Wenn wir das Land retten wollen, müssen wir zusammenhalten. Vor allem: unsere Wörter.

Der Damm ist gebrochen. Wie genau es passiert ist, warum, wann – unbekannt. Selbst die gängigen Verschwörungstheorien laufen ins Leere, denn in diesem Fall sind die üblichen Verdächtigen – Amerikaner, Juden, Illuminaten, Nafris – außen vor. Vielleicht war es ein Freimaurer, höhö, mit seinem Werkzeug? Ok, das ist ein sehr müder Kalauer, ich gebe es zu. Vermutlich war es, wie so oft, ein Ermüdungsbruch, hervorgerufen durch mangelnde Wartung und Pflege.

Jedenfalls ist der Damm gebrochen, der Damm aus Regeln, der das Land der Rechtschreibenden vor dem Untergang schützen sollte. Durch den Bruch ist eine Flut aus Bindestrichen gestürzt, die schließlich zu dem Schlamm wurde, der Grund und Boden regelrecht kontaminiert hat: Das Deppenleerzeichen. Dieses verlorene Land der Rechtschreibenden, Sie ahnen es, ist unsere kleine Scholle.

Und so wie in jedem Katastrophenfilm im Kino gilt auch hier: Wenn wir das Land retten wollen, müssen wir zusammenhalten. Vor allem: unsere Wörter. „Die Zusammensetzung zweier Substantive zu einem neuen Wort mit einer eigenen Bedeutung ist ein besonderes Kennzeichen der deutschen Sprache“, schreibt duden.de. Diesem besonderen Kennzeichen verdanken wir so schöne Wörter wie Schifffahrtsmuseum oder Baumkuchenkonfekt. Es hat, so ehrlich muss man sein, dem Deutschen aber nicht nur gut getan. In Verbindung mit dem Wüten der deutschen Bürokratie sind beim Aneinanderschrauben von Substantiven auch einige Wortungeheuer entstanden. Viel zitiert als angeblich längstes deutsches Wort ist die Ver­mö­gens­zu­ord­nungs­zu­stän­dig­keits­über­tra­gungs­ver­ord­nung.

Dass sich viele schreibende Menschen nach dem Dammbruch angewöhnt haben, zusammengesetzte Hauptwörter durch Bindestriche zu trennen, könnte man daher wohlwollend als Notwehrexzess interpretieren. Notwehr gegen solche Wörter, die ein schöpfungsübliches Menschengehirn eh nicht mehr erfassen kann. Weniger wohlwollend interpretiert: Ihnen ist durch den Damm-Bruch jeder Sinn für die Funktion von Wörtern abhanden gekommen. Wortungeheuer wurden jedenfalls nur wenige ertränkt in dieser Flut, dafür aber sehr viele unschuldige Wörter, die nichts weiter verbrochen hatten, als sich mit anderen Wörtern zu etwas Neuem zu verbinden.

Zusammenschreiben, was zusammengehört

Bevor jetzt wieder jemand mit der Grammatiknazikeule kommt: Ja, es kann durchaus sinnvoll sein und ist auch erlaubt, zusammengesetzte Substantive durch Bindestriche zu entzerren, wenn sie dadurch spürbar lesbarer werden. Man darf einen Bundestagswahlkampfmanager durchaus Bundestagswahlkampf-Manager schreiben. Wenn zu viele Hauptwörter aufeinanderstoßen, dann kann koppeln Lesen retten. Aber grundsätzlich gilt: Wir müssen gegen den Wortmüll zusammen schreiben und Zusammenschreiben zusammenschreiben.  In ein Bundesligaspiel und einen Jogginganzug, in den Hundebesitzer und die Steuerzahlerin gehören keine Bindestriche.

Aber es kommt noch schlimmer. Während der Jogging-Anzug nur dämlich ist, macht es die nächste Steigerung des Falschschreibens völlig irre. Befeuert von einer allem Anschein nach von Werbetextern ausgehenden Marotte, die international – weil irgendwie englisch – wirken soll, ersetzen ganz normale Menschen unter dem Eindruck von Markennamen und Slogans auf Verpackungen, Anzeigen und Plakaten bei jeder unpassenden Gelegenheit den ohnehin falschen Bindestrich durch ein noch falscheres Leerzeichen. Mit fatalen Folgen. Dass die Statik verloren geht, nachdem man eine tragende Wand weggerissen und durch Luft ersetzt hat, ist jedem klar, wenn es um Häuser geht. Dasselbe gilt für Begriffe. Man begreift sie nicht mehr, wenn man sie zerstückelt.

Beim Jogging-Anzug zeigt der Strich, der zu viel ist, noch eine Verbindung an, wodurch klar wird, dass man diesen Anzug zum Jogging anzieht. Aber bei „Jogging Anzug“ stehen einfach zwei Wörter nebeneinander. So wie bei „Voll Milch“, „Pizza Bringdienst“ oder „Bauern Frühstück“ und unzähligen anderen Beispielen, wie sie unter anderem das Portal deppenleerzeichen.de furchtlos sammelt. Damm Bruch fehlt übrigens noch.

Mal wieder ordentlich durchkoppeln

Statt zusammenzuschreiben, was zusammengehört, herrscht eine bedrückende Bindungsangst im verlorenen Land der Rechtschreibenden. Sie führt dazu, dass unzählige Hauptwörter ihrer Zusammenhänge beraubt werden, einsam durch Power-Point-Präsentationen, Facebook-Postings und sogar Zeitungsseiten ziehen und dabei immer eine Bindestrichlänge Abstand halten müssen.

Nebenbei wird geradezu seuchenartig jeder andere Bindestrich gleich mit vernichtet, der im Deutschen zwingend vorgeschrieben ist. Denn Bindestriche verbinden nicht nur, sie helfen bei Aneinanderreihungen und Abkürzungen. Sie helfen, etwas hervorzuheben, zu ergänzen – und sie trennen. 35-Millimeter-Kanone, b-Moll, ein- und ausparken und Super-Gau verlangen Bindestriche, die, nebenbei bemerkt, laut den Regeln der Typographie halb so lang sind wie der nun folgende Gedankenstrich – und die Irma-la-Douce-Tanzschule gehört gefälligst ordentlich durchgekoppelt. Ja, genau.

All das klingt kompliziert und weit hergeholt, ist aber eigentlich ganz einfach und naheliegend. Zusammengesetzte Substantive sind wie Freunde. Wörter, zwischen denen Bindestriche stehen, können Partner sein, Kollegen – oder Konkurrenten, die sich an die Regeln halten. Wörter, die einfach nur nebeneinander stehen, wollen und sollen für sich sein. Vielleicht sind sie Nachbarn, vielleicht sind sie Fremde oder gar Feinde. Wer nicht unterscheidet, wer Freunde nicht wie Freunde behandelt und fiese Feinde mit harmlosen Konkurrenten verwechselt, der hat ein ernstes Problem. Doch wer in der Lage ist, all dies richtig einzuordnen, mit dem kann man sogar Dämme reparieren.