In Österreich kümmert sich die Politik um die wirklich wichtigen Dinge – etwa die Farbe der Haltegriffe in der U-Bahn.

„Bella gerant alii, tu felix Austria nube“, so hieß es noch bei den Habsburgern. Die gibt es, wie man gerade dieser Tage zum Jubiläum des Weltkriegsendes ständig erklärt bekommt, seit 1918 nicht mehr, dafür aber diese „Leichtigkeit des Seins“, die uns Österreicher so auszeichnet, das Schönfärbeln. Das ist uns geblieben. Vielleicht sogar besonders den Wienern. 

Dass wir aus dem UN-Migrationspakt ausgetreten sind, obwohl wir ihn mitgestaltet haben, und damit nun einen Domino-Effekt hervorrufen – was soll’s, das Glück ist a Vogerl und Meinung halt ebenso locker-flatterhaft. Dass man den 12-Stunden-Tag offiziell genehmigt hat – natürlich freiwillig, Job-Erpressung, wer kommt denn darauf? – ach, was interessiert uns der Arbeiterkampf von gestern. Dass man daran denkt, Arbeitslosen nach Beendigung des Arbeitlosengeld-Beziehens ihr Erspartes und ihren sonstigen Besitz wegzunehmen – es wird ein Wein sein, und wir wer‘n nimmer sein, das ist die Relation, in der man das sehen muss. Dass man eine seltsame Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ohne wirklich überzeugenden Grund veranlasste, bei der auch über 3000 Berichte über Burschenschaften-Machenschaften „sichergestellt“ wurden, zufälligerweise bei einer BVT-Mitarbeiterin, die eine Analyse zur FPÖ-nahen Internetzeitung „unzensuriert“ (nicht hineinschauen, kann psychische Schäden hervorrufen) bearbeitete – ach, immer dieser Amtsschimmel, die neue Regierung zeigt eben, wie locker-spontan sie sein kann. Und großzügig – beide Regierungsparteien haben dereinst das erlaubte Wahlkampfbudget um viele Millionen überzogen, aber, wie sagt man da so schön: „Verkauft’s mei G’wand, i fahr‘ in‘ Himmel“, und so isses halt.

Aber die ganz wichtigen Probleme, die nehmen wir ernst. Wie einen bereits pensionierten Oberst, der um trivial-Lohn (300.000 Euro in über 20 Jahren) Triviales als Spion ausgeplaudert haben soll, und der geständig, aber nicht einmal in U-Haft ist. Da rauscht es im Blätterwald! Österreich mischt mit im globalen Kampf gegen das Böse! Man interessiert sich (endlich?) für unser schreckenserregendes Bundesheer, das seine Kampfflieger auf dem Boden lassen muss, weil Wartung und der Sprit zu teuer sind – hoppala, hab‘ ich da jetzt was ausgeplaudert?

Wo sind die Hunde?

Wie auch die Farbe der Radwege in Wien ein bedeutendes Problem darstellt. Die wurden um Millionen grün gestrichen (Vizebürgermeisterin Vassilakou vertritt die Grüne Fraktion und mag überraschender Weise diese Farbe) – was Geschichte ist, denn das Grün ist mittlerweile grau. Ebenfalls geradezu existentiell problematisch: Das Gendern der Verkehrsampeln. Statt eines Männchens treten da nun alle möglichen Gruppierungen, Lesben, Schwule, Väter mit Kind, Mütter mit Kind, leider niemand mit Hund (wie konnte man diese Minderheit vergessen?) ins Ampellicht. Ein Vorbild bereits für andere Städte, wie man hört – die offenbar auch keine anderen Sorgen haben. 

Aber auch andere Parteien wollen in Wien von sich reden machen. Und so schmückt man die U-Bahnen jetzt mit bunten Haltegriffen. Als „…Teil eines Maßnahmenpaketes, das die Fahrt …für alle angenehmer macht“. Rot, orange, gelb, grün, blau und violett, so wird stolz mitgeteilt, schaukeln sie jetzt über den Köpfen der Öffi-Benützer. O-Ton der zuständigen sozialistischen Stadträtin: „Wir bringen mit dieser Aktion mehr Farbe in den Öffi-Alltag.“

Danach hat man sich ja schon lange gesehnt. Und immer wieder beklagt, dass die olfaktorisch oft nicht wirklich erfreulichen Achseln der Mitfahrer sich mit Hilfe fader, nichtfärbiger Halteschlaufen darbieten. Ach, Wien, Du lebenswerteste Stadt der Welt, jetzt hast Du noch eines draufgesetzt und bist wohl an Attraktivität in den nächsten Jahren nicht mehr zu überbieten. Das werden doch hoffentlich auch andere Länder nachmachen? Und damit: Frieden auf Erden und Buntes im Lebensgrau.

Unsere Gastautorin Elisabeth Hewson wechselte nach längerer Werbekarriere als Texterin und Creativ-Direktorin zur Gegenseite über und brachte ein Konsumentenmagazin heraus, nebenbei schrieb sie als Intendantin der Wiener Kinderoper im Konzerthaus Musical-Libretti. Sie lebte in London und im (für Wiener höchst ungemütlichen) Tirol, arbeitete dort für den ORF, nach Wien zurückgekehrt als freie Reisejournalistin für einige Österreichische Tageszeitungen. Auch etliche Bücher sind erschienen, querbeet von Gesundheits- und Kulinarik- bis Kulturthemen. Das aktuellste ist das „Bio Ketzer Buch“. Sie ist Mitglied bei den „Skeptikern“ und unterstützt sie beim Kampf gegen Humbug, von Homöopathie bis Rudolf Steiner.