Ein paar ungebetene amerikanische Ratschläge für Deutschlands Faschisten.

Volksgenossen! Volksgenossinnen! Schon seit einiger Zeit schaue ich euch vom der anderen Seite des Atlantik her fasziniert zu, wie ihr dort drüben im Vaterland eure faschistische Machtübernahme vorbereitet. Ich muss zugeben, ihr habt Fortschritte gemacht. Es ist euch gelungen, das Overton-Fenster circa einen Kilometer nach rechts zu verschieben. Man kann in Deutschland wieder Dinge sagen, die früher nicht sagbar waren; wer heute witzlose antisemitische Witzchen macht, muss nicht mehr den komplizierten Umweg über Israel wählen, sondern kann gleich sagen, dass er Juden nicht leiden mag. Es ist euch auch gelungen, den Mitte-Rechts-Block mit festen Stricken so hart in eure Richtung zu ziehen, dass erste Haarrisse auftauchen. Manche Konservativen würden liebend gern mit euch zusammenarbeiten, andere nicht, und wenn ihr in euren Anstrengungen nicht nachlasst, könnte es gelingen, die Unionsparteien zum Zerbröseln zu bringen. Just so habe ich das 2015 und 2016 in den Vereinigten Staaten erlebt. Auch Republikaner, die eigentlich keine Faschisten waren, beugten vor dem orangen Gottkönig das Knie und huldigten dem grölenden Mob, der hinter ihm stand. Jene, die sich verweigerten – die “Never Trumpers” – wurden nach und nach ins politische Nirwana gedrängt (Mitt Romney verabschiedet sich gerade in den Ruhestand, habt ihr gehört?). Heute gibt es in Amerika praktisch keine konservative Partei mehr. Auch bei uns begann es übrigens mit einer Steuersenkung. Nur weiter so!

Kotzbrocken dringend gesucht

Trotzdem muss ich sagen, Volksgenossinnen und Volksgenossen, dass ich von meiner amerikanischen Warte aus gewisse Defizite wahrnehme. Zum Beispiel sehe ich bei euch keine charismatische Gestalt, um die herum sich alle scharen könnten. Ihr braucht einen Conducator, einen Comandante en Jefe, einen Woschd, oder sagen wir es doch gleich auf gut Deutsch: einen Führer. Gewiss, es gibt Herrn Höcke; das Problem ist nur, dass es sich bei ihm um einen Nazi von der eher blassen Sorte handelt. Gesucht wird an seiner Stelle: ein richtiges Mannsbild, oder anders formuliert, ein rechter Kotzbrocken. Möglichst mit krimineller Vergangenheit – wenn verschiedene Frauen ihn glaubhaft der sexuellen Belästigung bezichtigen, er vielleicht sogar eine Vergewaltigung begangen hat, wäre das unbedingt ein Pluspunkt. Hätte euer Spitzenkandidat früher mit der Stasi zusammengearbeitet, müsste dies natürlich rückblickend als Dienst am Vaterland gewertet werden; und würde gar ein Foto auftauchen, auf dem er Zärtlichkeiten mit Wladimir Putin austauscht, sollte der Mann sich stolz dazu bekennen. Wenn ihr einen solchen Kotzbrocken nicht auftreiben könnt, habt ihr leider ein Problem.

Ferner wäre gut, wenn ihr euer Wahlsystem im Sinne unseres amerikanischen “Electoral College” umstellen könntet – wenn es also möglich wäre, dass ein Mann, gegen den sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger entschieden hat, mit Hilfe einer knirschenden Altertümlichkeit trotzdem ins Bundeskanzleramt gehievt würde. Ohne “Electoral College” sehe ich auf Bundesebene, ehrlich gesagt, schwarz für euch; ohne massiven Wahlbetrug bleiben eure großen Erfolge womöglich auf die ehemalige DDR beschränkt. Die ehemalige DDR erinnert mich immer mehr an unsere Südstaaten, nur natürlich mit schlechterem Essen, schlechterem Wetter und weniger Charme.

Ordnung hinterm Lattenzaun

Bei einer Rede hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kürzlich verkündet: “Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland.” Das war allerdings lediglich brav. Wenn sich die Dinge weiter in eurem Sinn entwickeln sollen, liebe Volksgenossen, müssen eure Fürsprecher plakativer werden. Nehmt euch ein Beispiel an Fox News und den anderen rechtsradikalen Fernsehsendern! Jeden Tag wird dort ein Horrorgemälde von amerikanischen Großstädten gezeichnet. New York sei ein kriminelles Loch, in dem die Weißen sich bücken müssen, während schwarze Drogengangs ihre Reviere ausschössen; San Francisco ersticke im Müll. Das richtige Amerika sei das kleinstädtische Amerika, wo weiße Christen die Mehrheit stellen und noch Ordnung hinter dem weißgestrichenen Lattenzaun herrscht. Ein Countrysänger mit Cowboyhut namens Jason Aldean hat darüber ein schmissiges Liedchen verfasst, in dem er Besuchern aus der Großstadt unverblümt mit Selbstjustiz droht: “Habe ein Gewehr von meinem Großvater geerbt, sie sagen, sie wollen es mir wegnehmen, der Scheiß funktioniert vielleicht bei euch in der City, viel Glück!” Mit den Fakten hat das natürlich nichts zu tun. In ländlichen Gebieten, die von Republikanern regiert werden, gibt es viel mehr Morde als in New York; die Lebenserwartungen ist in amerikanischen Städten deutlich höher als auf dem Land. Aber um Fakten – stimmt’s, Volksgenossen? –, um Fakten geht es ja nicht. Es geht um das Ressentiment gegen unübersichtliche Orte, wo Dunkelhäutige en masse herumlaufen, Männer sich in der Öffentlichkeit küssen, Frauen Tätowierungen tragen, hart gearbeitet und heftig gefeiert wird usw.

Worüber wir auch noch ein ernstes Wort reden müssen, das sind Entschuldigungen. Nachdem herausgekommen war, dass der Aiwanger-Hubsi als Jugendlicher Nazi-Flugblätter in seiner Schultasche hatte und mutmaßlich gern den Hitlergruß gemacht hat, hat er sich erstens lau entschuldigt und zweitens zum Opfer einer Kampagne der Lügenpresse erklärt. Letzteres war im Sinne des Faschismus schon recht professionell, aber die Entschuldigung hätte er sich sparen können. Das Beispiel Donald Trump lehrt: Wenn man bei einer rassistischen oder antisemitischen Äußerung ertappt wird, dann entschuldigt man sich nicht – man legt noch einen drauf. “Jetzt werden diese Juden schon wieder frech, wo wir doch gerade angefangen hatten, ihnen zu verzeihen, was wir ihnen angetan haben.” So geht das, werte Volksgenossen!    

Das Wichtigste kommt natürlich zuletzt: Ihr braucht unbedingt eine bewaffnete Miliz. Bei uns in Amerika ist eben herausgekommen, warum wir überhaupt noch über Donald Trump reden. Der Kongress hätte ihn 2021, nachdem der Ex-Präsident einem Mob befohlen hatte, gegen das Kapitol zu marschieren, ja seines Amtes entheben und beschließen können, dass dieser Mensch nie wieder ein politisches Amt bekleiden darf. Das geschah nicht. Und warum geschah es nicht? Weil Trumps Anhänger Senatorinnen und Senatoren, Kongressabgeordnete und ihre Familien mit dem Tod bedrohten, wenn sie für ein Impeachment stimmten. Mit anderen Worten: Der amerikanischen Demokratie ist mit vorgehaltener Pistole aufgezwungen worden, dass Trump in der Politik weiterhin eine Rolle spielt. Also, eine Miliz muss her! Ihr müsst sie ja nicht unbedingt “Sturmabteilung” nennen — “Sicherheitsathleten” (kurz: SA) klänge doch auch sehr hübsch?

Wie weiter ohne Trump und Putin?

Allerdings kann es sein, dass Amerika am Ende gar nicht als Vorbild für euch taugt. Nicht einmal die Wiederwahl von Donald Trump ist garantiert. Zwar zeigen ihn die Umfragen gleichauf mit Joe Biden, und die amerikanischen Medien verrichten schön gewissenlos ihren Job, indem sie unaufhörlich Bidens hohes Alter betonen, während sie Trumps seniles Gestammel unkommentiert lassen. Aber es gibt ominöse Vorzeichen. Die Demokraten gewinnen lokale Wahlen in tiefrotrepublikanischen Gebieten, wo sie eigentlich gar nicht konkurrenzfähig sein sollten. Amerikas Frauen sind immer noch blitzwütend darüber, dass Trumps Richter in Washington das Recht auf Abtreibung kassiert haben. Bidens Wirtschaftspolitik funktioniert viel zu gut, während das Gequatsche über woke Linke kaum jemanden interessiert. Vielleicht wird das große amerikanische Volk Trump und den Trumpismus im nächsten Herbst mit einer gewaltigen Armbewegung von der Platte fegen. Und wenn auch noch die Ukraine den Krieg gegen euren Sugardaddy Putin gewinnt – was, Volksgenossen und Volksgenossinnen, macht ihr dann?