Ein Plädoyer vom Gastautor Albrecht Kolthoff, die WM in Russland zu boykottieren – und stattdessen im einzig wahren Fußball-Land ein eigenes Turnier zu starten.

Es hat mal eine sportliche Großveranstaltung gegeben, die von einem totalitären System als Jubel- und Prestigeveranstaltung genutzt werden sollte. Damals sind alle hingefahren, obwohl die Teilnahme durchaus schon kritisch gesehen wurde. Tatsächlich war es im Effekt nicht gänzlich der erhoffte propagandistische Erfolg für das gastgebende Regime, denn Jesse Owens durchkreuzte mit seinen Erfolgen bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin die Absicht, „arische“ Menschen als überlegene Siegertypen herauszustellen.

Zwei Jahre später wurde der Weltöffentlichkeit mit dem „Anschluss“ Österreichs, des Sudetenlands und den Novemberpogromen („Kristallnacht“) sehr viel klarer, was dieses Regime im Sinne hatte.

Diese jetzige Fußball-WM spielt sich in einer Situation ab, als ob sämtliche freien Länder aus eigenem Entschluss zu Olympischen Spielen in Berlin im Jahre 1938 fahren würden, nach „Anschluss“, Sudeten-Annexion und „Kristallnacht“. Der Kreml hat nicht nur besetzt und annektiert, er lässt auf westlichem Boden morden, und wir belohnen ihn noch durch Teilnahme an einer Feier, die nichts anderes als eine Demonstration der Unterwerfung unter die Macht- und Herrschaftsansprüche des Kreml darstellt, eine Anerkennung, dass dieser mordende Herrscher tun und lassen kann, was er will, und wir dann auch noch abends zu seiner Party gehen.

Jeder, der dort noch hinfährt, muss sich im Klaren sein, dass er zur Kulisse der Jubelfeier eines Autokraten gehört, dass er dem Mörder bescheinigt, er dürfe straflos weitermachen.

Jeder, der dort noch hinfährt, muss das mit seinem eigenen Gewissen abmachen und wissen, wie viel Selbstrespekt er weiterhin beim Blick in den Spiegel aufbringen kann. Jedes Land mit einem Rest von Selbstachtung sollte die Reise seines Teams stornieren. Lasst diese Veranstaltung mit diesen verbleibenden Teams stattfinden: Russland und Iran. Dann können die auch Zeit sparen und diese WM gleich mit dem Endspiel beginnen lassen.

Diejenigen, die noch Herz im Leibe und Verstand im Kopf haben, sollten währenddessen ein Turnier im Mutterland des Fußballs austragen, nämlich in England. Football’s coming home!

Do we still believe in freedom, fairness, self-respect? Or are we going to surrender to the tyrants?

#NoBloodyPutinFootball
#NoCelebrationForTheTyrant
#LetFootballComeHome

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Gastautor Albrecht Kolthoff ist freier Journalist. Folgen kann man ihm im Netz unter anderem auf Twitter und Facebook.

Geht es beim Fußball wirklich nur um Sport? Oder hat eine WM auch immer eine politische, gesellschaftliche und kulturelle Dimension? Sämtliche Beiträge der Salonkolumnisten zur Fußball-WM in Russland finden sich hier.