Biolandbau bedeutet Verschwendung von Ressourcen und Lebensmitteln. Um die Welt mit Bio zu ernähren, wäre ein zweiter Planet nötig.

Supermärkte stehen in Deutschland schon lange am Pranger, weil sie zu verschwenderisch mit Lebensmitteln umgehen und Obst und Gemüse vorschnell in der Abfalltonne entsorgen. „Das Problem Lebensmittelverschwendung ist angesichts des Hungers in der Welt und den unnötigen Klima- und Umweltschäden nicht akzeptabel“, schrieb die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen 2012 in einem offenen Brief an die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner.

Im Sommer 2015 mahnte die grüne Abgeordnete Nicole Maisch, Sprecherin für Verbraucherschutz ihrer Partei, in einer Bundestagsansprache, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden: „Wir sind bald 10 Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Da können wir es uns nicht leisten, gute Lebensmittel wegzuwerfen.“ In einer parallel veröffentlichten Pressemitteilung hieß es, Politik, Handel und Erzeuger müssten „in die Pflicht genommen werden“, um die Verschwendung vor Produkten und Ressourcen zu beenden.

Die seit langem größte Lebensmittel- und Ressourcenverschwendung erlebt die Bundesrepublik in diesem Jahr: Erzeuger lassen Tonnen von Lebensmitteln mit Absicht vergammeln, um weiter Premiumpreise erzielen zu können. Doch der Skandal darf keiner sein. Die Täter treffen auf Wohlwollen von Politik, Medien und Öffentlichkeit und erhalten am Ende des Jahres womöglich eine Entschädigung für ihr Vorgehen. Sie gelten als bedauernswerte Opfer, denen gar nichts anderes übrig bleibt.

Worum geht es? Anhänger einer Erneuerungsbewegung mit der Mission, die Welt zu retten, weigern sich, Lebensmittel vor der Zerstörung durch Schädlinge zu schützen und nehmen lieber eine Missernte in Kauf, als zu bewährten Methoden zu greifen, um ihre Pflanzen vor dem Verderb zu retten und deren Produkte der menschlichen Ernährung zur Verfügung zu stellen. Ihren Anhängern erklären sie, es sei besser, nichts zu ernten, als sich wider die Natur zu versündigen. Nach Ansicht von Politikern, die diesen Ideen nahestehen, soll dieses Verhalten nicht nur toleriert, sondern auch noch bundesweit verpflichtend werden: Ackern ohne ernten, lautet die Devise, geschützt durch Subventionen, die den Jüngern der „Bewegung“ die Vernichtung von Lebensmitteln erlauben soll, ohne dass sie damit ihre wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzen.

Aufmerksame Leser ahnen es: Es geht um den Biolandbau. Der hat in diesem Jahr bei Kartoffeln, Wein, Weizen und Gurken extreme Ernteausfälle zu verzeichnen; in einzelnen Regionen verdarben 30-50% der Ernte, in anderen 100%. Als Ursache geben die Ökobauern das feuchte Wetter an, das das Wachstum von Schädlingen wie dem Falschen Mehltau oder der Kraut- und Knollenfäule begünstigt habe.

Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Unter der Witterung hatten auch konventionell arbeitende Bauern zu leiden. Doch ihre Ertragseinbußen waren weitaus geringer, dank moderner Pflanzenschutzmittel. „Wir sind froh, dass wir heute mit Pflanzenschutzmitteln die Pilzinfektionen bekämpfen können“, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands kürzlich in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. „Hätten wir diese nicht gehabt, gäbe es in diesem Jahr keine Kartoffeln.“

Ginge es um die Ernte und um nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, stünde es auch Biobauern frei, moderne Pflanzenschutzmittel anzuwenden; sie würden allerdings für drei Jahre ihre Bio-Zertifizierung verlieren und könnten damit am Markt keinen Aufschlag für ihre Produkte mehr durchsetzen. Offenbar ist es noch immer lukrativer, eine Jahresernte zu verlieren als die Aussicht auf Premiumpreise einzubüßen.

Mutwillig das Verderben von Lebensmitteln in Kauf zu nehmen, ist Teil der Wirtschaftspraxis des Biolandbaus – der Konsument macht’s möglich. Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft Niedersachsen läßt in ihrem Newsletter vom 16.8.16 einen Biobauern zu Wort kommen, der seit 30 Jahren Biokartoffeln anbaut und auf sämtliche Pflanzenschutzmaßnahmen (auch die im Biolandbau erlaubten Schwermetall-Kupfersalze) verzichtet. Er spart damit nach eigener Aussage Geld und Arbeit und hat erst einmal seinen kompletten Kartoffelbestand verloren. „Ansonsten“, schreibt er, „stirbt der Bestand bei mir im Laufe des Juli durch P. [gemeint ist Phytophtora, L.W.] und Kartoffelkäfer ab. Dabei bleibt so viel Verkaufsware übrig, dass bei einem guten Kartoffelpreis genug bleibt. Mein Bio-Nachbar hat mit Kupferspritzung den Bestand ca. 2 Wochen länger gehalten- natürlich ein Ertragsbonus.“

Die Biobauern profitieren dabei davon, dass konventionelle Landwirte die Erreger klein halten und finden umgekehrt nichts dabei, Schädlingen ein Refugium zu bieten, in dem sie sich vermehren und von dort auf angrenzende Äcker ausbreiten können. Das sind übrigens die gleichen Biobauern, die sich lauthals darüber beschweren, dass ihre Äcker durch Pflanzenschutzmittel oder „Gene“ von konventionell wirtschaftenden Betrieben beeinträchtigt werden.

Der Verbraucher merkt von der Missernte nichts: Sind die heimischen Bioerzeugnisse knapp oder zu teuer, kauft er Biokartoffeln aus Ägypten, Biowein aus Australien und Biogurken aus Israel. Die Regale sind zuverlässig gefüllt. Eine Hungersnot muss das reiche Europa nicht befürchten.

Im globalen Maßstab ist die Dimension der Ernteverluste durch Krankheiten und Schädlinge erschreckend, vor allem in Afrika, Asien und Teilen von Südamerika – dort stehen Pflanzenschutzmittel längst nicht allen Bauern zur Verfügung und gegen viele Krankheiten gibt es schlicht noch keine.

Andreas von Tiedemann, Professor für Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz an der Universität Göttingen, rechnete kürzlich bei einem Vortrag in Göttingen vor, dass Weizen, Reis, Mais, Kartoffeln und Soja etwa 90 Prozent der Weltnahrungsmittel ausmachen. Pro Jahr geht etwa ein Drittel davon durch Krankheiten und Schädlinge verloren. Ohne Pflanzenschutzmittel wären es zwei Drittel. Verluste bei Lagerung und Transport sind dabei noch nicht eingerechnet.

Von Tiedemann erinnerte daran, dass die Gelbrost-Epidemie, die sich seit 2010 in Europa ausbreitet, ohne den Einsatz von Pestiziden 60% der hiesigen Weizenernte vernichten würde. Ohne Pflanzenschutzmittel würde für Weizen, Gerste, Raps und Kartoffeln eine doppelt so große Anbaufläche benötigt, um die gleichen Erträge wie mit Pestiziden zu erzielen. Die von der Partei Die Grünen und von Umweltschützern geforderte Agararwende mit Umstellung auf 100% Bio würde, so von Tiedemann, einen Ernterückgang von 20 bis 50 Prozent bedeuten. In diesem Jahr würden deutsche Landwirte dann womöglich gar keinen Wein, kaum Kartoffeln und Gurken und nur minderwertigen Weizen ernten.

Das Beispiel zeigt: Bio ist eine Luxuswirtschaftsweise für Menschen in Ländern, in denen die Läden von Nahrungsmitteln überquellen. Bauern in solchen Ländern können es sich leisten, Feldfrüchte auf Hunderttausenden von Hektar vergammeln zu lassen. Mutwillig auf bewährte, jahrelang getestete Pflanzenschutzmittel zu verzichten, bedeutet, die Verschwendung von Ressourcen und Lebensmitteln in großem Maßstab in Kauf zu nehmen. Wer so handelt, hat kein Recht, Unternehmen und Menschen zu verurteilen, die Lebensmittel wegwerfen.

Aber noch etwas zeigen die Ernteverluste des Biolandbaus: Es ist eine dreiste Lüge, zu behaupten, dass Bio die Welt ernähren kann. Das würde angesichts der Schädlinge, die dann weitgehend freie Bahn hätten, nur klappen, wenn wir einen zweiten Planeten für den Anbau von Bioprodukten zur Verfügung hätten.

LINKS

Bio-Kartoffelbauern in der Pfalz drohen 100 Prozent Ernteausfall.“

„50 Prozent oder sogar mehr, so hoch schätzen Biowinzer derzeit die drohenden Ernteausfälle durch den Pilz, der gemeinhin falscher Mehltau genannt wird.“

„Ein Betrieb aus Steinreich (Dahme-Spreewald) etwa beklagt bei Bio-Schälgurken Ernteausfälle von 70 Prozent. Grund sei eine Pilzkrankheit.“

Auch die Schweiz ist betroffen: Verzicht auf Fungizide führt zu Weizenmissernte: „Die Weizenernte sei dieses Jahr katastrophal ausgefallen – wegen der nassen Monate Mai und Juni und weil jene Bauern, die vom Bund und vom privaten Anbieter IP Suisse Beiträge erhalten wollten, keine Fungizide im Kampf gegen Pilze einsetzen dürften.“