Die Kapitalismuskritik braucht Fieslinge. Mit Uber-CEO Travis Kalanick hatte sie einen gefunden. Doch nach dessen Rücktritt wollen ausgechnet die Mitarbeiter ihn nun zurück.

In der klassischen Betrachtung der Unternehmenswelt sind die Fronten klar: Hier die Mitarbeiter, aufrichtig, sympathisch, aber geknechtet. Dort das Großkapital, verkörpert von brutalen Vorstandschefs, finanziert und unterstützt von mindestens ebenso sinistren Geldgebern. Gut und Böse – eindeutig verteilt. Wir identifizieren uns mit der unterdrückten Arbeitnehmerschaft und verachten „die da oben“.

In der Welt der Startups war das zunächst anders. Plötzlich tauchten nahbare Gründer auf, lässig, sogar sympathisch. Blöd für die Dualisten in Redaktionen und Gewerkschaftszentralen. Umso größer die Erleichterung, als sich vor kurzem ein Held der neuen Ökonomie, der Chef des Carsharing-Anbieters Uber, als leicht erregbarer Choleriker entpuppte und das Unternehmen sich Sexismus-Vorwürfen ausgesetzt sah. Ordnung wieder hergestellt, könnte man sagen.

Doch jetzt das: Wenige Tage nach Travis Kalanicks Rücktritt, betrieben von den acht größten Geldgebern, fordern über 1100 Mitarbeiter in einer Mail, er soll zurückkommen. Das Schreiben richtet sich an den Aufsichtsrat, gilt aber eigentlich den Financiers, die dem Gründer seinen Exit nahe gelegt hatten. Ganz neue Fronten also: Auf der einen Seite neben dem Ex-Chef die Mitarbeiter, gar nicht so CEO-feindlich gestimmt wie von den Medien schnell vermutet. Auf der anderen der Aufsichtsrat und ein Kreis an Investoren, souffliert durch eine Wirtschaftspresse, die nichts mehr schätzt als moralisch getriebene Anti-Vorstands-Aufruhr mit anschließendem Showdown (Rücktritt).

Konzerne als Anti-Ubers

Und dann sind da ja noch die Kunden. Wir alle also. Einerseits haben wir ein Interesse an Unternehmen, in denen es konfliktfrei zugeht. Dann arbeiten die Kundenmitarbeiter viel und gerne. Spricht also erstmal gegen Kalanick. Andererseits profitieren wir von erfolgreichen Startups, weil sie neue, überlegene Produkte schaffen. Und damit haben wir ein Interesse am Fortbestand der Startup-Kultur, auch wenn die mitunter raubeinig daherkommt. Denn sie bringt innovative Produkte hervor und bricht festgefahrene Marktstrukturen auf. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich lebe in Mexiko, Taxifahren gilt hier als unsicher. Uber nicht, denn da hat man die Daten jedes Fahrers auf dem eigenen Handy.

Der Uber-Streit eröffnet auch eine neue Sicht auf die Welt der Unternehmen insgesamt. Die typischen Großkonzerne sind heute Anti-Ubers. Zahllose Coachings in Krisen-Kommunikation haben sie gelehrt: Ein PR-mäßig kluges Unternehmen gibt sich glatt, unangreifbar, so dezent wie das Schweizer Bankgeheimnis. Bloß nicht auffallen. Deshalb tauchen bis heute kaum Vorstandschefs in Talkshows auf. Weil ihre PR-Strategen ihnen, aus medientaktischer Sicht zurecht, jeden Auftritt untersagt haben. Es nützt dem Firmenimage einfach nichts. Die Theorie unterfüttert das unter dem Schlagwort „postheroisches Management“.

Was aber, wenn der Fall Kalanick auf ein Umdenken ausgerechnet auf Seiten der Arbeitnehmer hindeutet? Wenn die also plötzlich keine unsichtbaren Teflon-Manager mehr wollen? In der Mail der Uber-Mitarbeiter heißt es: „Yes, Travis is flawed, as we all are. But his passion, vision, and dedication to Uber are simply unmatched. We would not be here today without him, and believe he can evolve into the leader we need.“ Chefhilfe von seinen Leuten also. Kalanick dürfte gerührt sein – anders als Liebhaber obiger Dualitäten. Die dürfte diese neue Allianz eher irritieren.