Die Security am israelischen Flughafen Ben Gurion gilt unter Experten als die weltweit sicherste und effizienteste. Die Mitarbeiter berücksichtigen auch ethnische Merkmale – und das ist auch für jeden Mohamad und jede Aische ein Segen.

Neben vielen, vielen anderen, den Kontext definierenden Faktoren berücksichtigt die weltbeste Security am „Natbag“, wie die Israelis ihren Flughafen umgangssprachlich abkürzen, auch den Phänotyp und die Religionszugehörigkeit. Dass diese Art des Profiling eine „racial“ Komponente hat, ließe sich also nur unter erheblicher Haarspalterei abstreiten. Dennoch ist es für Fluggäste aller Ethnien sinnvoll und komfortsteigernd – denn es ist bis ins Detail durchdacht und perfektioniert.

Ich kenne die Sicherheitsprozeduren am Flughafen Tel Aviv ausschließlich aus Sicht des Fluggastes, und habe als solcher bei etwa zwei Dutzend Aufenthalten im Land von der Diplomaten-VIP-Behandlung bis zum Strip-Search alle Abstufungen am eigenen Leib erlebt. Und ich bin ein Fan, denn ich konnte stets nachvollziehen, warum ich wie behandelt wurde – und wieso alle Fluggäste, auch jene in der Unterhose beim Strip Search, deshalb so wenig Zeit und Komfort wie irgend nötig verlieren.

Würde jeder Sicherheitsmitarbeiter alle relevanten Informationen über mich erfragen (was nie der Fall ist, weil die konkrete Situation eben sinnvollerweise zu jeweils anderen Fragen führt), dann lautete die Zusammenfassung: David Harnasch war seit 2007 etwa 20 Mal in Israel. Er lebt seit einigen Jahren mit einer jüdischen Israelin in Deutschland. Er ist selbst kein Jude und hat keinerlei jüdischen familiären Hintergrund. Eine andere langjährige Freundin arbeitete am Flughafen Tel Aviv und wurde daher den strengsten israelischen Hintergrunduntersuchungen unterzogen. Er besitzt zwei deutsche Reisepässe, weil Länder wie der Libanon, den er auch gelegentlich bereist, ihn mit dem alten Israel-Visum im Pass nicht einreisen ließen. Er war in den letzten Jahren im Libanon, in der Türkei und in Marokko. Er ist im wehrfähigen Alter und also potentieller Spion. Er arbeitet als Journalist und wird dabei von der israelischen Botschaft in Berlin als derart wohlgesonnen eingeschätzt, dass er seit Jahren zur Feier des Nationalfeiertags eingeladen wird, gleichwohl bereist er Israel stets ohne Akkreditierung. Er arbeitet außerdem unter anderem für die Friedrich-Naumann-Stiftung, die in Israel und den Autonomiegebieten liberale Anliegen und NGOs unterstützt. Er packt sein Gepäck stets selbst und führt es permanent mit sich.

Ich überlasse es dem gesunden Menschenverstand des Lesers, mich nun je nach Situation nahe einer der sieben Kategorien einzuteilen, die beginnen bei „Keinerlei Kontrolle, Pass wird am Diplomatenschalter gestempelt“ und die enden mit „In der Unterhose in einer Umkleidekabine stehen, während der Körper mit einem Tuch abgewischt wird, das im Ionen-Mobilitäts-Spektrometer auf Sprengstoffreste analysiert wird“.

1. Ich reise alleine, werde von meiner Freundin aber bis zur Sicherheitskontrolle begleitet, wo sie mit dem Beamten spricht.
2. Ich reise alleine und das Ionen-Mobilitäts-Spektrometer lieferte ein (falsch-, aber das kann man ja zu dem Zeitpunkt nicht wissen) positives Ergebnis bei meinem Handgepäck.
3. Ich reise alleine, aber meine Bekannte, die am Airport arbeitet, hat grade eine halbe Stunde Pause und also Zeit, mich durch die Security zu begleiten.
4. Ich reise mit meiner Freundin.
5. Ich reise alleine mit beiden Reisepässen und plane, über Amman nach Beirut weiterzufliegen.
6. Ich reise mit meiner Freundin, widerspreche aber ihren Aussagen in der Befragung geringfügig.
7. Ich reise mit meiner Freundin, hatte aber ausnahmsweise unser Gepäck eine halbe Stunde lang im Hotel gelagert.

Die – rassistische – Tatsache, dass ich nichtjüdischer Deutscher bin, spielt selbstverständlich für die situative Einschätzung meines Gefährdungspotentials eine Rolle. Und das ist kein Problem. Denn es gibt zwei Alternativen zu diesem aus Fluggastsicht intransparenten Vorgehen:

1. Die unsichere, die die allermeisten europäischen Flughäfen anwenden. Natürlich muss man einen Labello und ein Nasenspray NICHT in einen gemeinsamen, irgendwie magischen Plastikbeutel packen, sondern kann sie lose in die Plastikwanne schmeißen. Obwohl die EU-Regel das ausschließt. Denn diese Regel ist evident Bullshit. Blöderweise sind das dieselben Flughäfen, in denen ich eine (aus rein journalistischem Interesse mitgeführte) gigantische Nagelfeile im Handgepäck durchgewinkt bekomme. Das Ding könnte ein Messer sein und ging in Tel Aviv bisher NIE durch.

2. Die sichere, die ich gestern in Manchaster erstmalig durchleiden musste. Noch nie erlebte ich eine derart konsequente Anwendung der existierenden europäischen Regeln. (Seitdem habe ich eine ganz neue Erklärung für die unsägliche Brexit-Entscheidung.) Und der betriebene Aufwand lässt vermuten, dass der Besitzer der ausführenden Sicherheitsfirma gigantische Bestechungszahlungen gute Lobbyarbeit geleistet hat, um auf Kosten der Flugreisenden ein Vermögen zu machen.

Es ist gewiss total fair, dass von den acht Düsseldorfer Kegelbrüdern jenseits der Fünfzig vier wegen irgendwelcher Lächerlichkeiten ihr Handgepäck erst manuell ausgeräumt und dann doppelt geröntgt bekamen. Es ist total regelkonform und gerecht, dass eine Fünfjährige zusehen muss, wie ihre geliebte Schneekugel im Müll landet (ich denke mir das nicht aus!), weil das Flüssigkeitsvolumen über 100 Millilitern liegt. Und dass mir das, ähm, Privileg der Doppelprüfung ebenfalls aus obskuren Gründen zuteil wurde. Das war zwar individuell nervig, kostete mich aber nur zwei Bier in der Lounge und die Betreiber der Flughafenshops nur wenige hunderttausend Euro Umsatz täglich. Es kostet bei 63.000 Passagieren und durchschnittlich 15 Minuten zusätzlicher Abfertigungszeit kumuliert zwei Jahre vergeudete Lebenszeit täglich oder knapp ein vergeudetes Menschenleben im Monat. Es kostete aber auch andere, zu deren vermeintlichen Vorteil dieses Theater veranstaltet wurde, fast ihren Flug: Ein Pakistaner musste bis an den Rand eines Polizeieinsatzes eskalieren, damit sein Handgepäck (begraben unter z.B. meinem zum zweiten Röntgen-Durchgang) nach über einer Stunde endlich zweitmalig gescannt wird, damit er rechtzeitig zum Gate kommt. In Israel wäre er unter anderem aufgrund seiner Herkunft und Ethnie eine halbe Stunde lang sachlich und höflich befragt worden – und hätte seinen Flieger ganz ohne Schreierei komfortabel erreicht.