Wenn es um die Verurteilung von Antisemitismus geht, ist Berlins Regierender Bürgermeister Müller vorn dabei. Was seine warmen Worte wert sind, zeigt indes die Besetzung des Beirats im neuen Islam-Institut der Humboldt-Universität: Nichts.

„Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“ oder „Zionisten ins Gas!“ – das sind die Parolen, die auf der jährlichen Al-Quds-Demo in Berlin skandiert werden, einer Veranstaltung, auf der regelmäßig die Vernichtung Israels gefordert wird. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller reagierte vergangenes Jahr bestürzt auf den antisemitischen Aufmarsch, den er am liebsten gleich ganz verboten hätte: „Das sind Methoden wie aus der Nazizeit“, sagte er. Auch der BDS-Bewegung wollte Müller keine Räume und kein Geld mehr zur Verfügung stellen.

Auch nach der antisemitischen Gürtelattacke in Prenzlauer Berg zeigte sich Müller empört: „Berlin ist die Stadt der Freiheit“. Und: „Für diese Freiheit streitet die Berliner Politik täglich, indem wir uns klar positionieren, aufklären und uns Antisemitismus, Rassismus und Hass aktiv entgegenstellen.“ Und auch nach dem antisemitischen Vorfall an einer Grundschule in Tempelhof forderte der SPD-Politiker, sich entschieden gegen Antisemitismus zu stellen: „Dafür müssen alle genau hingucken und hinhören, die Sensibilität jedes einzelnen von uns ist gefordert, um so etwas zu verhindern“, erklärte Müller damals dem Tagesspiegel.

Doch wie ernst ist es dem Wissenschaftssenator, der Müller in Personalunion auch noch ist, mit der eigens propagierten „Sensibilität“ für Antisemitismus? Nicht immer ernst genug – zu diesem Schluss kann man kommen. Etwa wenn man sich die Errichtung des Islam-Instituts an der Humboldt-Universität ansieht: Der Berliner Senat segnete dessen wissenschaftlichen Beirat vor zwei Wochen ab, obwohl er sich aus erzkonservativen Verbänden und Akteuren zusammensetzt, die hingebungsvoll die Grenzen zum Antisemitismus austesten. Dennoch soll der Beirat des Instituts ab dem kommenden Wintersemester über die Berufung von Professuren und Lehrpersonal entscheiden dürfen – also darüber, wer die zukünftigen Imame und islamischen Religionslehrer in Berlin ausbildet.

Ein Beirat zum Verlieben

Einen Sitz im Beirat hat zum Beispiel die „Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e.V.“ (IGS), die nicht nur jährlich auf dem Al-Quds-Marsch mitmarschiert, sondern auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die IGS ist ein schiitischer Dachverband, dem das ebenfalls beobachtete „Islamischen Zentrum Hamburg“ (IZH) angehört, das direkte Verbindungen zum iranischen Mullahregime unterhalten soll. Die Bundesregierung stufte vor kurzem das IZH als „wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland und einer ihrer wichtigsten Propagandazentren“ ein. Islamistische Einrichtungen wie das IZH stünden damit für eine Werteordnung, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sei.

Der Kontakt der IGS zum iranischen Regime existiert jedoch nicht nur als Querverbindung über das IZH. Laut Bundesregierung gibt es Anhaltspunkte, dass die IGS selbst aus extremistischen Vereinen besteht, die im „Bezug zum IZH und/oder der islamistisch-terroristischen „Hizb Allah“ stehen“. Die „Hizb Allah“ ist auch als „Hisbollah“ bekannt. Eine Terrororganisation also, die in Israel, im Libanon, in Europa und den USA den Tod von hunderten Zivilisten durch Selbstmordattentate und andere Anschläge zu verantworten hat.

„Stinkende Atheisten“ im „gottlosen Westen“

Doch damit nicht genug. Auch der zweite Islamverband des Beirats, die „Islamische Föderation Berlin“ (IFB), wird nach Informationen der Bundesregierung vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Jahr 2005 etwa soll ein Kreuzberger Imam des IFB den Märtyrertod von Terroristen verherrlicht haben und Nicht-Muslime in Deutschland als „stinkende Atheisten“ beschimpft haben. Erst nachdem Medien über den Fall berichtet hatten, distanzierte sich der Verband von dem Prediger. Derartige extremistische Aussagen scheinen jedoch nicht zufällig innerhalb der IFB gefallen zu sein, ist sie doch ein Dachverband der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG).

Über diese konstatierte das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem Papier aus dem Jahr 2016: „Die Juden – so die Millî-Görüş-Ideologie – würden den ,gottlosen Westen‘ und den größten Teil der Welt beherrschen. Sie seien hinter den Kulissen agierende Führer der herrschenden unislamischen, tyrannischen und ,nichtigen‘ Ordnung und damit ewige Gegner des Islam.“ Das IGMG gilt als Propaganda-Zentrum von Erdogans AKP-Partei.

Kein Platz für Antisemiten…

Und auch der der dritte Platz im HU-Beirat ist für einen umstrittenen Islam-Verband reserviert: den „Zentralrat der Muslime“. All diese erzkonservativen (bisweilen sogar extremistischen) Verbindungen innerhalb der islamischen Verbände sind nicht nur für den Berliner Senat, sondern auch für jeden normalen Menschen mit einem Internetzugang einsehbar. Auch über die judenfeindliche Hetze der IGS wusste der Senat Bescheid und versicherte dem „Tagesspiegel“ Mitte vorvergangener Woche, „dass man im Institutsbeirat niemanden dulden werde, der sich israelfeindlich, gar antisemitisch geäußert habe.“ Die Äußerungen der potenziellen Beiräte sollten außerdem „bei Auftritten, in Schriften, im Internet“ überprüft werden, heißt es dort weiter.

Allzu gründlich scheinen die Recherchen des Senats nicht gewesen zu sein. Denn zwei Tage später wurde der Beirat dennoch abgesegnet. Allerdings mit einer fragwürdigen Begründung: Es sei selbstverständlich, so die „Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung“, dass „keine Personen bestellt werden, von denen bekannt ist, dass sie in der Vergangenheit beispielsweise durch Positionierungen hervorgetreten sind, die mit dem Grundgesetz und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind“. 

…außer im Beirat

Mit diesem Statement legitimiert der Berliner Senat nicht nur die extremistischen Verbände, sondern stärkt ihnen auch argumentativ den Rücken. Nach dem Motto: Nur, weil einige in der IGS es mit der antisemitischen Hisbollah halten mögen, muss man deswegen nicht den ganzen Verband ablehnen. Es ist absurd, dass die Vertreter von Bund und Ländern permanent den muslimischen Extremismus und Antisemitismus in Deutschland verurteilen – und sich dabei auf die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ berufen – aber gleichzeitig Verbände in ein wissenschaftliches Institut holen, die direkte Verbindungen zu Terrorgruppen wie der Hisbollah pflegen.

Vergangenes Jahr musste ein jüdischer Jugendlicher eine Gemeinschaftsschule in Friedenau verlassen, weil er monatelang von arabisch- und türkischstämmigen Mitschülern beleidigt und verprügelt wurde. Ein paar Monate später wurde ein 18-jähriger Schüler an der Ernst-Reuter-Schule in Berlin-Gesundbrunnen von seiner arabischen Klassenkollegin beschimpft. „Wallah, Hitler war gut! Denn er hat die Juden umgebracht! Er war ein guter Mann!“, soll das Mädchen gesagt haben. Andere Schüler riefen dem jüdischen Abiturienten zu: „Ihr seid Kindermörder.“ Und: „Euch sollte man die Köpfe abschneiden.“

Mit der Besetzung des Institutsbeirats zeigt sich nun, dass all diese Fälle nicht verstanden wurden. Der Beirat wird zukünftig über die Ausbildung der Imame und islamischen Religionslehrer an deutschen Schulen entscheiden.