Eine Reihe höchst fragwürdiger Kandidaten steht kurz vor dem Einzug in den nächsten Bundestag. Worauf man sich bis 2021 einstellen darf, zeigt ein Blick in einen ganz besonderen Wahlkreis.

Die Gebirgszüge im Süden und Südwesten Sachsens haben viel Feines zur überregionalen Kultur Deutschlands beigetragen. Spitze und Schnitzereien aus dem Erzgebirge zum Beispiel sind überall sehr gefragt, und wo wäre das Abendland heute ohne Schwibbögen? Ganz genau. Leider können diese mitunter sehr schönen Landstriche überhaupt nichts für ihre Einwohner.

Case in point: Ulrich Oehme. Der selbstständige Versicherungsmakler war zwischen 1981 und 1989 in der SED, ging 2010 zur „Freiheit“ und schloss sich 2013 der AfD an, deren Landesverband Sachsen und Kreisverband Chemnitz er jeweils federführend mit aufbaute. Er ist Beisitzer im Bundesvorstand der „Christen in der AfD“ und, wie seine Vorstellung auf der Webseite der sächsischen AfD unmissverständlich hervorhebt, ohne Vorstrafen. Ein anständiger Bürger also, wenngleich sehr besorgt.

Die letzte Chance!

Denn hierzulande geht bekanntermaßen seit Langem alles drunter und drüber, was jeder sehen kann, dem die allgegenwärtige Gutmenschengehirnwäsche noch nicht den Blick vernebelt hat. Es ist alles ganz, ganz furchtbar, sodass wir „[w]ie schon 1989“ jetzt wieder „eine Kehrtwende in der gesellschaftlichen Entwicklung einleiten müssen“. Und die Zeit drängt, denn: „Es ist die wahrscheinlich letzte Chance, die unser Vaterland noch hat!“

Nun ist die Rettung des Vaterlandes vom Wahlkreis 163 Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II aus aber nicht so einfach. Es ist ein schöner, aber eher ländlicher Wahlkreis in Sachsens westlicher Mitte, böse Zungen würden von „JWD“ sprechen. Um von den darin gelegenen Metropolen Hohenstein-Ernstthal oder Stollberg/Erzg. aus die bundespolitisch so dringend benötigten dicken Bretter zu bohren, muss man sich schon etwas einfallen lassen als Kandidat. Knackige Sprüche müssen her und markige Worte!

Man muss Oehme zugestehen: Dieses Ziel hat er mit seiner Plakatkampagne mit dem Slogan „Alles für Deutschland!“ erreicht. Gut, ein paar kleinliche Spießer aus den gleichgeschalteten Medien konnten mal wieder nicht anders und monierten, dass Oehmes Wahlspruch seinen Karrierehöhepunkt dermaleinst als Gravur auf SA-Dolchen erlebt habe und heute in unserer linksgrünversifften Republik natürlich verboten ist.

Nichts als Zensur, wohin man blickt

Es ist prinzipientreuen Einzelkämpfern wie Oehme zu danken, dass dieser Missstand der Behebung entgegensieht. Von der Lügenpresse auf die Plakate angesprochen, erklärte des Kandidaten Sprecherin Janin Klatt-Eberle: „Wir dürfen unsere deutsche Sprache nicht geißeln, indem wir Sprüche, die so nahe am Leben stehen, uns selbst verbieten.“ Solcherlei linguistisches Engagement kann sich naturgemäß nicht nur auf „Alles für Deutschland“ beschränken, vielmehr wolle man in Zukunft ganz generell „die Einschränkung der Redefreiheit bekämpfen“. Zu den anderen lebensnahen Sprüchen, die so endlich wieder zu ihrem Recht kommen könnten, zählte Frau Klatt-Eberle „Deutschland erwache“. Soweit die Sprecherin des Direktkandidaten der AfD im Wahlkreis 163 und Followerin der Facebook-Seiten „Generation Björn“, „Deutschland ist unsterblich“, „Russische Heilmethoden“, „Chemtrails Deutschland“ und, natürlich, RT Deutsch.

Gleichgewicht des Wahnsinns

Swipe in die Realität: Wenn man die eigene Kinnlade erfolgreich aufgesammelt und sich vergewissert hat, dass auch wirklich ganz sicher nichts an dieser Geschichte ein Witz ist, dann ist der Zeitpunkt gekommen, dem Unvermeidlichen ins Auge zu sehen. Es ist skandalös und katastrophal, dass irgendeine politische Kraft irre genug sein könnte, jemanden wie Oehme, den sein Konkurrent von der CDU einen „reinrassigen Nazi“ (sic) genannt hat, auch nur in die Nähe eines politischen Mandats zu lassen. Aber so weit sind wir leider schon, dass der selbsternannte Sprachpfleger kurz vor dem Sprung in den Bundestag steht: Ein bundesweites AfD-Ergebnis von knapp 8,5 Prozent würde ihm auf Listenplatz 7 genügen.

Obsiegte der Zynismus, könnte man nun sagen: Es ist nichts als fair, wenn Leuten wie Diether Dehm, Sevim Dağdelen oder Ulla Jelpke in Zukunft fachkundige Unterstützung in Form von Äquivalenten auf der Rechten gegenübergestellt wird, um so das Gleichgewicht des Wahnsinns wiederherzustellen. Wer allerdings weniger auf zynische Pointen als auf die Zukunft eines liberal verfassten politischen Gemeinwesens gibt, dem mag im Ausblick auf den kommenden Bundestag nur noch übel werden.