Morgen wird in Niedersachsen gewählt. Ein zentrales Thema im Wahlkampf: die Schulpolitik.

Bildung ist Ländersache – und damit auch traditionell ein Thema im Landtagswahlkampf. In Niedersachsen hat die CDU das Kultusministerium als Schwachpunkt der Rot-Grünen Regierung ausgemacht. Ministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) steht wegen mangelhafter Unterrichtsversorgung in der Kritik. Bei einer Quote von 98,9 Prozent, der niedrigsten seit vielen Jahren, fallen immer wieder Unterrichtsstunden aus.

Die Ministerin macht vor allem den erhöhten Stundenbedarf durch Sprachförderung, durch die Inklusion behinderter Kinder sowie mehr Lehrerstunden im Ganztag dafür verantwortlich. Es gebe einfach nicht genügend Lehrer auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings hat sie auch mit den bereits eingestellten einigen Stress. Gymnasiallehrer wehrten sich erfolgreich gegen den Versuch, ihre Arbeitszeit um eine Stunde anzuheben. Nun ziehen auch Grundschullehrer wegen zu vieler Überstunden vor Gericht.

Diesen Problemen hält die SPD Erfolge wie den Ausbau der Ganztagsbetreuung (mehr als zwei Drittel der Schulen des Landes bieten dies an) und die Abschaffung des „Turbo-Abiturs“ entgegen. „Herr Althusmann hat es eingeführt, ich habe es abgeschafft“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Freitag auf dem Braunschweiger Schlossplatz in Richtung seines Herausforderers von der CDU, der von 2010 bis 2013 Kultusminister in Niedersachsen war.

An 220 Schulen fehlt der Schulleiter

Ein Dauerbrenner sind Schulleitervakanzen. Im Juli 2017 erklärte die Landesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von drei Abgeordneten der CDU, dass 179 Schulen zurzeit keine Leiter haben. Die Bilanz der Regierung bei diesem Problem ist keinesfalls gut. Die Zahl vor allem von Grundschulen ohne Leitung steigt kontinuierlich. Auf Anfrage teilte das Ministerium nun mit, dass mittlerweile 220 Schulleiterstellen vakant seien. „Darunter sind allerdings auch auslaufende Schulen, an denen die Stellen nicht mehr ausgeschrieben werden“, betont ein Sprecher des Ministeriums.

Im Bereich der Schulbehörde Osnabrück haben 17 Schulen eine unbesetzte Leitungsstelle nun schon mehr als zehn Mal ausgeschrieben. Spitzenreiter ist die Grundschule Amelgatzen in Emmerthal, das zur Schulbehörde Hannover gehört. Hier konnte auch nach 27 Ausschreibungen kein Schulleiter gefunden werden.

Die CDU hat das Thema im Wahlkampf für sich entdeckt. In ihrem Wahlprogramm übernehmen die Konservativen einen Großteil der Forderungen des Schulleitungsverbands Niedersachsen. Dazu zählt die Einstufung von Schulleitern kleiner Grundschulen in die Besoldungsgruppe A13 und solcher größerer Schulverbünde in die Gruppe A14. Bisher erhalten Grundschulleiter lediglich einen Aufschlag von rund 150 Euro auf ihr A12-Gehalt. Zwischen A12 und A13 beträgt der Unterschied beim Einstiegsgehalt gut 400 Euro. Für A14 sind es noch einmal 200 Euro mehr. Im Wahlkampf hatte die CDU außerdem eine sofortige Prämie von 250 Euro in den ersten fünf Jahren gefordert.

Kultusministerin Heiligenstadt verspricht immerhin, sich dafür einsetzen zu wollen, dass künftig alle Schulleiter mindestens nach Gruppe A13 bezahlt werden. Eine Arbeitsgruppe solle außerdem ermitteln, wie die Attraktivität von Schulleiterstellen, insbesondere bei Grundschulen im ländlichen Raum, zu steigern ist. Denn dort seien die Vakanzen besonders schwer zu beheben.

Darüber hinaus wollen CDU, SPD, FDP, Linke und AfD dafür sorgen, dass die Arbeitsbelastung von Schulleitern sinkt, zum Beispiel indem ihnen Aufgaben der Personalverwaltung durch die Schulbehörde abgenommen wird. Der Schulleiterverband fordert darüber hinaus, die Unterrichtszeit zu reduzieren. Nicht mehr als zwei Stunden solle ein Schulleiter täglich vor der Klasse stehen. So konkret wird allerdings keine Partei in ihrem Programm.

Grüne Schulpolitik: Gesamtschule, Tierschutz und Bio-Essen

Die Grünen machen keine Aussagen zu diesem Problem. Das Programm der Öko-Partei enthält vor allem einige allgemeine Aussagen zur Bildungsgerechtigkeit. „Eine gute Schule ist eine Ganztagsschule, die längeres gemeinsames Lernen ermöglicht“, steht da. Die Partei kritisiert das gegliederte Schulsystem in Deutschland als ungerecht, da es kaum durchlässig sei. Sie will jahrgangsübergreifendes Lernen ausbauen und das Einschulungsalter wieder anheben.

Darüber hinaus soll gesunde Ernährung Einzug in die Schulen finden, unter anderem durch eine warme Mahlzeit mit „gesunden, regionalen, saisonalen Komponenten mit möglichst hohem Bio-Anteil“. Eine eigene Überschrift bekommt sogar die Forderung nach „Tierschutz als Bildungsauftrag“. Was genau damit gemeint ist, wird im Programm allerdings nicht ausgeführt, nur dass man Tierschutz „verstärkt in pädagogische Konzepte einbinden“ wolle. Die Pressesprecherin der Grünen, Heike Köhn, schreibt dazu auf Anfrage: „Wir sprechen uns in unserem Programm dafür aus, den Umgang mit Tieren und den Tierschutz als Teil allgemeiner Sozialkompetenz stärker im Unterricht zu berücksichtigen. Damit wird eine Zielvorstellung beschrieben, deren konkrete Umsetzung in den Schulen dem Landtag, der Landesregierung und den Schulen selbst obliegt.“

Eine weitere Forderung der Grünen ist es, das Sitzenbleiben als „individuelle Erfahrung des Misserfolgs“ abzuschaffen. Gegen genau solche Überzeugungen wendet sich das Wahlprogramm der AfD. Während die anderen Parteien teils sehr ähnliche Ideen verfolgen wie die Abschaffung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern, den Ausbau von Ganztagsschulen und eine Erhöhung der Unterrichtsversorgung, ergänzt um ein paar knackige Schlagworte wie bei der FDP mit ihrer Forderung nach der „weltbesten Bildung“ (die im Wahlprogramm der Liberalen übrigens ganz oben steht) und der Vermittlung von Wirtschaftskompetenz, geht es der AfD ums Grundsätzliche.

AfD will Fleiß und Disziplin an den Schulen

Die Partei erklärt „pädagogischen Modetrends“ eine Absage und setzt stattdessen auf Zucht und Ordnung. Ideologisierte Ideen zu sexueller Vielfalt und Gender Mainstreaming gehörten nicht in die Schule, die Inklusion von Behinderten nach dem gültigen Schulgesetz von 2012 wird als „radikal“ abgelehnt. Stattdessen wird eine „Inklusion mit Augenmaß“ gefordert.

In der Schule solle es um die Vermittlung von Fachkenntnissen gehen. Die AfD betont verbindliche Lernziele und das Leistungsprinzip: „Das erfolgreiche Ergebnis stellt Leistung im schulischen Sinne dar, der reine Versuch nicht.“ Gesamtschulen würden diesem Leistungsanspruch nicht gerecht.

Schule sei kein „Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Probleme“ und kein Ort, um „weltfremde Blütenträume selbsternannter gesellschaftlicher ‚Eliten‘ zu erproben“. Ganztagsschulen seien außerdem kein Mittel, das sozialen Aufstieg ermögliche.

Darüber hinaus fordert die AfD, die Schullaufbahnempfehlung wieder einzuführen und lehnt das Konzept „Eine Schule für alle“ ab, weil es leistungsstarke Schüler zu Privatschulen treibe. „Als Folge wird der Aufstieg durch Leistung zurückgedrängt zugunsten des ‚Aufstiegs durch den Geldbeutel‘“, heißt es im Programm. „Höflichkeit, Fleiß und Disziplin“ sind weitere schulischen Leitwerte, die die Partei propagiert.

Alles in allem bietet die Schulpolitik jede Menge Reibungspunkte und damit den Parteien eine Gelegenheit, sich zu profilieren. Vor allem die Vorstellungen von Grünen und AfD könnten unterschiedlicher kaum sein. SPD und CDU liegen zwar relativ nah beieinander, aber die CDU grenzt sich immerhin ab in ihrer Forderung nach einer Gleichbehandlung aller Schulen – ohne Bevorzugung der Gesamtschule. Die FDP hat Bildung zur obersten Priorität erklärt, bekennt sich „klar zum mehrgliedrigen Schulsystem“ und gibt eine Unterrichtsgarantie. Wie die AfD betont sie den Leistungsgedanken und setzt zudem auf die systematische Förderung begabter Schüler.

Nur die Linke versteckt ihre Aussagen zur Bildungspolitik ziemlich weit hinten im Programm. Sie will „Stress aus dem Schulalltag“ entfernen und durch Ganztagsbetreuung Hausaufgaben überflüssig machen. Das Leitbild der Partei ist die integrierte Gesamtschule. Das gegliederte Schulsystem müsse „überwunden“ werden.

Wer seine Wahl noch nicht getroffen hat, findet in den Aussagen der Parteien zur Schulpolitik ja vielleicht noch eine Entscheidungshilfe. Hier die Wahlprogramme der SPD, CDU, Grünen, FDP, Linken und der AfD.