Kinderpornografie oder: Wie man seine Kritiker fertig macht
Die Nähe Trumps und Tillersons zu Putin kann für die Kritiker der neuen US-Regierung gefährlich werden.
Wie macht ein Regime seine Kritiker fertig? Normalerweise, indem es sie einsperrt oder aussperrt. Wir alle kennen die Namen, die Gesichter: Ossip Mandelstam, während der großen Säuberung ins Gulag verschleppt, weil er ein antistalinistisches Gedicht verfasst hatte; dortselbst verreckt 1938. Oder Erich Mühsam, der sanfte, bayerische, jüdische Anarchist. Nach dem Reichstagsbrand sofort ins KZ Oranienburg deportiert – die SA erhängte ihn in einer Latrine. Und dann eben noch die Heerschar der Ausgesperrten, der ins Exil Getriebenen: Vladimir Nabokov, Heberto Padilla, Wolf Biermann, Payam Feili, um nur ein paar große Namen zu nennen.
Aber diese Methoden sind vorgestrig, veraltet. Es geht heutzutage auch viel einfacher – mit einem sozusagen postmodernen Trick: Das Regime jubelt seinem Kritiker ein paar Kinderpornos unter. Dann kommt die Polizei und beschlagnahmt den Laptop. Dann wird dem Regimekritiker ganz legal der Prozess gemacht. Sogar wenn es dem Regimekritiker gelingt, sich vor Gericht erfolgreich gegen den Vorwurf zu wehren, er sei ein Kinderschänder – zumindest ein Verdacht wird hängen bleiben.
Diese Methode hat einen ungeheuren Vorteil: Man produziert keine Märtyrer. Der Regimekritiker kann keine Marquis-Posa-Reden halten, er kann sich nicht als Drachentöter und Freiheitsheld im Licht der Öffentlichkeit spreizen. Da jeder denkende, fühlende Mensch – mit Recht – kaum etwas so entsetzlich findet wie Kinderpornos, ist der Regimekritiker fortan kein Held mehr, sondern eine ekelhafte Kreatur. Mit etwas Glück gelingt es dem Regime sogar, die Familie des Kritikers zu zerstören. Vielleicht entscheiden die Gerichte – ganz exakt nach Recht und Gesetz –, dass er seine eigenen Kinder nie wieder sehen darf.
Paranoia? Meine Lieben, es passiert längst. Hier ein längerer Artikel aus der „New York Times“, den ich im Folgenden kurz zusammenfasse:
Vladimir K. Bukovsky war früher ein Kritiker des Sowjetregimes, heute ist er ein überzeugter Gegner Putins. Margaret Thatcher zählte ihn zu ihren Beratern. Er lebt seit Jahrzehnten in Großbritannien im Exil. Neulich klopfte die Polizei an seine Tür, als er im Bett lag. Sie beschlagnahmte seine Computer und fand dort – Überraschung! – Kindepornografie. Eine alte KGB-Methode, die russische Hacker auf die Höhe des digitalen Zeitalters gehoben haben. Viele Putin-Gegner sind auf diese perfide Weise attackiert worden.
Das russische Fachwort dafür lautet: kompromat. Diese Verleumdungsmethode passt hervorragend in die offizielle russische Propaganda, derzufolge es sich bei allen Liberalen und Demokraten insgeheim um Kinderschänder handle.
Hiermit wage ich eine Prophezeiung: Es wird bald bei uns in Amerika passieren. Aber nicht doch! Nicht unsere Behörden! Nicht das FBI! Auch wenn das FBI Martin Luther King abgehört und seiner Frau seiner außerehelichen Affären aufs Butterbrot geschmiert hat; auch wenn wahrscheinlich der FBI-Direktor J. Edgar Hoover höchstselbst Dr. King einen widerlichen Brief schrieb, in dem er ihm den Selbstmord nahelegte.
Nein, vielleicht nicht unsere Behörden. Aber wenn der rassistische, frauenfeindliche Drecksack, das eben zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, oder unser herrlicher neuer Außenminister, um den uns die Völker beneiden werden, also Rex Tillerson, gelegentlich bei seinem Spezi Putin in Moskau vorbeischaut – dann könnte er eine Liste dabeihaben. Eine Liste von lästigen Leuten, die man gern loswerden möchte. Und dann machen sich eins, zwei drei die russischen Hacker ans Werk. Bei vier steht die örtliche Polizeibehörde vor der Tür. Und dann hilft kein First Amendment, das jedem Amerikaner garantiert, dass er Staatschefs – auch eigene – nach Herzenslust bloßstellen und beleidigen darf. Dann hat der Drecksack im Weißen Haus den Beweis, dass seine Kritiker nicht nur Lügner, sondern auch abgrundtief verworfen sind. Er wird hinterher bestimmt großes Vergnügen beim Tweeten haben.
Denken Sie daran, wenn es so weit ist: Bei uns haben Sie es zuerst gelesen.