Eine Laudatio von Michael Miersch auf Sebastian Dalkowski, der in der ZEIT (Nr. 7 vom 9.2.2017) forderte: „Ich will mehr Verbote!“

Lieber Sebastian, ich darf dich doch beim Vornamen nennen, oder? Wenn ich deinen Nachnamen einspare, verbraucht mein Computer ein kleines bisschen weniger Strom und die Welt wird ein kleines bisschen besser. Sebastian, dein Artikel in der „Zeit“, in dem du mehr Verbote forderst, um die Welt zu retten, spricht mir aus dem Herzen. Genau so geht es. Statt dieses lahmen liberalen Parlamentarismus mit seinen Interessengruppen, Kompromissen und endlosen Verhandlungen müsste mal ein starker Mann oder eine starke Frau kommen und uns sagen, wo’s langgeht. Uns schwachen, stets verführungsbereiten Konsumtrotteln. Schluss mit diesem windelweichen Nudging, wir brauchen klare Ansagen!

Die „Titanic“ hat schon in den 80er-Jahren gezeigt, wie es gehen könnte. Einfach an jeden Baum im Wald ein gelbes Blechschild nageln: Waldsterben verboten! Leider hat sich später herausgestellt, dass es das Waldsterben gar nicht gab. Macht aber nichts, die Idee war richtig.

Sebastian, wir sind aus einem Holz. Ich habe ein Bild von dir im Internet gesehen. Du siehst supersympathisch aus. Dennoch muss ich deinen Text ein kleines bisschen kritisieren, denn er ist mir zu zaghaft, zu reformistisch. Plastik, Autos, Fleisch und ein schlappes Dutzend andere Sachen, die dir zum Verbieten eingefallen sind – das wird nicht reichen. Wir brauchen mehr Verbote! Und vor allem konsequentere.

„Die Welt besser machen“ ist zu allgemein

Und da setzt mein zweiter Kritikpunkt an, lieber Sebastian: Konsequenz. Wir müssen uns auf ein Ziel einigen. „Die Welt besser machen“ ist zu allgemein.  Da merkt man, pardon Sebastian, dass du dich ein bisschen mehr mit Sozialstatistik, Ökologie und ein paar anderen Disziplinen befassen solltest. Aber man kann aus deinem Text durchaus rauslesen, um was es dir geht. Und das ist genau das, worum es mir geht: Weniger Armut auf der Welt, eine gesunde Umwelt und Schutz der Natur. Drauf können wir uns einigen, oder?

Doch Sebastian, jetzt musst du tapfer sein, du hast sehr viele Dinge vergessen (oder übersehen?), die man sofort verbieten sollte, weil sie zur Armut in Entwicklungsländern beitragen, die Umwelt vergiften und die Natur zerstören. Ich verrate dir jetzt ein paar Sachen, die der starke Mann (könntest du das nicht sein, Sebastian?) schnellstens verbieten sollte, und zwar noch vor deiner Verbotsliste.

Fangen wir mal bei deinem Erweckungserlebnis an. Du hast dir einen Fertigsalat mit Plastikverpackung und ebensolchem Besteck gekauft. Gaaaanz schlecht. Dir bereitete jedoch nur das Plastikzeug Unbehagen. Aber Sebastian, was ist mit dem Salat? Weißt du aus was Kopfsalat besteht: aus Zellstoff und Wasser. Zellstoff ist das gleiche Material, aus dem auch Tempotaschentücher gemacht werden. Das Zeug füllt den Magen, hat jedoch keinerlei Nährwert. Tausende Quadratkilometer Land werden weltweit vergeudet, um Kopfsalat anzubauen. Auf diesen Flächen könne man wertvolle Lebensmittel anpflanzen, oder Naturschutzgebiete einrichten, wenn Kopfsalat endlich verboten würde. Aber das traut sich ja keiner, wie du zurecht kritisierst.

Wo wir gerade bei Wasser sind. Als nächstes müsste Wassersparen verboten werden. Und zwar sofort. Das gilt allerdings nur für Deutschland. Denn mit ihrem Wassersparfimmel lassen die Deutschen ihr Leitungssystem verschlammen. Die Stadtwerke müssen deshalb große Mengen Wasser mit Druck durch die Rohre pumpen, um es wieder frei zu kriegen. Außerdem steigt wegen der Wassersparmanie in einigen Städten das Grundwasser. Feuchtigkeit von unten lässt Keller schimmeln. Auch nicht gut. Also: Wassersparen verbieten.

Für 100 Prozent Bio bräuchten wir eine zweite Erde

Bleiben wir bei Lebensmitteln. Ökologisch dringend geboten wäre ein Verbot der Bio-Landwirtschaft. Sie benötigt doppelt soviel Fläche wie die effiziente Landwirtschaft. Fläche ist – das solltest du wissen Sebastian – eine knappe Ressource. Wenn alle Bauern nach den Richtlinien der Bio-Verbände wirtschaften würden, gäbe es keine unbeackerte Natur mehr und wir bräuchten einen zweiten Planeten. Das wollen wir doch beide nicht, Sebastian. Biolandbau muss sofort ganz oben auf die Verbotsliste.

Außerdem sollten alle Produkte verschwinden, die ohne Gentechnik angebaut wurden, obwohl es gentechnisch Alternativen gibt. Denn die Aussaat von Pflanzen, die sich dank Gentechnik selbst gegen Schädlinge wehren, spart viele Tonnen Pestizide. Schmetterlinge und Wildbienen würden es uns danken Sebastian, wenn es uns gelingt allen Landwirten Gentechnik verbindlich vorzuschreiben und den Anbau von Nicht-Gentechnik-Marktfrüchten endlich zu verbieten.

So, damit wäre schon mal viel erreicht für eine gesündere Umwelt und mehr Platz für die Natur geschaffen. Weiter geht’s. Bleiben wir auf dem Land. Dort muss die deutsche Energiewende sofort gestoppt werden. Sie ist eine der Hauptursachen für den massiven Rückgang vieler Tier- und Pflanzenarten geworden. Zuerst verbieten wir Biogas. In den riesigen Monokulturen aus Energiemais singt kein Vogel mehr. Weg damit! Wir brauchen stattdessen wieder mehr bunte Wildblumenwiesen.

Windkraft muss weg!

Als nächstes muss Biodiesel abgeschafft werden. Das ist wirklich dringend, Sebastian. In Südostasien wird Urwald gerodet, um Palmöl für Biodiesel anzubauen. Orang-Utan und Sumatranashorn sterben vor unseren Augen aus, weil Europäer kein Mineralöl mehr mögen. Schrecklich.

Beim Thema Energie  fehlt natürlich noch eine dritte desaströse Technik: die Windkraft.  Sie muss sofort verschwinden. Denn es ist unverantwortlich, dass allein in Deutschland jedes Jahr 120.000 Vögel und 250.000 Fledermäuse der Stromgewinnung geopfert werden. Schluss damit!

Wenn ich mir es recht überlege, Sebastian, dann sollten wir alle Formen der Elektrizitätsgewinnung verbieten. Außer Atomkraft. Die verbraucht wenig Fläche, pustet keine Abgase in die Luft und – das ist das Wichtigste – Atomkraftwerke sind die sichersten Kraftwerke von allen. Die Statistik beweist: Kohle, Gas und Wasserkraft verursachen weitaus mehr Todesfällen als Atomkraft. Die meisten Toten fordert übrigens das Verbrennen von Holz und Holzkohle in den Hütten der Ärmsten. Die Zahl dieser Opfer geht alljährlich in die Millionen. Laut WHO (World Health Organization) ist diese so genannte „Indoor Air Pollution“ die größte Gesundheitsgefahr aus der Umwelt, die es gibt. Ach, und übrigens bei uns, in den reichen Ländern, gehören offene Kamine zu den schlimmsten Feinstaubemittenten. Weg damit! Am besten alles verbieten außer Kernkraftwerken. Natur und Menschen ginge es damit viel besser.

Was würden Putin und Erdogan machen?

Ein anderes riesiges Gesundheitsproblem in den armen Ländern ist Malaria. Die Malariamücken könnte man mit DDT abtöten. Doch das ist in vielen Ländern leider verboten, weil grüne Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dies durchgesetzt haben. Das beste Mittel dagegen wäre es, grüne NGOs schnellstens zu verbieten. Wir können ja mal bei Putin und Erdogan nachfragen, wie das am besten geht.

Da fällt mir noch ein wichtiges Verbot ein, mit dem man sofort und effizient den ärmsten Ländern helfen könnte: Das regionale Einkaufen strikt unterbinden. Gerade die am wenigsten entwickelten Regionen der Erde haben nichts zu exportieren als Lebensmittel. Wenn wir diese nicht kaufen, weil wir Bodenseeäpfel der Mango aus Kenia vorziehen, fügen wir ihnen massiven wirtschaftlichen Schaden zu. Regionales Einkaufen trifft die Allerschwächsten, Sebastian. Das dürfen wir nicht erlauben. Übrigens müssen auch alle Importzölle für Lebensmittel aus Entwicklungsländern wegfallen, und zwar sofort.

Eine weitere Einnahmequelle armer Länder auf der Südhalbkugel ist der Tourismus. Ohne Touristen könnte sich Tansania niemals leisten, die Serengeti als Nationalpark zu belassen. In Costa Rica würde der Regenwald gerodet und Kaffee angepflanzt, wenn die schöne Natur nicht zahlende Europäer und Nordamerikaner ins Land locken würde. Sebastian, wir brauchen ein sofortiges Verbot des Zuhause-Bleibens und eine möglichst niedrige Quote für Inlandstourismus, wenn wir die Natur in der Dritten Welt retten wollen. Jawohl!

Sport ist Mord

Übrigens, deinem Autoverbot schließe ich mich voll und ganz an. Die Blechkisten  verursachen allein in Deutschland über 3.000 Tote im Jahr. Das ist nicht akzeptabel. Übrigens ist Radfahren auch ganz schön gefährlich; am besten gleich mitverbieten, dann gibt es nur einmal Protest. Was wir aber nicht vergessen dürfen, sind die Risiken des Haushalts. Mehr als 8.000 Menschen kommen dort pro Jahr um. Oftmals durch Stürze von Hockern oder Leitern, zwei mörderische Geräte, die man sofort verbieten muss. Ebenso gefährlich ist nur Sport. Den sollte man sowieso verbieten.

Ach, Sebstian, ich hätte noch eine ganze Sammlung unverantwortlicher, gesundheitsschädlicher, Natur zerstörender und sogar tödlicher Dinge, die eigentlich verboten werden müssten, um die die meisten Menschen sich aber keine Gedanken machen, weil sie nicht wissen wie gefährlich sie sind, oder sich einfach daran gewöhnt haben. Tausende sterben jedes Jahr, weil sie sich in Krankenhäusern infizieren. Doch die Lobby verhindert, dass über ein Krankenhausverbot auch nur nachgedacht wird.

Sebastian, wir müssen diese Menschen aufrütteln! Es kann doch nicht sein, dass in dieser permissiven Gesellschaft alle das Falsche tun, obwohl wir beide es besser wissen. Wo bleibt nur der starke Mann, der uns den richtigen Weg weist und endlich alles Schlechte verbietet. Wir beide wissen, dass es geht. Es ist keine Utopie. Wenige Autos, keine Auslandsreisen, konsequenter Konsumverzicht, regionale Kost, Stromabschaltungen: Das war auf einem Drittel der Erde schon einmal gelebte Wirklichkeit. Leider war es 1989 damit vorbei.