Berlin bekommt sein Stadtschloss zurück. Gerade wächst es sich vom Rohbau zu einem beinahe majestätischen Gebäude aus, das wie ein Bruder vom Berliner Dom wirkt, der auf der anderen Straßenseite steht. Aber jetzt gibt es Streit um das Schloss. Der Grund ist das, was oben drauf soll: ein Kreuz.

Nun könnte natürlich gefragt werden, warum es diese monarchistische Immobilie fast hundert Jahre nach der Abdankung des letzten Kaisers überhaupt braucht, aber darum soll es hier nicht gehen. Auch nicht um die viel zu wenig gelobte Tatsache, dass Berlin zwar keinen Flughafen bauen kann, aber sehr wohl Stadtschlösser. Da geht es relativ schnell voran und es kann gut sein, dass in Deutschland längst wieder ein König oder Kaiser in diesem Bau residiert, bevor das erste Flugzeug im berlin-brandenburgischen Niemandsland landet.

Aber jetzt gibt es Streit um das Schloss. Der Grund ist das, was oben drauf soll: ein Kreuz. Da es sich um einen Wideraufbau handelt und auf alten Bildern eindeutig ein Kreuz auf der Kuppel zu sehen ist, sollte damit eigentlich jede Debatte erledigt sein. Aber nun kommt vor allem von den Linken und Grünen Protest, denn dieses christliche Symbol würde ausschließen statt willkommen heißen. „Es soll ein öffentliches Gebäude sein, in das sich alle eingeladen fühlen“, erklärt die kulturpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, „aber wie soll ein solcher offener Dialog der Kulturen gelingen, wenn oben auf der Kuppel ein Kreuz schon die Richtung vorgibt? Eine solche Hierarchisierung der Kulturen und Religionen halte ich für absurd.“ Ganz ähnlich klingt die Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus: „Das Humboldt-Forum auf eine Religion zu reduzieren entspricht nicht dem humanistischen Grundgedanken und wäre falsch. Das neue Berliner Stadtschloss soll schließlich dem Austausch aller Kulturen dienen.“

Kreuz ist Folklore

Diese Hypersensibilität gegenüber dem Kreuz wirkt etwas irritierend. Es erinnert an Menschen, die angeblich schwere gesundheitliche Schäden davontragen, wenn sie sich in der Nähe eines Handymastes aufhalten – auch wenn dieser nicht eingeschaltet ist, also die angeblich so belastenden Strahlen nicht vorhanden sind. Das Christentum in Deutschland identifiziert sich mit dem Grundgesetz und stellt diesem keinen Gegenentwurf entgegen – es gibt keine sonntäglichen Hasspredigten gegen Andersgläubige oder Homosexuelle, so wie es diese sehr wohl in einigen muslimischen Freitagspredigten gibt. Das Kreuz ist in Deutschland längst zur kulturellen Folklore geworden, das weder für Mission noch Ausgrenzung steht. Diese reflexhafte Empörung in Teilen der Grünen und Linken, sobald dieses Symbol auftaucht, ist mehr eine Übung in gratismutiger Religionskritik als ein wirklich inhaltlich nachvollziehbarer Einwand.

Wer wirklich den Eindruck hat, ein historisch berechtigtes Kreuz würde für ihn den „Austausch der Kulturen“ (was auch immer das eigentlich ist) unmöglich machen, der kann sich ja anderswo kulturell austauschen – Deutschland ist in dieser Hinsicht gut ausgestattet. Wobei bislang ohnehin kein Betroffener gesagt hat, dass er ganz persönlich eine Beklemmung dabei hätte, im historischen Stadtschoss den „Austausch der Kulturen“ zu fabrizieren, wenn oben drauf ein Kreuz sitzt. Auch ich persönlich gehöre zu den potenziell Betroffenen, da ich kein Christ bin, und verspüre diese Beklemmung nicht. Wie so oft geben Linke und Grünen den Anwalt ohne Mandanten.

Ich kritisiere (u.a.) die christlichen Kirchen selbst oft genug und halte Religionen auch für potenziell gefährlich, weil in ihren heiligen Texten vormoderne Wertvorstellungen lauern, die unter geeigneten Umständen jederzeit wieder in den Vordergrund rücken können. Aber es gibt auch eine Form von Religionskritik, die in ihren einstudierten Beißreflexen genau die autoritäre Haltung und fehlende Toleranz an den Tag legt, die man angeblich an den Religionen kritisiert. Von daher: lasst das Nostalgiekreuz auf dem Nostalgieschloss und seid einfach froh drum, dass Berlin überhaupt mal wieder ein Prestigebauwerk fertig gestellt bekommt.

Hier entlang geht es zur Gegenrede von Hannes Stein