Ein Report von Demonstrationen und „Spaziergängen“ in Bernau, Ahrensburg, Wittmund und Hamburg.

Dienstag, DDR-Pionier-Lieder in Bernau (Brandenburg)

Der Platz vor dem Bahnhof Bernau, eine brandenburgische Stadt vor den Toren Berlins. Es sind etwa 1200 Menschen zur angemeldeten Demonstration gekommen. Ein Redner tönt ins Mikrofon: „Die Angst ist eine Massenpsychose. Die Angst ist irreal. Ist die Angst weg, ist die Pandemie weg. Wir sind das Volk und wir lassen uns keine Angst mehr machen in unserer großen, liebenswerten, neuen Familie.“

Anästhesie-Schwester Elke (60) aus Bernau ist gekommen, erklärt ihre Sicht der Dinge: „Diese Corona-Lügenpandemie soll endlich ein Ende haben! Wir wollen wieder in Freiheit leben. Wir sind keine Querdenker, wir sind Menschen. Das ist eine Impfpflicht mit einem Impfstoff, der keine Zulassung hat. Es wird verschwiegen, wie viele Menschen schon an der Impfung gestorben sind. Wir stehen hier für 1G! Das heißt gesund! Das ist 1:1 wie mit den Juden! Wir dürfen auch nicht in Restaurants. Bald stecken sie uns noch in Lager, in Quarantäne-Lager. Wir sind keine Rechten, keine Nazis. Das Coronavirus ist eine Grippe. Dass die Intensivstationen voll sind, ist gelogen! Ich habe gekündigt zum 31.12., weil ich mich nicht impfen lassen werde. Ich habe aber schon eine neue Anstellung bei einem Arzt, der der Coronapolitik auch kritisch gegenübersteht.“

Die Demonstration in Bernau war angemeldet – Foto: Til Biermann

Es stehen etwa zehn Polizeiwannen vor dem Bahnhof Bernau. Ein Mann, um die 60, holt aus: „Ich lese am Tag 600 bis 1500 Berichte, ich habe ja jetzt viel Zeit. Ihr müsst mal Telegram lesen, dann seit ihr auch nah an der Zeit dran. Die Gruppen ,Boom‘ und ,AUF1‘ zum Beispiel. Da hat sich jemand gemeldet, der schrieb, dass er jahrelang von unseren Vorturnern missbraucht wurde“, – der Mann meint damit die Regierenden. „In den Gruppen erklärt Dr. Wodarg, was es mit den Impfungen auf sich hat. Schon mal was vom Great Reset gehört? Die der Wahrheit am nächsten kommen, sind Verschwörungstheoretiker. Dahinter stecken Soros, Rockefeller, Bill Gates und die ganze Gang. Die Bilderberger sind auch nicht ganz unbeteiligt, da ist Merkel mit dabei. Ich werde mich nicht impfen lassen, wer weiß, was in der Brühe ist.“

Der „Great Reset“ ist eine beliebte Verschwörungserzählung. Demnach plane eine globale Finanzelite mit einer vorgetäuschten Corona-Pandemie eine Neuordnung der Welt. Tatsächlich war nach Ausbruch der Pandemie beim Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos, im Juli 2020, die Rede davon, aus der Krise zu lernen und eine nachhaltigere Wirtschaft zu entwickeln, ein „Great Reset“ also. Verschwörungsmythiker machten daraus einen teuflischen von langer Hand geführten Plan.

Elke schaltet sich wieder ein: „Lauterbach hat nicht mal Medizin studiert! Hildmann ist ja jetzt auch ein Neonazi, weil er ein bisschen was Wahres gesagt hat.“

Ein Redner skandiert: „Ich hoffe, dass wir nachher genügend Richter haben, die alle abzuurteilen.“

Der wegen Volksverhetzung gesuchte und wahrscheinlich in der Türkei untergetauchte Vegan-Koch Attila Hildmann vermutet „die Juden“ als Übel hinter der Pandemie.

Ein typisches Demoschild in Bernau – Foto: Til Biermann

Eine Pflegerin, P. (49): „Ich arbeite in der Pflege, ich will nicht gezwungen werden. Es steht auch nicht fest, wie oft geboostert werden soll. Ich bin genesen, hatte keine schlimmen Symptome. Ich habe vor der Impfung mehr Angst, als vor der Erkrankung. Ich glaube aber an die Gefährlichkeit des Viruses, deswegen trage ich Maske. Man kriegt im Krankenhaus die schlimmen Verläufe mit. Es gibt aber einfach zu viele Fragen zum Impfstoff, er ist zu neu. Bis zum 15.3. muss man bei uns Immunität vorweisen. Vielleicht werde ich es dann doch machen, ich will mich nicht seelisch kaputt machen, ich habe Familie.“

Ihre Kollegin, ebenfalls P. (49): „Bei mir ist die Angst vor der Impfung so groß, dass ich meinen Arbeitsvertrag kündigen werde.“ Sie war seit 30 Jahren im Beruf. Was sagt sie zu Leuten, die wie der Reporter drei mal geimpft wurden und noch leben? „Zum Glück haben ja auch welche Glück. Und mal schauen, was später kommt.“

Mediengestalter Martin (35) aus Bernau trägt Engelsflügel: „Ich will, dass wir in einen offenen Austausch gehen. Ich finde, beide Seiten sollten gehört werden. Das ist Demokratie. Wenn ich eine Ehrlichkeit spüre, würde ich mich vielleicht impfen lassen. Alles ändert sich so schnell. Die Ruhe muss wieder reinkommen.“

Der Redner tönt aus dem Hintergrund: „Es sind Verbrecher und Psychopathen, die eigentlich sofort verurteilt werden müssten.“

Martin weiter: „Ich sammele jetzt Informationen, probiere, mir selbst ein Bild zu machen. Studien lese ich nicht, ich rede mit Leuten. Kommunikation ist wichtig!“

Engelsflügel in der Stadt vor den Toren Berlins – Foto: Til Biermann

Der Redner singt sehr schief und ein Teil der Menge mit: „Und wir lieben die Heimat, die Schöne und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört, weil sie unserem Volke gehört.“  Ein DDR-Lied der Pioniere. Das ist interessant: Die Coronaleugner sehen sich oft als rechtmäßige Erben derjenigen, die 1989 gegen die reale DDR-Diktatur auf die Straßen gingen. Hier singen sie jetzt eines der Lieder, die in der Diktatur hochgehalten wurden.

Am Rand steht ein Schlägertruppe in Jogginganzügen mit Thor-Steinar-Mützen und Tattoos. Die Menge skandiert „Wir sind das Volk!“ Fast alle ohne Masken eng aneinander. Die Polizei lässt gewähren.

Manuel (63) trägt einen mit Alufolie überzogenen Hut: „Wir möchten gerne, dass diese Bedrängnis und dass diese unmöglichen Maßnahmen und Beschränkungen wieder aufgehoben werden und dass wir wieder Zeiten wie früher haben, das ist ja nicht zu viel verlangt. Mit einer Pandemie ist das ja nicht gleichzusetzen, die sieht normalerweise anders aus. Die Pandemievorschriften wurden 2009 geändert, das ist im Prinzip eine normale Grippe, die im April 2020 abgeschafft wurde von der WHO. Dass die letztendlich mit der Pandemie gleichgesetzt wurde. Und dass die Inzidenzzahlen nur noch das Tagesgeschehen bestimmen. Und wie man so weit weiß, beruht diese Pandemie auf Zahlen, Propaganda und Inzidenzien und das ist alles nicht nachvollziehbar.“

Manuel (63) glaubt einer gewaltigen, den Globus umspannenden Verschwörung von Mächtigen auf der Spur zu sein – Foto: Til Biermann

Warum sollte so etwas gemacht werden?

„Ja, man will den sogenannten großen Reset durchziehen, man will eine vollkommene Gesellschaftsveränderung weltweit durchknallen und dafür braucht man eben einen Anlass. Und dazu ist sowas wie eine Pandemie natürlich treffend, damals versuchte man das 2019 mit der Schweinegrippe, aber das ging schief, weil die Öffentlich Rechtlichen damals noch funktionierten, das ist mittlerweile abgeschafft worden.“

Wer, glaubt er, macht das?

„Das sind Leute, die sind übergeordnet, das sind NWO-Macher und Planer. Und Frau Merkel als ehemaliger Agitprop-Kader brachte sich da ordentlich ein und schaltete die Medien gleich, so dass wir heute nur noch gefiltert informiert werden.“

Warum sollten die das tun?

„Man könnte natürlich einführen die Gebote oder die Verhaltensregeln, die auf den Georgia-Lead-Stones eingemeißelt sind, das sieht ziemlich ernst aus. Da sind mehrere Gebote, die verewigt wurden in dem Bundesstaat Georgia auf diesen Georgia-Leitsteinen. Da steht als erste Verhaltensregel für eine humane Gesellschaft weltweit: Halte die Weltbevölkerung unter 500 Millionen. Da muss man ja irgendwo mal mit anfangen. Und wir werden jetzt mit dieser Pandemie und insbesondere mit dieser Impfkampagne beglückt, wo die Nebenwirkungen ja schon immer bekannter werden.“

Was würde er zu Leuten sagen, die sagen: Das sind Verschwörungsmythen?

„Ja, die können das ruhig weiter glauben. Es kommt darauf an, wo man sich informiert. Ob man sich aus den Öffentlich Rechtlichen seine Informationen holt oder beispielsweise aus Youtube oder Telegram, was ja von Staats wegen sehr bemängelt und beäugt wird, aber darauf kommt es an.“

Warum hat er einen Aluhut auf?

„Sehen Sie sich mal um, wir werden alle als sogenannte Aluhutträger verschrien, aber Aluhüte gibt es hier gar nicht. Ich bin einer von den Wenigen, das ist im Grunde alles.“

Mittwoch, ein „Spaziergang“ in Ahrensburg (Schleswig-Holstein)

Per Telegram verabredet haben sich etwa 50 „Spaziergänger“ auf der Brücke zum schönen alten Ahrensburger Schloss bei Hamburg versammelt. In Bernau waren es über 1000 Menschen, hier in Schleswig-Holstein scheinen die Argumente der Corona-Demonstranten auf weniger fruchtbaren Boden zu fallen.

Sie wollen einen „Spaziergang“ machen, der anders als eine Demonstration nicht angemeldet werden muss.

Mehrere Streifenwagen begleiten den Gang zum Rathaus und zurück. Ein Beamter sagt: „Solange es nicht gewalttätig ist, lassen wir es laufen.“ Er ist also im alten Sinne des Wortes ein Schutzmann.

Die Ahrensburger Corona-Impfgegner vor dem Rathaus – Foto: Til Biermann

In sein Funkgerät sagt er: „Der Herr G. ist auch wieder da.“ Er kennt den „Spaziergänger“ von anderen Demos, offenbar ein Organisator.

Ralph (63), Vertriebsleiter eines internationalen Unternehmens ist einer der Krypto-Demonstranten: „Wir sind gegen die Impfpflicht, deswegen sind wir hier. Es ist verboten, seine Meinung zu sagen. Die Impfpflicht ist gegen unser Recht.“

Seine Frau sagt: „Sie bringt Menschen um!“

Ralph: „Corona ist genauso wie eine normale Grippe. Die Pharmazeuten wollen das!“

Sie: „Wir sind so sauer!“

Ralph: „Ich bin nicht geimpft, meine Chefs wollen, dass ich wieder reise. Noch kann ich sagen: Wir haben eine globale Pandemie, ich kann nicht reisen!“

Peter (58), Mütze, sieht linksalternativ aus, will aber bei den nächsten Wahlen der AfD seine Stimme geben, da die sich gegen die Impfpflicht positionierte: „Ich bin für die Meinungsfreiheit und gegen Zwangstherapie. Die Politik hat die einfachen Bürger nicht mehr auf dem Radar. Sie ist ferngesteuert vom Klub der Milliardäre. Wir sind die 99 Prozent, wir sind von der Politik nicht vertreten. Wir Ungeimpften sind die Bösen, dabei ist das eine Gentherapie. In Oldesloe waren wir mehr, wir organisieren uns über die Telegram-Gruppe ,Freies Holstein‘.“

Peter (58) hat sich für das Foto eine Maske aufgesetzt – Foto: Til Biermann

Er sieht sich als einer der „99 Prozent“ der Bevölkerung, die gegen Corona-Maßnahmen und Impfungen seien. Eine beliebte Verschwörungserzählung.

Chefsekretärin Inga (52), ungeimpft, holt weiter aus: „Die Impfpflicht sollte nicht kommen, jetzt kommt sie. Ich habe keine Angst vor dem Virus, aber ich habe keine Lust darauf, wie Scholz das so schön sagt, ein Versuchskaninchen zu sein. In der Politik geschieht nichts aus Zufall. Dahinter stecken Pharmalobbyisten. Ich habe einen normalen Chef, der an Menschenrechte und Grundrechte glaubt. Viele, viele Menschen sind wegen der Impfung tot.“

Die Selbstständige Dörte (61) holt ihr Handy raus, zeigt einen Film aus einer Whatsapp-Gruppe: „Robert W. Malone, der Erfinder der mRNA-Impfung, warnt davor! Schau mal, dieses Video.“

Tatsächlich war W. Malone in den 80er-Jahren an der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen beteiligt, geriet dann in Vergessenheit. Jetzt tauchte er wieder auf als Galionsfigur der  Impfgegner. Er behauptet, es gäbe seit langem wirksame Medikamente gegen Covid. Belege hat er dafür nicht.

Dörte weiter: „Der Entwickler des PCR-Testes, das ist ja Kerry Mullis, ein Amerikaner. Und der hat gesagt, man kann damit nahezu alles in jedermann finden, wenn man danach suchen möchte.“

Aber warum sollte das alles gemacht werden?

„Das möchte ich auch gerne wissen, da gibt es mehrere Theorien. Ich weiß es nicht, ob die Politiker korrupt sind. Ob die da nicht mehr raus können, ob die vielleicht…“

Die Fremdsprachenkorrespondentin Tina (60) hakt ein: „Gekauft sind? Ich möchte einfach, dass an einen Tisch gekommen wird, dass wieder Demokratie herrscht und dass nicht irgendwelche drei Leute uns seit Monaten vollschwallen, keine Lust mehr zu. Ich möchte einfach einen vernünftigen Diskurs.“

Dörte (61, l.) und Tina (60) auf dem „Spaziergang“ in Ahrensburg

Aber warum glaubt sie, werden diese Maßnahmen weltweit eingeführt?

Tina: „Das kann ich nicht beantworten, ich kann mir nur die Zahlen angucken und ich sehe, dass die Zahlen nicht stimmen und ich fühle mich verarscht. Das ist das, was ich sehe. Ich kann rechnen, ich kann gucken und ich kann mir Studien angucken und ich sehe, dass die Zahlen nicht stimmen. Und dass wir hier wirklich nach Strich und Faden belogen werden und ich möchte, dass das aufhört.“

Warum würden die, die sie da meint, denn lügen?

„Das weiß ich nicht. Vielleicht aus Geldgründen, das ist ja meistens der Grund. Die Pharmazie ist mächtig. Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Ich wünsche mir einen Untersuchungsausschuss, der funktioniert. Ich wünsche mir Kontrollmechanismen, die wieder funktionieren. Eine funktionierende Demokratie mit einem Austausch. Und Bürgerrechte, verlässliche. Und meine Gesundheit ist mein Körper.“

Würde sie sich impfen lassen, wenn die Pflicht kommt?

„Nein, auf gar keinen Fall. Weil ich habe einen medizinischen Beruf, ich weiß, dass es dummes Zeug ist mit dieser Impfung, das nützt nichts, das haut mit dem Virus nicht hin, kann man auch sich selber anlesen. Also ich bin keine Impfgegnerin, ich bin geimpft, mein Kind ist geimpft. Eine Impfung ist was anderes, als das, was hier passiert. Das ist eine medizinische Behandlung, keine Impfung, sie schützt nicht vor weiteren Ansteckungen.“

Zwei Frauen am Rande des Spaziergangs haben Angst. Eine: „Ich habe schlechte Erfahrungen mit Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs. Ich leide immer noch unter Nebenwirkungen. In fünf, sechs, sieben Jahren könnte ich mir vorstellen, mich impfen zu lassen, wenn es dann allen noch gut geht.“

Die andere schüttelt den Kopf: „Man achtet darauf, dass alles Bio ist, Reis ohne Gentechnik und dann haust Du Dir diesen genmanipulierten Scheiß rein!“

Eine andere Frau, sie hat eine Maske, auf der steht „Nicht eure Laborratte“ kommt hinzu, sagt: „Wir sind nicht Querdenker, sondern Selbstdenker.“

Anti-Impf-Maske – Foto: Til Biermann

Freitag, „Spaziergang“ in Wittmund (Niedersachsen)

Ein Städtchen Niedersachen, Friesland, nahe der Nordsee. Flache Klinkerbauten in der norddeutschen Tiefebene. Auch hier haben sich per Telegram „Spaziergänger“ verabredet, etwa 50 kommen zusammen.

Zwei Polizisten begleiten den Corona-Protest, die Behörden beobachten die Telegramgruppen offenbar genau. Einer stammt aus dem Ort, sagt über die „Spaziergänger“: „90 Prozent der Leute da wohnen hier nicht in Wittmund!“

Ein Jugendlicher erzählt: „Auf Discord hat einer zu mir gesagt, ich bin ein Querdenker. Da habe ich gesagt: Ja, ich kann nicht nur geradeaus denken.“

Sein Vater prophezeit ein Impfmassaker: „Das Sterben fängt jetzt erst an. Am 1.1.2022 geht es richtig los. Und wenn die Elite merkt, jetzt werden die Proteste zu viel, sind wir die nächsten. Dann kommen die mit Biowaffen.“

Eine Frau verabschiedet sich nach dieser apokalyptischen Prophezeiung fröhlich auf norddeutsch: „Gut, ich wünsch euch was.“

Handwerksmeister Friso (53) hat seinen Vornamen vom Land aus dem er stammt. Er sagt: „Ich bin kein Mediziner, aber mein Gefühl sagt mir, dass das alles so nicht richtig sein kann.“

Bauingenieur Thorsten (50) hakt ein: „Wenn man ein Land wie Deutschland unangespitzt in den Boden rammen will, dann muss man das genau so machen.“

Thorsten (50, l.) und Friso (53). Thorsten vermutet einen bösartigen Plan hinter der Pandemie-Bekämpfung – Foto: Til Biermann

Warum würde man das tun?

Thomas: „Jetzt versuchen Sie, uns in die Verschwörungstheoretiker-Ecke zu locken: Aber ich glaube nicht daran, dass eine Industrie, die Pleite geht, wenn sie uns Medikamente zu Verfügung stellt, uns gesund machen will. Und noch viel weniger Vertrauen flößt es mir ein, wenn ein Bankkaufmann, der in einer 4,3-Millionen-Euro-Villa wohnt zusammen mit anderen Leuten, die ihre Doktorarbeiten fälschen, offensichtlich von Maskendeals und vielleicht noch mehr profitieren. Und die bussi bussi machen mit CEOs von Pfizer und sonstigen Leuten, die ja jetzt zehn Milliarden beziehungsweise Biontec vier Milliarden Gewinn ausgewiesen haben, wenn diese dann auch noch das absolut vorherrschende Produkt dieser Konzerne pushen, dann erfüllt mich das noch mit viel mehr Misstrauen. Eine andere Meinung existiert nicht, da müssen sie nur in die Talkshows gucken, Anne Will, das ist fast nicht mehr erträglich. Früher gab es wenigstens noch mal einen Alibi-Oppositionellen, aber die gibt es schon auch nicht mehr. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Ich bin nicht bereit dazu, in einem Land zu leben, in dem an die Schaufenster geschmiert wird: Kauft nicht bei Ungeimpften… das ist das, was ich dazu sagen möchte.“

Was würde er tun, wenn die Impfpflicht kommt?

„Das ist keine Option. Glaube nicht, dass die das machen, denn die Impfstoffe, die wir haben, haben nur eine Notzulassung. Ich glaube nicht, dass sie das tun, denn dann muss auch irgendjemand die Verantwortung dafür übernehmen. Ich denke nicht, dass sie so weit gehen werden. Denn dann sind wir aus der Freiwilligkeit raus. Das ist gerade schwer vorstellbar, um das zu vermeiden, pushen sie ja gerade, dass möglichst viele sich impfen lassen, ohne, dass es einen Impfzwang gibt.“

Auch Rentnerin und Ex-Krankenschwester Silvia (71) ist Corona-Impfgegnerin. „Weil ich als ehemalige Krankenschwester nicht von Impfung sprechen kann. Das ist ein gentechnisch manipulierendes Zeug, was ich in meinem Körper nicht haben will“, sagt sie.

Sivlia (71) will auch im Fall einer schweren Corona-Erkrankung nicht die Dienste von Ärzten in Anspruch nehmen – Foto: Til Biermann

Hat sie keine Angst, an Corona zu erkranken?

„Nein. Ich habe sogar vor, der Krankenkasse das schriftlich zu geben, dass ich ihren Dienst am liebsten gar nicht mehr wahrnehmen möchte und schon gar nicht bei Corona. Ich bin als Krankenschwester völlig in der Lage, mich selber zu kurieren, das können Sie mir glauben. Das ist für mich überhaupt kein Problem. Und da kann ich nur sagen: Die Leute tun mir leid, die vor so einem grippalen Infekt solche Angst haben. Eine echte Grippe ist eine Gefahr, da muss man wissen, wie man damit umgeht und sterben können wir auch zur jeder Zeit alle.“

Vor dem kleinen Rathaus der Stadt legen die Spaziergänger dann einen Brief und Kerzen nieder. Da steht: „Wir wollen ein Zeichen der Gemeinschaft zum Leuchten bringen gegen die gesellschaftliche Spaltung. Rote Kerze symbolisiert: Geimpft. Weiße Kerze symbolisiert: Nicht geimpft oder genesen. Denn wir sind das Volk!“ Da stehen nur weiße Kerzen.

Brief vor dem Rathaus in Wittmund – Foto: Til Biermann

Samstag, Massendemo in Hamburg

11.500 Menschen sind es am Ende, die vom Hauptbahnhof über die Lombardsbrücke zum  Stephansplatz über den Gänsemarkt und im Kreis zurück zum Hauptbahnhof marschieren.

Sie tragen Schilder mit Aufschriften wie „verung(e)limpft“, „Die Inzidenz ist fast bei 1933“ und lassen aus Lautsprechern Anti-Impf-Pop und Rap in den Hamburger Himmel schallen. Mit Texten wie: „Unser Land wird von Verbrechern regiert, das Grundgesetz nur noch ein Haufen Papier. Der Spielplatz wird von der Polizei kontrolliert.“

Demonstranten in Hamburg auf Höhe des Stephanplatzes – Foto: Til Biermann

Manche Corona-Impfgegner sehen sich als Verfolgte, setzen mit Schlagwörtern wie „1933“ die Ermordung von sechs Millionen Juden mit der Impfkampagne gleich, die eigentlich Menschenleben retten soll.

In einem anderen Song rappt ein Junge darüber, dass er, wenn er groß ist, lernen werden müsse, Menschen zu umarmen: „Ich will raus mit meinen Freunden in Park und meine große Schwester sagt, jetzt sind die Träume im Arsch.“ Ein anderer textet: „Es fängt gerade erst an: mRNA – ja, das Ende ist nah.“

Die Musik ist – wie die ganze Veranstaltung – professionell produziert. Immer wieder gibt es Ermahnungen Masken zu tragen, die zwar medizinisch nicht wirksam seien, aber man wolle keinen Vorwand liefern, die Demonstration aufzulösen.

Denn der Gegner sitze im Rathaus: „Herr Tschentscher, hör bitte auf zu lügen und wenn Du Mut hast, komm zu Deinem Volk“, skandiert ein Anpeitscher mit russischem Akzent und meint damit den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (55, SPD). Hintergrund: Nach der Riesendemo am Wochenende davor hatte der Hamburger Senat eine Maskenpflicht für Demos wieder eingeführt.

Ein Mann mit russischem Akzent skandiert – Foto: Til Biermann

Am Rande des Umzugs haben sich etwa 200 Gegendemonstranten formiert, die auf Italienisch skandieren: „Wir sind alle Antifaschisten!“. Demonstranten gegen Impfflicht und Coronamaßnahmen antworten mit: „Nazis raus!“ Schließlich wähnen sich einige von ihnen als Mahner vor einer neuen Diktatur, setzen die Impfpflicht mit dem Holocaust gleich.

Linke Gegendemonstranten in Hamburg – Foto: Til Biermann

Frank (57), ein kräftiger Klempner, sagt, früher sei er einer der linken Hafenstraßenbesetzer gewesen. Jetzt sieht er sich wieder auf der richtigen Seite: „Die wollen den ,Great Reset‘, das ist schön verpackter Faschismus“, sagt er. Was sagt er zu den Gegendemonstranten, die sich als Antifaschisten sehen? Gekauft, meint er: „Die dahinten? Das sind Transatlantiker. Da muss es irgendein Bezahlsystem geben.“ Er trägt eine Flagge, auf der steht: „N‘ Scheiss muss ich“.

Tatsächlich verbreiten viele der Demonstranten auf Seiten von Frank antisemitische Klischees, obskure „Globalisten“ würden hinter der ganzen, wie sie das nennen, „Plandemie“ stecken.

Frank (57) sagt, er sei einer der Autonomen, die in den 80ern die Hamburger Hafenstraße besetzten – Foto: Til Biermann

Tanja (48), Florist-Meisterin aus Hamburg: „Ich bin hier, weil ich gegen die Spaltung bin. Weil ich finde, jeder darf selber entscheiden, was er macht und tut. Für mich ist im Moment wichtig mit diesem Impfen, weil ich möchte mich nicht impfen lassen, weil ich bin fit und gesund und bin auch die letzten zwei Jahre ohne Erkältung durchgekommen und möchte einfach selber entscheiden, ob ich die Impfung möchte oder nicht. Und ich respektiere auch alle Leute, die sich impfen lassen, also ich habe auch Freunde, die sind geimpft, ist mir egal. Dass ich jetzt nichts mehr machen darf, ist mir auch egal, dann mache ich halt nichts mehr, mache ich so wie so schon seit einem Jahr nicht mehr. Kommt mir allerdings komisch vor, warum muss man mich so in die Knie zwingen, damit ich die Spritze nehme? Das lässt mich skeptisch werden.“

Warum hat sie so eine Angst davor?

„Weil das neuartige Impfstoffe sind. Ich bin ja auch geimpft ansonsten, aber das ist eben eine ganz besondere Technologie. Das ist mir einfach zu ungetestet. Und ich möchte nicht Teil dieses Testes sein.“

Tanja (48) will sich nicht gegen Corona impfen lassen – Foto: Til Biermann

Wie beurteilt sie ansonsten die Corona-Politik?

„Das ist eine weltweite Geschichte, das würde zu weit führen. Ich habe mich natürlich schlau gemacht in den alternativen Medien, was das mit auf sich haben könnte. Es gibt ja auch Planspiele, die das schon durchgespielt haben und so weiter, ich bin sehr gut informiert, glaube ich. Unsere Politik agiert von irgendwo gesteuert, die sind unter Druck gesetzt, ich weiß es nicht.“

Aber wer würde das denn steuern?

„Irgendwelche Mächtigen, große Konzerne, keine Ahnung, jeder weiß ja, was ich meine.“ Sie lacht.

Die Lehrerin Magdalene (45) aus Schleswig-Holstein ist auch gekommen: „Ich demonstriere für einen richtigen Dialog und weil einfach Dinge verschwiegen werden. Ich glaube, dass wir auf dem falschen Dampfer sitzen, das ist meine Überzeugung.“

Hat sie Angst sich zu infizieren?

„Nein, habe ich nicht. Weil ich viele Krankheiten hatte und ich bin immer durchgekommen und irgendwann ist das Leben zu Ende. Und ich glaube nicht, dass es unbedingt durch Corona beendet sein wird.“

Magdalene (45) hat meist die Grünen oder die SPD gewählt

Wie beurteilt sie die Maßnahmen der Regierung?

„Ich habe den Eindruck, dass es aus welchen Gründen auch immer so einen Druck gibt, dass das nicht mehr nachvollziehbar ist. Ich erwarte einen Dialog, dass man alle Experten einbezieht. Mediziner, Juristen, Politiker. Deswegen bin ich auf die Straße gegangen.“

Wie würde sie sich politisch einordnen?

„Ich bin null rechts. Ich bin eigentlich SPD-Wählerin, tendiere zu den Grünen, ja, ich bin für Freiheit. Ich bin für freie Entscheidung. Für Leben nach eigener Entscheidung ohne Gewalt.“

Und warum glaubt Sie werden diese Entscheidungen zur Eindämmung des Virus weltweit getroffen?

„Ich glaube, dass wir unter wahnsinnigem Druck stehen, weil unsere Wirtschaftssysteme nicht mehr so funktionieren, wie sie funktioniert haben. Wir müssen, glaube ich, eine neue Lebensform miteinander finden, das ist wie so ein Knotenpunkt in unserer Geschichte gerade.“

Einer der Demonstranten, Elektriker Pavel (58) aus Polen, trägt tatsächlich einen Hitlerbart. „Alles muss Spritze machen, ich verstehe nicht warum. Weißt Du, ich bin freie Mann, deshalb bin ich da“, sagt er.

Pavel (58) trägt Hitlerbart. Er sagt, schließlich habe ja nicht nur Hitler diese Bartform getragen – Foto: Til Biermann

Warum will er nicht geimpft werden?

„Nach Spritze mehr Leute ist tot. Das ist Statistik von Israel und Großbritannien.“

Hat er Angst vor dem Virus?

„Nein, ich denke, das ist eine einfache Mutation von der Grippe, das ist alles.“

Ein Redner, der auf einem mit „Umarmbar“ beschrifteten Truck steht, sagt, das deutsche Volk sei eine letzte Bastion gegen das Unheil: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, es gibt keinen Platz mehr für Reibereien untereinander. Mir ist egal, ob Du rechts bist, ob Du links bist. Es kommt nur noch auf eines an, liebst Du die Freiheit, ja oder nein? Eine Welle von undenkbaren Ausmaßen türmt sich vor unser aller Augen auf. Eine Welle des Lobbyismus, eine Welle der Technokratie, eine Welle der Globalisten, sie wird unsere Freiheit verschlingen, sie wird unsere Körper missbrauchen, sie wird uns ein für alle mal brechen. Deshalb fordere ich euch, erhebt euch und lasst diese Welle an den Grundfesten Deutschlands zerschellen.“

Ein Corona-Impfgegner auf der Demo in Hamburg – Foto: Til Biermann

Der Elektrikermeister Rüdiger Meier (58) ist für seine Kinder gekommen, sagt er.

„Ich bin gegen die Impfpflicht. Und ich kann das nicht ertragen, dass dieses unvollkommene Impfmittel an Kindern ausprobiert wird, das ist unverantwortlich. Es ist ein Vergehen, das passt auch mit den Nürnberger Gesetzen nicht zusammen. Ich weiß auch gar nicht, wie die Politiker dazu kommen, das in Angriff zu nehmen. Die Kinder sind doch kaum gefährdet. Das Risiko bei einer Impfung ist doch viel höher als durch den Virus.“

Rüdiger (58) sagt er habe offiziell 20 Kinder, inoffiziell 44

Meint er nicht, dass die Regierung die Bürger vielleicht mit der Impfung schützen möchte?

„Dann müsste das objektiv mal betrachtet werden, dann müssten auch neutrale Wissenschaftler rangeholt werden. Ich wäre auch gerne bereit mit den Altmedien mich zusammenzusetzen. Wenn wir unabhängige Wissenschaftler ranholen und nicht die, die in Mehrheit mit den Konzernen zusammenhängen, mit den Lobbyisten. Ich wäre gerne dazu bereit, das aufzuarbeiten, aber das wird ja nicht gemacht.“

Ist er denn geimpft?

„Nein, ich bin nicht geimpft. Ich werde mich auch nicht impfen lassen, nicht mit diesem Impfstoff. Es gibt ja auch weltweit andere Impfstoffe, bei denen ich mir das überlegen würde, aber nicht mit mRNA-Impfstoffen. Wenn die mit dieser chemischen Keule kommen, mit dieser Waffe, dann würde ich mich entsprechend auch wehren. Dann würde ich eher auswandern.“

Wo hin?

„Ich weiß nicht. Zur Not nach Russland. Aber ist mir zu weit weg von meinen Kindern. Ich habe auch viele Kinder in die Welt gesetzt. Ich würde meine letzten Jahre hier noch zu recht kommen, aber für die Kinder muss ich das tun, weil ja auch die Grundgesetze jetzt deformiert werden.“

Wie viele Kinder hat er?

„20 offiziell, inoffiziell 44. Ich bin Spender. Nur wegen den Kindern bin ich eigentlich hier.“

Dieser Report erschien in kürzerer Form bei BILD.