Wo ist eigentlich der mündige Verbraucher geblieben? Der Autoskandal offenbart eine Gesellschaft, die sich mit Nichtigkeiten beschäftigt, aber vor den wirklichen Problemen die Augen verschließt.

Wer in den vergangenen Jahren Nachrichten gelesen hat, weiß: Die Welt entwickelt sich nicht zum Besten. In Syrien sterben Hunderttausende. Die EU verliert eines ihrer wichtigsten Mitglieder. Das Weiße Haus versinkt in Skandalen. Die AfD steht ante portas.

Und, achja, der Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen stimmte nicht immer exakt mit den Herstellerangaben überein. Das finden Sie jetzt gar nicht so schlimm wie den Rest? Willkommen im Klub. Gesamtgesellschaftlich ist dies dann freilich ihr Pech, denn in Deutschland ist das Urteil über die Automobilbranche spätestens mit dem Zulassungsverbot für ein Modell des Schadstoffsünders Porsche endgültig gefallen. Auch die Stuttgarter versinken nun im „Dieselgate“-Strudel. Ihren Kredit haben sie damit hierzulande bei vielen verspielt, denn Bürgerkriege und die Erosion westlicher Werte sind eine Sache – aber ein Porsche, der zu viele Schadstoffe ausstößt, da hört der Spaß auf.

Nun sollte man natürlich der Vollständigkeit halber anmerken, dass die Autobauer mit ihrer Verschleierungstaktik und Kartellbildung klar gegen geltendes Recht verstoßen haben, und zwar in mehreren Ländern. Allein, so nachsichtig, sich nur auf die legalen Aspekte der Sache zu beschränken, ist die öffentliche Meinung nicht. Sie neigt zum Übersprung und zur Panik, setzt wie Edo Reents in der FAZ Autofahren mit Rauchen gleich und fordert, natürlich, mehr Durchgreifen der Politik. Man könnte über solche Einlassungen lachen, wenn ihre Lächerlichkeit sich nicht durch ständige und bierernste öffentliche Wiederholung längst schon totgelaufen hätte. Mit Audi und VW wurde bereits x-fach durchexerziert, wie schlimm und uneinsichtig die Automobilbranche ist, und ob nun Porsche dazukommt oder nicht, macht den Kohl auch nicht mehr recht fett.

Fahrverbote sind Enteignungen

Das hat seinen Grund. Das dem „Dieselgate“ zugrundeliegende Problem ist, man muss es leider so hart und deutlich sagen, ein absoluter Nothing Burger: Einige Autos haben nicht die Schadstoffwerte eingehalten, die die Hersteller versprochen haben.

Man muss diesen Satz ein wenig sacken lassen, um ihn in seiner ganzen epischen Schönheit würdigen zu können: Wer der Selbsteinschätzung der Autobauer vertraut hat, wurde getäuscht. Menschen, die großen Wert auf Nachhaltigkeit, die ökologisch korrekte Erzeugung ihrer Nahrungsmittel und eine einwandfreie Ökobilanz ihres heimischen Stromverbrauches legen, haben Autos gekauft und sind nun außer sich vor Empörung darüber, dass der Hersteller ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt haben soll. Hand aufs Herz, liebe Soccer Moms: Seid ihr nicht auch ein bisschen selbst schuld? Hättet ihr nicht vielleicht auch ahnen können, dass ein Unternehmen, das seine Produkte verkaufen möchte, sie womöglich in ein etwas besseres Licht zu rücken versucht, als sie es eigentlich verdienen? So wie jedes Unternehmen das macht?

Wo ist er auf einmal, der vielbeschworene „mündige Verbraucher“, zu dem einschlägige NGOs und Fernsehmagazine uns seit Jahren erziehen wollen? Wenn ein Spülmittel „Sauberkeit mit einem Wisch“ verspricht, dann weiß jeder, was davon zu halten ist, und ein „verkehrsgünstig gelegenes“ Hotel bucht kein Mensch. Nur wenn ein Auto sich nicht exakt an die Abgaswerte aus dem Werbeflyer hält, ist plötzlich die Hölle los.

Kampagne gegen die bewährte Mobilität

Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass hier medial der Stab über ein Fortbewegungsmittel gebrochen wird, dessen Ende manch einer lieber heute als morgen gekommen sähe. Auch die politische Debatte hält Schritt und gebiert fleißig Hirngespinste wie die erstmals im vergangenen Herbst erhobene Forderung, Verbrennungsmotoren in der EU ab 2030 zu verbieten. Das ging damals noch nicht durch, aber ein entsprechender Beschluss in Großbritannien, hier mit Zieldatum 2040, und die Hartnäckigkeit der Verbotsfraktion in Deutschland lassen erahnen, dass wir nur noch um das Wann des Verbotes kämpfen und nicht mehr um das Ob. Ähnliches gilt für das de facto als Enteignung daherkommende innerstädtische Fahrverbot für Diesel, das in einigen Städten schon nächstes Jahr debütieren dürfte. Und auch die Umweltzonen bereichern trotz vielfach erwiesener Nutzlosigkeit weiterhin unseren Alltag.

Wer den Verbrennungsmotor hinter sich lassen möchte, der verweist gerne darauf, dass die Zukunft der Mobilität doch sowieso elektrisch sei und die Politik es sich daher durchaus erlauben könne, den notorisch trägen deutschen Autobauern mit sanftem Druck auf den richtigen Weg zu helfen. Dabei werden die gut dokumentierten Umweltprobleme, die durch Fertigung und Entsorgung der für die E-Mobilität benötigten Batterien entstehen, ebenso geflissentlich ignoriert wie die Tatsache, dass wir nach dem Stand der aktuellen Planung froh sein können, wenn 2030 überhaupt noch regelmäßig Strom fließt. Die vielen Elektroautos, sie werden beispielsweise in Bayern auch mit tschechischer Kernenergie zu betreiben sein, da der Freistaat, einst Exporteur riesiger Strommengen, nach aktuellen Schätzungen ab 2022 die Hälfte seiner Elektrizität einführen muss. Stark wachsender Bedarf bei sinkenden Kapazitäten, das ist eine mutige Kombination.

Vor dem Hintergrund dieser recht durchsichtigen Kampagne gegen die klassische, bewährte und in ihrer aktuellen Form auch bezahlbare Mobilität muss schließlich der „Skandal“ um Dieselschadstoffwerte betrachtet werden. Wer sich darüber aufregt, dass Autobauer ihre Zahlen schönen, der wundert sich auch, wenn Red Bull ihm keine Flügel verleiht.