Wenn Westdeutsche von Frieden reden, meinen sie meist Krieg. Der ist im Prinzip gut, außer es beteiligt sich der Westen daran. So war es schon beim NATO-Doppelbeschluss, in Israel oder in der Ostukraine. In Aachen hat sich 1988 ein Verein gegründet, der diese Gesinnung auch noch mit einem Preis belohnt. Gerne auch an Hardcore-Antisemiten!

Man sollte den Aachener Karlspreis nicht mit dem Aachener Friedenspreis verwechseln. Ersterer ist eine hochkarätige Veranstaltung von internationaler Bedeutung mit Preisträgern wie Bill Clinton, Václav Havel oder Juan Carlos. Letzterer eine als Gegenveranstaltung getarnte Kampagne von moskautreuen Revolutionsrentnern, die ihrer Verbitterung über die „Verhältnisse in Deutschland“ mit irrlichternden Preisverleihungen irgendwo zwischen Links-Esoterik und nationalrevolutionären Graswurzelbewegungen Ausdruck verleihen. Mal sind es die „Women in Black“, die in Israel gegen die angebliche Besatzungspolitik protestieren, mal die Gruppe „Machsom Watch“, die israelische Checkpoints zwischen dem Kernland und den Autonomiegebieten auf Verstöße hin beobachtet, mal der inzwischen verstorbene Kölner Klagemauer-Aktivist Walter Herrmann  der auf seinen Schmier-Plakaten die Juden mit den Nazis verglich. Oft geht es gegen Israel, fast immer gegen die NATO und den Westen. Menschen, die sich auf der Krim oder in der Ostukraine gegen russische Einflussnahme wehren oder gegen den syrischen Bombenterror und die iranische Mordmaschinerie eintreten, findet man dagegen keine. Man geht also nicht falsch in der Annahme, dass „Frieden“, so ihn wie der Aachener Friedenspreis definiert, etwas höchst einseitiges ist. „Frieden“ heißt für die Aachener offensichtlich nichts anderes als die Unterwerfung unter das Dominanz-Narrativ und den Hegemonialanspruch des Kremls und der mit ihm verbündeten Vasallen und Satrapen. Auch die DDR rühmte sich ja bekanntlich, die größte „Friedensnation“ der Welt zu sein. Man könnte sagen: Nichts Neues im Westen! Man könnte diesen Quatsch auch ignorieren.

Holocaust als Strafe

Doch jetzt hat diese Gruft-Truppe, deren Zeit eigentlich längst abgelaufen sein sollte, noch einmal sich selbst übertroffen: Im Herbst soll der ukrainische Putin-Aktivist Ruslan Kotsaba (siehe Bild) für seine „Friedensbemühungen“ ausgezeichnet werden. Tatsächlich ist auch Kotsaba ein „Friedensfreund“, der im Donbass-Konflikt nur die ukrainische Seite kritisiert, nicht jedoch den alltäglichen Terror der sogenannten Separatisten sowie die tatkräftige Unterstützung ihres Handelns durch Moskau. Doch das ist nur eine Seite des „Friedensaktivismus“ von Kotsaba. Nebenbei hat er sich auch als Kenner der jüdischen Geschichte hervorgetan. Den Holocaust bezeichnete er als eine gerechte Strafe für die Juden für die Erschaffung des Nazismus und des Kommunismus. In einem Video erklärt er, dass die mangelnde Gegenwehr der Juden beim Massenmord darin begründet läge, dass sie offensichtlich ihre Schuld erkannt hätten. Sie hätten nicht nur Hitler „herangezüchtet“, so der Putin-Psycho, sondern auch Lenin, Stalin und ein paar andere Horrorgestalten der Weltgeschichte. Dennoch könne man von ihnen lernen, denn der Staat Israel sei heute ein Vorbild für die Ukraine. Dieses Paradoxon findet sich als Meme auch in den Argumenationslinien etlicher Rechtspopulisten in den Sozialen Medien wieder – oft von vielen Israelfreunden kritiklos hingenommen.

Viele Medien haben die Mitteilung des Friedenspreises, neben zwei Initiativen gegen US-Waffen (!) auf deutschem Boden auch den „ukrainischen Friedensaktivisten Ruslan Kotsaba“ auszuzeichen, brav und kommentarlos übernommen – von den „Aachener Nachrichten“ über den WDR, den „Deutschlandfunk„, die „Deutsche Welle“ bis hin zum ZDF. Recherche ist bei dieser gemeinsamen Friedensandacht wohl dem ersten Schuss zum Opfer gefallen.

Bleibt hinzuzufügen, dass im Verein „Aachener Friedenspreis“ immerhin auch die Stadt Aachen, der DGB Nordrhein-Westfalen, Misereor, der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen sowie diverse andere Organisationen und Parteigliederungen Mitglied sind: Renommierte Institutionen, die offensichtlich nichts dagegen unternehmen, dass in Aachen gefährliche Irre Preise an gefährliche Irre verleihen.

Telefonisch waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Vertreter des „Aachener Friedenspreises e.V.“ nicht erreichbar.

Nachtrag 15:50 Uhr

Telefonat mit der Stadt Aachen:

„Bin ich da in der Presseabteilung?“ -„Ja, worum geht es?“ – „Ich würde gerne etwas über die diesjährige Verleihung des Friedenspreises an den ukrainischen Aktivisten Ruslan Kotsaba wissen. Sie sind Mitglied in diesem Verein“ – „Was, in welchem Verein sollen wir sein?“ – „Aachener Friedenspreis e.V.“ Steht auf Ihrer Website, dass sie da Mitglied sind.“ – „Ach was, dann wird es wohl stimmen. Und was wollen Sie jetzt wissen?“ – „Na ja, warum dieser Preis verliehen wurde“ – „Keine Ahnung, ich stelle Sie weiter“ – „Piep“ – „Ja hallo, (Name nicht richtig zu verstehen), was kann ich für Sie tun?“ – „Es geht um die diesjährige Verleihung des Friedenspreises an den ukrainischen Aktivisten Ruslan Kotsaba. Sie sind Mitglied in dem Verein.“ – „Ja, das stimmt wohl, aber wir haben damit eigentlich nichts zu tun. Die Verleihung bestimmt das Direktorium. Wir sind nur Mitglied.“ – „Ja, aber laut Satzung entscheidet über die Preisverleihung die Vollversammlung, also alle Mitglieder, also auch Sie.“ – „Hm, keine Ahnung, ich glaube, wir haben nicht mitgestimmt, aber ich gebe ihnen mal die Nummer der Pressesprecherin des Vereins.“

Pressesprecherin Lea Heuser vom „Friedenspreis Aachen e.V.“:

Man kenne die Vorwürfe, halte sie jedoch für falsch. Man prüfe das gerade. Kotsaba habe ihnen mitgeteilt, und sie hätten wenig Zweifel daran, dass das Video manipuliert sei. Auch stimme vielleicht die Übersetzung nicht. Frage von mir: „Wie manipuliert? Das kann man ja bei einer fachgerechten Übersetzung schnell feststellen, ob manipuliert wurde.“ „Erstens ist es aus dem Zusammenhang gerissen, … und dann gibt es noch den Verdacht, dass da eine zweite Tonspur drüber gelegt wurde.“ – „Wer soll daran ein Interesse haben?“ – „Na ja, Leute aus der Ukraine, die nicht wollen, dass er den Preis kriegt.“ – „Das Video, um das es geht, ist aber schon über sieben Monate alt. Da war von einem Preis noch gar nicht die Rede. Wurde da nicht richtig recherchiert?“ – „Das weiß ich nicht, ich bin nur dir Pressesprecherin.“ – „Der Preis richtet sich scheinbar überwiegend an Personen, die ein kritisches Verhältnis zu Israel haben. Der Kölner Klagemauer-Aktivist Herrmann zum Beispiel.“ – „Das kann an den damaligen Mehrheitsverhältnissen gelegen haben. Die sind heute anders.“ – „Aber warum haben Sie noch nie einen Aktivisten ausgezeichnet, der gegen die Hamas oder die PFLP protestiert?“ – „Haben wir durchaus.“ – „Können Sie da Namen nennen?“ – „Ja, eine Gruppe aus Palästinensern und Juden.“ – „Wenn Sie Mitri Raheb und Machsom Watch meinen, dass sind doch auch Aktivisten, die Israel als Apartheid-Regime bezeichen. Ich meine jetzt echte Demonstranten gegen den Terror in Gaza. Haben Sie da schon jemanden ausgezeichnet?“ – „Weiß ich jetzt nicht, ich mach‘ das ehrenamtlich und habe jetzt gerade viel an meinem normalen Arbeitsplatz zu tun.“

Noch ein Update

Entgegen der Darstellung des Vereins gibt Ruslan Kotsaba zu, dass das Video echt sei: „Wo ist in meinem Auftritt Antisemitismus? Haben Sie das ganze Video gesehen?“. Später wurde die Passage auf Facebook gelöscht.