Der Auftakt einer losen Serie über Momente, in denen wir uns fragen, wie wir dorthin kamen, wo wir jetzt sind und warum und wohin es denn nun gehen soll.

Es gibt zwei Arten 18-jähriger Jungs: Diejenigen, die Polizist werden wollen, und diejenigen, die vor der Polizei Angst haben. Ein normaler männlicher Teenager ist ja dauerdelinquent: Dope in der Tasche, in Sommernächten ins Freibad eingebrochen, schwarzgefahren, Graffiti gesprüht, you name it …

Irgendwann kommt dann der Tag, an dem man verwundert feststellt, dass die Polizei sich tatsächlich zum Freund und Helfer gewandelt hat. Bei mir war das im August 2008 in Lissabon. Im Vertrauen auf die Ortskenntnis unseres Taxifahrers ließen wir uns von diesem eine halbe Stunde in die Pampa fahren, um dort festzustellen, dass der von ihm dort verortete Club leider nicht existiert. Der Streit um die Kosten der Rückfahrt eskalierte so weit, dass er auf der Standspur einer Autobahn anhielt und sich weigerte, uns ohne Vorkasse in die Stadt zurückzubringen. In unserer Gruppe war ein Portugiese, der daraufhin die Polizei rief. Ich dachte, dass damit die höchste Eskalationsstufe erreicht sei, was sich als Irrtum herausstellen sollte.

Denn offenbar begriff der Mann durchaus, dass er sich nicht im Recht befand, weshalb er nun doch lieber stiften gehen wollte. Ich verhinderte das, indem ich wieder in den sich nun beschleunigenden Wagen sprang, aus dem der Fahrer mich herauszuprügeln versuchte, bis ich die Handbremse zu greifen bekam. Als dann ein von ihm herbeigefunkter Kollege ebenfalls handgreiflich wurde, war es geschehen: Ich freute mich SEHR über das Eintreffen der Staatsmacht.

Nun ist die portugiesische Polizei tatsächlich um einiges angenehmer als die vieler anderer Länder: Erstens sprach bisher noch jeder Polizist, mit dem ich hier zu tun hatte, gutes bis perfektes Englisch (weshalb man eben auch gerne mal nach dem Weg oder einem legalen Parkplatz fragt). Zweitens muss sie sich nicht um Blödsinn wie Drogenhandel kümmern, weil der weitgehend legalisiert ist. Man bekommt in Lissabon auf offener Straße Kokain zum Probieren angeboten, wärend der nächste Polizist zwanzig Meter entfernt steht. Und natürlich einschreiten würde, sollte sich der Dealer doch als Straßenräuber entpuppen.

Drittens hat sie dadurch Kapazitäten frei, um bspw. vor Juweliergeschäften zu stehen. Mir fiel erst auf der Avenida Liberdade auf, dass es eigentlich ein grotesker Fall von Staatsversagen ist, dass Berliner Juweliere nicht nur Steuern, sondern eben auch in aller Regel die Gebühren privater Sicherheitsdienste bezahlen müssen.

Sprung neun Jahre nach vorn: Am 20. Dezember 2017 holte ganz Berlin nach, was ich in Portugal erlebte. Am Tag nach dem Terroranschlag an der Gedächtniskirche haben die Berliner Polizei und die Bundespolizei wirklich jeden auf die Straße gestellt, der halbwegs geradeaus schießen konnte. Es waren derart viele Polizisten zu sehen, dass ich minutenlang bitterlich frierend an einer völlig leeren Straße auf die Fußgängerampel starrte. Ich tat dies aus Respekt vor den Uniformen auf der anderen Straßenseite, bis ich bemerkte: BVG.

Und die Berliner, die ja ein eher distanziertes Verhältnis zur Staatsgewalt haben, waren dankbar. Wer weiß, vielleicht wird ja auch Berlin irgendwann erwachsen?