Zum Titel-Gau des „Cicero“

In etwas weniger aufgeregten Zeiten wäre das aktuelle Cover des „Cicero“ vermutlich nicht einmal während einer Redaktionssitzung diskutiert worden. Kein Grafiker eines seriösen Blatts hätte ein derart niederträchtiges Motiv auch nur vorgeschlagen. Mit der Unterzeile „Wie Mario Draghi die Sparer aussaugt“ wird aus der grafischen Fehlleistung ein vollendeter Titel-Gau. Hier wird an niederste, aus der europäischen Kulturgeschichte sattsam bekannte Ressentiments appelliert.

Viel ist derzeit von der Rückkehr Weimarer Verhältnisse die Rede. Dass das nicht nur für die Politik gilt, sondern auch für den Journalismus, zeigt dieser „Cicero“-Titel, der auf die pure Dämonisierung setzt. Statt komplexe Sachverhalte zu erklären, wird personalisiert. Draghi ist also die Mutter aller Probleme? Gab es etwa keine Immobilienkrisen und keine Bankpleiten? Oder steckte hinter denen auch schon der Italiener mit den Vampirzähnen?

Als „Magazin für politische Kultur“ bezeichnet sich „Cicero“ selbst. Das ist so, als würde man eine Haussanierung mit Dynamit betreiben.