Hasso Mansfeld, FDP-Mitglied und Kommunikationsberater, hinterfragte auf Facebook die Behauptung des Umweltministeriums, dass es einen allgemeinen Insektenschwund in Deutschland gäbe. David Harnasch hat mit ihm über seine Skepsis und die Reaktionen gesprochen.

Salonkolumnisten: Das Umweltministerium warnte vor Insektenschwund, Sie gingen der Meldung nach und fanden heraus, dass die Quellenlage gelinde gesagt dürftig ist. Wenn sie als FDPler grüne Themen diskreditieren, dann gehen bei anderen rote Lampen an. Ist das Wahlkampf? Oder Ihnen ein echtes Anliegen?
Hasso Mansfeld: Wahlkampf. Ja. Aber nicht von mir, sondern von Grünen und der SPD. Zudem ist mir das in der Rolle als Publizist aufgefallen und nicht als einfaches Mitglied der FDP. Da wird auf Basis von Kleinststudien ein nationales Horrorszenario verbreitet und niemand aus den Medien prüft das mal.

Der NDR legt nach und bestätigt, dass eine Krefelder Langzeitstudie belege, was Sie in Zweifel ziehen.
Die Langzeitsstudie, von welcher der NDR spricht, sind zwei Untersuchungen innerhalb von 24 Jahren in einem Krefelder Naturschutzgebiet.

Zugegeben, wissenschaftlich nicht sehr belastbar. Aber gibt es Ihrer Meinung nach gar kein Insektensterben in Deutschland?
Das habe ich an keiner Stelle behauptet. Ich habe nur eine Methodenkritik vorgetragen. Es gibt Indizien. Ob es indes ein massives Insektensterben in ganz Deutschland gibt, weiß ich genauso wenig wie alle anderen. Ich weiß nur, dass man nicht von Kleinststudien auf langfristige bundesweite Entwicklungen schließen kann.

Kleinststudien und Stummer Frühling

Das Bundesumweltminsterium gibt doch eine ganze Reihe von Untersuchungen in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag an.
Die Quellen sind die besagten Untersuchungen der Jahre 1989 und 2013 in einem Krefelder  Naturschutzgebiet und eine Abhandlung über bestimmte Wildbienenarten auf der Schwäbischen Alb beziehungsweise einer Isarwiese bei Dinglofing. Die beiden anderen angegebenen Quellen sind ein Vortrag über den „Stummen Frühling“ und ein Beitrag über die Entwicklung der Schmetterlinge in Südostdeutschland innerhalb der letzten 200 Jahre.

Der WDR führt immerhin in seinem Faktencheck zum Insektensterben den Agarreport 2017 an.
Ja. Dort finden Sie auf Seite 12 eine Abhandlung zum Insektensterben in Deutschland. Quelle sind wieder die Krefelder Untersuchungen der Jahre 1989 und 2013. Es ist zum Haareraufen: Eine einzige regionale „Studie“ taucht überall auf und wird verwendet, um sich selber zu belegen. Sowas nennt man selbstreferenziell.

Ohne Verschwörungstheorien bemühen zu wollen: Was steht dahinter? Eine Agenda der Medien? Oder tickt das gemeinsame Milieu der grünen Funktionäre und der Journalisten einfach im Gleichtakt?
Ja. Aber keine Agenda der Medien, sondern eine Agenda der grünen Lobby. Die These ist: Agrarchemische Mittel wie Glyphosat verringern die Vielfalt an Pflanzen. Weniger Pflanzenvielfalt lässt die Insekten sterben.  Es geht also um ein ideologisches Gesamtziel gegen die Art und Weise, wie industrielle Landwirtschaft betrieben wird. Je mehr Menschen es auf der Welt gibt, desto mehr Ressourcen werden verbraucht. Die Rechnung ist einfach: Die grüne Lobby will weniger Menschen haben und mehr Natur. Im Rosseau’schen Sinne also eine regulierte Freiheit. Und zwar so reguliert, wie die das wollen. Das heißt eine Landwirtschaft ohne chemische Hilfsmittel. Unkraut oder – politisch korrekt ausgedrückt – Acker-Beikräuter kann man entweder elegant chemisch „killen“ oder man kann sie umpflügen oder ausreißen. Das ist aber genauso ein Töten dieser Pflanzen. Letzteres wird aber von Ideologen und auch Medien dann gerne romantisiert als Bild einer „ursprünglichen“ Landwirtschaft. Tot ist die Pflanze dann in beiden Varianten. Das Entfernen von Konkurrenzpflanzen auf einem Feld, auf dem eine bestimmte Frucht angebaut wird, ist aber in der Landwirtschaft selber angelegt. Und schon Jesus sagte: „Das Weizenkorn muss sterben, damit es viele Früchte bringt.“

Apodiktische Alltagserfahrungen

Und wie erklären sie sich den Gleichtakt der Medien? Schließlich sprangen ja dutzende Printmedien und hunderte  Onlineportale auf die Nachricht des Insektensterbens an.
Nun. Schließlich war das die offizielle Antwort des Bundesumweltministeriums (BMUB) auf eine parlamentarische Anfrage der grünen Bundestagsfraktion zu einem wichtigen und öffentlichkeitswirksamen Thema. Da besteht auf den ersten Blick kein Grund zum Zweifeln.  Aber auch solche Messergebnisse müssen hinterfragt werden, vor allen wenn Sie auf offenbar auf ein ideologisches Ziel hinauslaufen.  Als Abonnent der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ entdeckte ich vorletztes Wochenende auf deren Titelseite den Artikelhinweis: „Die Zahl der Insekten in Deutschland sinkt.“ Im Wissenschaftsteil stand dann ein zweiseitiger Beitrag über die Arbeit eines Krefelder Insektologenvereins, mit dem Hinweis, dass man deren Forschungsergebnisse nicht auf ganz Deutschland hochrechnen könne. Daraufhin habe ich mir die Datenlage des BUMB angesehen und war einigermaßen entsetzt.

Ich habe die Diskussion am Rande auf Facebook verfolgt und war erstaunt, wie unsachlich Sie dort angegangen wurden. Sie polarisieren ja nicht erst mit dieser Recherche – war das eine neue Qualität oder im Rahmen dessen, was Sie inzwischen gewohnt sind?
Neu ist, dass man sich gar nicht mit meiner Kritik auseinandersetzt, sondern sofort versucht, mich als Person zu diskreditieren. Das geht über Beleidigungen, Spekulationen über meiner Motivation, bis dahin, dass man in Frage stellt, warum so jemand wie ich (FDP-Mitglied, Kommunkationsberater, Selbstständiger)  überhaupt einen Kommentar schreiben darf. Was ich bislang auch noch nicht so erlebt habe ist die gebetsmühlenartige Argumentation mit apodiktischer Alltagserfahrung: „Könne doch jeder an seiner sauberen Windschutzscheibe sehen, dass es weniger Insekten gibt.“

Ebenfalls beeindruckend ist die Bereitschaft vieler Menschen, einem Kontrahenten von allen möglichen stets das moralisch verwerflichste Motiv für dessen Haltung zu unterstellen, um sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung nicht stellen zu müssen. Wie lautet Ihr Rat als Kommunikationsprofi für den Umgang mit solchen Diskutanten?
Unsachlichen Kommentatoren sollte man nicht antworten. Der Diskurs hat nur mit denen Sinn, die überhaupt an einem ernsthaften Austausch interessiert sind. Da genau liegt das Problem: An einem Ergebnis, das womöglich gar nicht der ersten Vermutung entspricht, haben Ideologen doch gar kein Interesse. Also wird derjenige schlecht gemacht, der Schwächen in der Methodik aufdeckt. Ich halte es indes für wichtig, dass man einen durchgängigen Standard für die Analyse der Probleme unserer Welt einhält. Schließlich werden auf Basis der dadurch gewonnen Erkenntnisse, das Leben aller betreffende, politischen Entscheidungen getroffen. Was den Klimawandel anbelangt, wird der ja auch nicht damit widerlegt, dass an einem Standort in Deutschland zwei Messungen in 24 Jahren ergeben haben,  dass die Temperatur niedriger war als üblich.