Vor wenigen Tagen räkelten sich dutzende Tänzer unbekleidet auf einem Wiener Baugerüst. Unsere Gastautorin Elisabeth Hewson lebt dort und hat noch ein paar weitere Vorschläge für exhibitionistische Darbietungen in der österreichischen Hauptstadt.

Heute schon so ordentlich nackt gewesen? Oder wenigstens ein bisschen Nacktes betrachtet? Nun ja, wir alle sind immer wieder nackt, und das ist auch nichts besonders Ungewöhnliches, jeder wohl unter seiner Kleidung. Aber da wird sich doch wohl noch ein bisschen mehr herausholen lassen aus dieser Allgemeinsituation des zeitweise Hüllenlosen?

Zum Beispiel im Theater. Da setzt man nackte Shakespeare-Könige auf Throne, vielleicht ein bisschen mit Farbe beschmiert, und schon hat man einen kleinen Skandal und ein paar Zuschauer mehr: „Ich habe Tobias Moretti nackt gesehen!“ Man lässt wehrlose Schauspieler nackt aus dem Unterboden auftauchen, hängt sie irgendwo hin, nimmt sie gerne als Deko her. Oder lässt einen Überzeugungsnackten (hieß das nicht früher Exhibitionist?) in egal welchem Stück auf das Publikum los, auf dass er sich auf der Bühne räkele und rolle, und mit Lehm oder noch Unappetitlicherem beschmiere (Name der Redaktion bekannt). Mit der Zeit langweilig, aber das macht nichts, nackt ist shocking, und aus.

Und zieht Leute an.

Hunderte waren es angeblich, hinter der Secession in Wien, die sehen durften, wie dutzende Tänzer sich auf einem Baugerüst tummelten, nackt, zu dumpfen Rhythmen. Ei, wie da die Pimmel baumelten und die Brüste hüpften, die Pos wackelten und die Bäuche zitterten. Eine Auftragsarbeit für eine Choreographin, die bereits zwei Jahre zuvor Schwärme von Nackten sich um Bäume winden und im Gras stolzieren ließ – zur Freude manch hämischen Wieners (Groß ist der auch nicht). Was fällt so einer Dame ein, wenn sie das für Renovierungsarbeiten eingerüstete Gebäude mit einer verlockenden Wiese davor bespielen soll, als Auftragsarbeit? Etwa Folgendes: „Das Gerüst hat mich an ein Knochengerüst erinnert. Und da muss Fleisch drauf.“ Und was ist Fleisch? Nackt natürlich.

Und dazu: Kreisler

Pressetext:  Die „Seismic Sessions“ sollen in einem „visuellen, akustischen und fleischlichen Setting“ eine „Choreografie des Aufbauens, Verschmelzens und parasitären Bewohnens der Außenhaut des Jugendstilgebäudes“ darbieten.

Leider habe ich dieses Fleischspektakel versäumt. Auf Video-Clips ist ein wenig davon nachzuholen. Aber ich bin sicher, auch weiterhin mit solchen Performances, die mein viel zu bekleidetes Leben bereichern werden, rechnen zu können. Mein Vorschlag für die nächsten Auftragsarbeiten an  die „erfolgreiche österreichische Tänzerin, Choreografin und Dozentin Doris Uhlich“:

  • Der naheliegende Naschmarkt ist auch sonst naheliegend, das dort meist angebotene Gemüse schreit ja geradezu nach Fleisch als Beilage: nackte Tänzer plus –innen belegen sich mit Gemüse, wälzen sich in Sauerkraut, stecken sich Passendes in Körperöffnungen.
  • Die Nacktbadestrände der Lobau werden konterkariert: angezogene Tänzer-innen verhüllen die FKKler und wälzen sie in Wiese und Wasser.
  • Der Flakturm im Esterhazypark, der das „Haus des Meeres“ in sich birgt, zwingt zur Assoziation mit Fleisch (Nicht Fleisch, nicht Fisch): Schon Fisch, schon Fleisch. Daher: nacktes Fleisch in Form von TänzerInnnen windet sich in Schwimmbewegungen über den Glasanbau.
  • Fleischmarkt (eine Wiener Gasse) – abgelehnt, zu offensichtlich

Dazu empfehle ich Georg Kreislers: „Wenn die Weiber nackt sind“, oder die „…tausend nackte Weiber auf dem Männerpissoir“-Version von „Funiculi, funicula“.

Und ich entschuldige mich für mein spießiges Nicht-schockiert-sein beim Anblick von Nackten.

Unsere Gastautorin Elisabeth Hewson wechselte nach längerer Werbekarriere als Texterin und Creativ-Direktorin zur Gegenseite über und brachte ein Konsumentenmagazin heraus, nebenbei schrieb sie als Intendantin der Wiener Kinderoper im Konzerthaus Musical-Libretti. Sie lebte in London und im (für Wiener höchst ungemütlichen) Tirol, arbeitete dort für den ORF, nach Wien zurückgekehrt als freie Reisejournalistin für einige Österreichische Tageszeitungen. Auch etliche Bücher sind erschienen, querbeet von Gesundheits- und Kulinarik- bis Kulturthemen. Das aktuellste ist das „Bio Ketzer Buch“. Sie ist Mitglied bei den „Skeptikern“ und unterstützt sie beim Kampf gegen Humbug, von Homöopathie bis Rudolf Steiner.