Polizei sucht nach Waffen und findet Drogen
Mit 180 Beamten wollte die Bundespolizei am Wochenende Waffen aus dem Verkehr fischen. Die gute Nachricht: Beamte fanden kaum welche. Stattdessen ging viel ungewollter Beifang ins Netz: Kleine Mengen Drogen, welche Partygänger auf dem Weg in Klubs in den Taschen hatten.
„Wir kontrollieren, ob die ,Allgemeinverfügung‘ eingehalten wird, 180 Kräfte können heute von 20 bis 6 Uhr und Samstag von 20 bis 6 Uhr auch Nichtverdächtige ansprechen“, sagt Bundespolizeisprecher Jens Schobranski (40) am Freitagabend am Bahnhof Alexanderplatz.
Die „Allgemeinverfügung“, das ist ein auf das Wochenende beschränktes Verbot der Mitführung von „gefährlichen Werkzeugen“ im S-Bahn-Bereich zwischen Alexanderplatz und Lichtenberg. Als „gefährliches Werkzeug“ gilt auch ein Hammer oder Pfefferspray.
Schließlich, so Schobranski, habe es im Bereich zwischen Alexanderplatz und Lichtenberg ein Viertel aller Gewaltdelikte gegeben, die bei der Bundespolizei in Berlin und Brandenburg anfielen.
Zwar habe die Zahl der Gesamt-Gewaltdelikte leicht abgenommen, aber es sei brutaler geworden. Wo früher mal eine Faust reichte, seien es nun häufig ein Messer oder abgebrochene Glasflaschen.
Die 180 Beamten haben sich in Grüppchen auf den sieben Bahnhöfen Alexanderplatz bis Lichtenberg postiert und kontrollieren nach Augenmaß. Konkrete Verdachtsmomente benötigen sie aufgrund der „Allgemeinverfügung“ nicht.
21 Uhr: Zwei Punker werden am Alexanderplatz kontrolliert. Statt einem Messer hat einer von ihnen ein Asthmaspray in der Tasche. Wie bei allen anderen, die ins Raster fallen, checken Beamte die Namen per Telefon bei der Zentrale durch. Nichts liegt gegen die Männer vor.
Die beiden Punker machen sich einen Jux aus der Kontrolle, feixen rum.
21.20 Uhr: Eine Durchsage hallt durch den Bahnhof. Man solle das Verbot von „gefährlichen Werkzeugen“ bei der „Reiseplanung“ beachten.
21.25 Uhr: Eine Gruppe Afghanen wird kontrolliert. Sie zeigen ihre Aufenthaltspapiere und dürfen weiter.
21.30 Uhr: Ein Junge mit Cappy und um die Schulter gehängte Brusttasche fällt ins Raster. Nach der Kontrolle, die nichts ergab, zittert Toni (20). Das Ganze war ihm sehr unangenehm. „Ich finde es vernünftig, was gegen Gewalt zu tun, aber ich glaube, da gibt es andere Wege.“ Er vermutet außerdem, dass hauptsächlich Ausländer kontrolliert werden würde, was er diskriminierend findet.
21.35 Uhr: Zwei freundliche junge Männer sind dran. Die Bundespolizisten finden nichts. Samuel (27) aus Italien und Tuaha (26) aus Pakistan sind nicht sauer. „Ich finde es gut, weil, man weiß nie. Es ist gut für die Sicherheit“, sagt Tuaha.
21.49 Uhr: Nach ihrer Kontrolle sprechen wir mit zwei jungen Berlinern mit Migrationshintergrund: Harki (16) und Lorenzo (17). „Die haben mich gefragt, ob ich eine Waffe habe. Ich habe gesagt, ich habe eine Machete, dies das. Das fanden die nicht witzig“, sagt Harki. Er sei gerade auf Bewährung wegen räuberischer Erpressung. Dann sagt er: „Aber hier sucht die Polizei am falschen Ort. Im Wedding würden sie mehr finden.“
22 Uhr: Auch Zivilpolizisten sind am Alexanderplatz im Einsatz. Da die 180 Einsatzkräfte von Berlin alleine nicht zu wuppen wären, kam Unterstützung aus Niedersachsen. Der Alexanderplatz ist in der Hand von Bundespolizisten aus Uelzen.
„Bei uns ist die Welt noch in Ordnung“, sagt einer der Uelzener. Neben ihm hängt in einem Schaukasten ein Zettel mit der „Allgemeinverfügung“. Den Zettel wird kaum ein Fahrgast gesehen haben. „Heute Nacht soll es noch regnen, ich glaube, da ist nicht viel los“, sagt der Polizist.
22.04 Uhr: Ein junger Mann wird kontrolliert, weil er ein grünes „Polizei“-Shirt trägt, das er gerade für 14,95 Euro in einem Touristenshop am Bundestag gekauft hat. Das Preissschild trägt er noch bei sich. Er ist Iraker, seit zwei Jahren in Deutschland und spricht perfekt Deutsch.
Waffen oder Drogen finden die Beamten nicht bei ihm. Er wundert sich, dass die Polizisten ihn wegen seines Polizei-Shirts Probleme machen, aber nicht dem Laden, der das Shirt verkaufte. Dabei ist das Tragen des T-Shirts ohne Hoheitsabzeichen gar nicht verboten, wie der Bundespolizei-Pressesprecher später erklärt. Um des lieben Friedens willen zieht er einen Pullover über das Shirt.
22.15 Uhr: Zwei Afghanen werden zu einem der Bundespolizei-Wagen mitgenommen, die in einer Reihe vor dem Bahnhof stehen und dann doch wieder freigelassen. Sie sind außer sich, streiten ein wenig mit den Beamten. „Die Polizei sucht immer Leute, die nichts machen!“, sagt einer danach.
„Warum gehen die nicht da hinten in den Park, da werden Drogen verkauft.“ Was er nicht weiß: Das dürfte die Bundespolizei gar nicht. Es ist nicht ihr Zuständigkeitsbereich.
22.30 Uhr: Wieder fallen zwei Afghanen ins Raster der verdachtsunabhängigen Kontrolle, wieder finden die Beamten nichts. Saman (18) kommt gerade von der Friseur-Lehre und ist enttäuscht. „Es war mir total peinlich, so kontrolliert zu werden“, sagt er. „Die Leute gucken mich komisch an.“
Ein Journalisten-Kollege der dpa, der gerade von der Warschauer Straße kommt, sagt, dass bei den Kontrollen dort mehr los ist. Da sei gerade ein Mann ins Netz gegangen, der wegen „Erschleichen von Leistungen“, also Schwarzfahren gesucht wurde. 1000 Euro Strafe waren offen, er wurde gleich eingesackt. Wir hetzen rüber, vielleicht geht da ja noch was.
22.52 Uhr: Warschauer Straße. Berliner Bundespolizisten kümmern sich um einen Betrunkenen, der im Bahnbereich auf dem Boden lag. Sie stellen ihn an einer Laterne vor dem Bahnhof ab, gegen die er sich lehnt. Da ist schließlich nicht mehr ihr Zuständigkeitsbereich.
Eine Nachfrage beim Polizeiführer vor Ort ergibt: Außer dem 1000-Euro-Strafen-Mann gab es noch einen weiteren, der eine Strafe von 200 Euro offen hatte, die er aber gleich vor Ort begleichen konnte, so dass er sofort wieder freigelassen wurde.
Außerdem wurde ein Springmesser gefunden, was auch ohne die „Allgemeinverfügung“ eine Straftat bedeutet. „Wir wollen noch ein paar Waffen finden“, sagt der Polizeiführer.
23.03 Uhr: Eine Gruppe junger Männer wird kontrolliert. Sie wollten zum nahen RAW-Gelände, in einem der Techno-Klubs feiern gehen. Messer werden sie sicher nicht dabei haben, schließlich gibt es an den Klubs Taschenkontrollen. Aber vielleicht haben sie was Anderes.
Ein Polizist zur Gruppe: „Wer schon weiß, dass er was dabei hat, kann die Hand heben, das wird im Verfahren positiv gewertet.“ Der Polizist ist auch sonst in Berlin im Dienst und kennt seine Pappenheimer.
Ein junger Mann hebt die Hand. Er hat ein paar „Teile“ in einem Plastiktütchen, Ecstasy-Tabletten. Noch bei zwei weiteren jungen Männern aus der Gruppe, die sich nicht gemeldet haben, werden geringe Mengen Drogen gefunden.
Ein Polizist zu einem der jungen Männer: „Das ist jetzt ein Nebenprodukt, eigentlich suchen wir Waffen.“
Tatsächlich: Hauptsächlich gehen hier Fische ins Netz, die eigentlich gar nicht in die Pfanne sollten. Quasi lästiger Beifang, Partyleute mit ein bisschen Drogen zum Eigenbedarf in der Tasche. Und wenn was gefunden wird, muss die Mühle der Bürokratie angeworfen werden, Laufen lassen geht offenbar nicht, schon gar nicht, wenn die Presse zuschaut.
Der Junge mit den „Teilen“: „Ich will nur ein bisschen Spaß haben. Ich weiß, ihr macht auch nur euren Job, aber ich gehe auch arbeiten. Ich verkaufe das nicht, nehme das nur selber, das ist doch eigentlich meine Entscheidung.“
Ein anderer Junge schüttelt den Kopf: „Ich habe 0,5 Gramm Gras dabei und hier werden Fotos und Videos von mir gemacht mit der Polizei. Ich verstehe das nicht.“ Er hat recht: Mittlerweile sind Kameraleute mehrerer Medienkonzerne vor Ort, um die Kontrollen der Polizei zu begleiten.
Der Pressesprecher Schobranski, der auch noch da ist: „Wir werden das BTM [Betäubungsmittel] sicherstellen, dann kriegen die eine Anzeige und dürfen wieder weiter. Das waren geringe Mengen. Wir haben bis 23 Uhr 160 Kontrollen gemacht. Wir fanden zwei Messer, ein Pfefferspray, drei geschleuste Personen, eine vermisste Person und drei Personen mit offenen Haftbefehlen. Dazu kamen einige mit Betäubungsmitteln.“
23.45 Uhr: Ein junger Mann hat Drogen in einer Bauchtasche. „Aber die Tasche gehört nicht mir“, behauptet er. „Gerade in Berlin würde ich immer kontrollieren, was in so einer Tasche ist“, antwortet ein Polizist und nimmt den Mann mit zu einem der Einsatzwagen, die auf der Warschauer Brücke stehen. Während der Mann bearbeitet wird, gehen hunderte andere vorbei.
0 Uhr: Am Bahnhof Alexanderplatz treffen wir nochmal den Pressesprecher. Normalerweise sei es voller gewesen in den letzten Wochen, sagt er. Der kühle Wetterumschwung habe wohl viele Leute dazu gebracht, zuhause zu bleiben.
Die Bilanz des Wochenendes: Bei 870 Kontrollen wurden 91 Straftaten festgestellt, hauptsächlich Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Zudem gab es 24 Verstöße gegen das Waffengesetz und das für das Wochenende geltende Verbot, andere „gefährliche Gegenstände“ zu tragen. Dazu gehören Dinge wie Pfefferspray oder auch Schlosserhammer.
Zwei Nachtschichten von 180 teilweise in Hotels untergebrachten Beamten waren dafür nötig. Viel Aufwand.
Dieser Artikel erschien zuerst in kürzerer Form in der B.Z.