eine Verschwörungstheorie.

Jetzt stehen also auf den Marktplätzen der Republik Demonstranten, die gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen protestieren. So ganz grundsätzlich. Manche hängen sich dabei das Grundgesetzt in XXL-Format um den Hals, weil sie sich um die Verfassung sorgen. Noch mehr sorgen sich jedoch darum, dass Bill Gates, die USA, die Juden oder die Pharmaindustrie zu viel Einfluss bekommen.

Ein Demonstrant in Berlin sprach davon, in den Kaninchenbau gekrochen zu sein und nun zu wissen, was Sache ist. Ein anderer, der vermutlich im selben Bau unterwegs war und dabei noch weiter vordrang, erklärt, dass es heute schlimmer zugeht als während der Nazizeit. Unter Hitler durfte man immerhin noch demonstrieren, das sei heute nicht mehr so, sagt der aufgebrachte Demonstrant und zumindest er scheint das auch wirklich zu glauben.

Catwalk des Irrsinns auf deutschen Marktplätzen

Dass das Kriechen in den Kaninchenbau ein Bild aus Alice im Wunderland ist und die Welt, in die sie dabei vordringt, mit unserem Verstand und unseren Naturgesetzen nicht zu fassen ist und von skurrilen Wesen bevölkert ist, passt dabei ganz gut.

Diese Leute kommen nun also zusammen, filmen sich und werden gefilmt und erreichen damit eine immer größere Öffentlichkeit – vor allem in den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook. Entsprechend groß ist das Entsetzen über diesen täglichen Catwalk an Irrsinn und Paranoia, weswegen auch vehement dagegengehalten wird.

Nicht jede skurrile Meinung ist gleich eine Verschwörungstheorie

Dabei fällt jedoch auf, dass neben der sinnvollen Ablehnung von Verschwörungstheorien zum Teil auch die kritische Betrachtung staatlicher Maßnahmen generell unter Verdacht gerät.

Der Staat hat massiv in die Grundrechte der Bürger eingegriffen, die nicht aus Zufall als Abwehrrechte gegen ihn installiert wurden. Schon deswegen ist jedes Misstrauen berechtigt. Wer sich über Willkür oder Sinnlosigkeit mancher Maßnahmen empört oder bestimmte Entscheidungen in Frage stellt, ist dadurch noch lange kein Kandidat für den Kaninchenbau.

Auch nicht, wenn diese Kritik unfair, polemisch oder überzogen ist. Im Gegenteil wäre es besorgniserregend, wenn die Bürger solche Eingriffe in einem braven Merkelvertrauen einfach hinnehmen würden.  

Es ist nicht Sinn der Sache, als Reaktion auf den Zulauf für die Kaninchenbau-Fraktion staatliche Maßnahmen generell zu verteidigen. Da es auch Maßnahmen gibt, etwa die Maskenpflicht, bei denen der Staat selbst seine Meinung in wenigen Wochen komplett geändert hat, steht eine solche Blankovollmacht-Unterstützung ohnehin schnell in der Gefahr, ins Lächerlich zu kippen.

Es gibt nicht die eine richtige Meinung

Die Welt ist nicht schwarz-weiß und darum kann auch das Vorgehen gegen Corona nie eindeutig richtig oder falsch sein. Die einen Maßnahmen sind sinnvoll, bei anderen wird sich herausstellen, dass sie keinen Effekt zeigten oder sogar kontraproduktiv waren.

Die Herausforderung für alle, die sich Verschwörungstheorien in den Weg stellen, besteht deswegen darin, nicht selbst immer mehr Meinungen auszuschließen, nur weil sie von der eigenen abweichen. Es ist sicherlich nicht sinnvoll, für eine Debattenkultur zu sorgen, in der es zunehmend weniger Graustufen zwischen Merkel und Drosten auf der einen und Hildmann und Naidoo auf der anderen Seite gibt.

Eine solche Reduzierung von Meinungen stärkt immer nur die Extremisten und damit in diesem Fall jene, die die Pandemie für eine Verschwörung halten. Die Stärke einer liberalen Demokratie besteht hingegen darin, dass sie eine möglichste große Zahl an Meinungen zulässt und für sich nicht beansprucht, dass „die da oben“ immer schon genau wissen, was richtig und falsch ist.

Deswegen verschwinden in Deutschland auch keine Kritiker der ergriffenen Maßnahmen, wie es in China oder Russland (einem Sehnsuchtsort vieler Kaninchenbau-Kriecher), der Fall ist. Unter den Augen und dem Schutz der Polizei können Demonstranten in Deutschland behaupten, dass das Grundgesetz nicht mehr gilt, während ihre Demo nur möglich ist, weil das Grundgesetz gilt. Meinungsfreiheit umfasst eben auch das Recht auf logische Fehlschlüsse.

Diktaturen scheitern nicht am Datenschutz

Wir sollten also ruhig weiter streiten und diskutieren, ohne den Gegenüber zu schnell als Verschwörungstheoretiker abzustempeln. Das ist auch nicht nötig. Wenn jemand seinen Kopf in den Kaninchenbau steckt, wird er es einen wissen lassen. Ganz bestimmt. Leider.

…und vielleicht kann ich die Sorgen derer etwas zerstreuen, die glauben, dass die Regierung uns die eingeschränkten Grundrechte nicht mehr wiedergeben wird. Diese Regierung scheitert sogar daran, eine Corona-App zu entwickeln. Aus Datenschutzgründen. Wann sind zuletzt in China Überwachungsmaßnahmen am Datenschutz gescheitert?