Was wurde eigentlich durch die Klimabewegung des Jahres 2019 erreicht? Nicht viel, bilanziert unsere Autorin. Und das lag vor allem an der Inkonsequenz der Aktivisten. Doch jetzt kommt die letzte und kleinste Klimademo des Jahres, die alles anders macht.

Das Klima-Demo-Jahr 2019 neigt sich dem Ende zu. Wir sahen den Eintritt der Aktivistin Greta Thunberg in die Weltgeschichte und die kollektive Entrüstung einer Menge alter Herren, die sich über diese jugendliche Selbstermächtigung ohne Diplom, Titel und Mandat gar nicht mehr einkriegen konnten. Fast monatlich toppte eine bundesweite Klimademo die nächste und forderte energische Sofortmaßnahmen. Doch heraus kam nur ein Bundes-Klimapäckchen, das Autofans zu straff und Hambi-Rettern zu lasch geschnürt war. 

Die Bewegung kippt

Am Schluss erschien auf der Bühne eine apokalyptische Tanzformation namens Extinction Rebellion und machte mit zivilem Ungehorsam Furore, bis herauskam, dass ihre britischen Gründer wenig appetitliche tiefenökologische, neo-malthusianische und antisemitische Ideen verbreiten. 

Auch der Stern des blauköpfigen Influencers Rezo, der die hilflos wie ein gestrandeter Wal daliegende CDU klimatechnisch zerlegte, ist bereits wieder im Sinken begriffen: ausweislich jüngster frauenfeindlicher Tweets, die natürlich wieder mal „nur Spaß“ waren, ist der freche Zerstörer eben doch nur ein kleinbürgerlich-sexistisches Alphamännchen, dessen einzig stabiles Projekt die lukrative Selbstvermarktung ist. Doch das bislang Allerletzte war die bizarre Idee der deutschen Klimaaktivistin Luisa Neubauer, 20.000 Demonstranten für teures Eintrittsgeld ins Berliner Olympiastadion zu pferchen und sie dann eine Handy-Petition ans Parlament versenden zu lassen. 

Der Kapitalismus frisst sie alle 

Dieser Verkauf des Bürgerrechts auf Demonstrationsfreiheit mit einer Öko-Hygieneartikel-Firma als Hauptsponsor zeigt, was die Stunde geschlagen hat. Das Demo-Management ist für einige gut vernetzte Jung-Karrieristen nur eine Station auf dem Weg in die grüngewaschenen Chef- und Konzernsprechersessel dieser Republik. 

Spätestens jetzt tritt klar zutage, dass der Kapitalismus und der Untertanengeist längst auch die Klima-Mobilisierung mit Haut und Haar gefressen haben. Sie denkt nicht quer, sondern wie erwartet: brav, grün-staatstragend, Energiewende-affirmativ. Doch das war erwartbar bei einer Bewegung, der von Kanzlerin bis Ministerin, von Scientists for Future bis Omas for Future im Akkord übers Köpfchen gestreichelt wurde: Wie recht ihr habt! Wie mutig ihr seid! Leider alles ohne Konsequenz. 

Follow the science? Lieber nicht

Wir lernten auch einen neuen Aufruf zu buchstabieren: „Follow the science“. Das bedeutet, wir sollten endlich der wissenschaftlichen Evidenz der Klimaforschung folgen und eine rasche, effiziente Dekarbonisierung unserer Industriegesellschaft angehen. 

Doch auch dieser sehr vernünftige Ansatz ist nicht unbeschädigt geblieben. Denn die altgrüne Öko-Bewegung drängelte sich energisch in die neue Schüler-Klimabewegung hinein und brachte ihr bei, dass es science und science gebe: Wissenschaft, der man folgen solle – und Wissenschaft, von der man bitte die Finger lassen solle. 

Jene zweite Wissenschaft, der deutsche Ökos gar nicht gern folgen, formuliert Überlegungen, die im Energiewende-Deutschland als Tabubruch gelten. Sie besagen, dass in dringlicher Lage alle verfügbaren Instrumente zur CO2-Emissionsminderung genutzt werden sollten – und dass effiziente Instrumente Vorrang haben sollten. Ein besonders effizientes Instrument ist die Kernenergienutzung. In diesem Punkt sind sich internationale Klimaforscher einig: All hands on deck, wie einer ihrer führenden Köpfe, James Hansen, propagiert. Hansen betonte auch, dass es illusionär sei, Industrieländer mit einer Niedrigenergie-Wirtschaft auf Grundlage von Sonne und Wind dekarbonisieren zu wollen. Nur mit energiedichten Prozessen sei das sozial gerecht und ohne große ökonomische Verwerfungen zu schaffen. 

Der deutsche Sonderweg

Doch genau diesen wenig effizienten Niedrigenergie-Pfad wollen die Deutschen partout als Erste ausprobieren, getrieben von einer Mischung aus Energie-Messianismus, Naturromantismus und Standort-Patriotismus. Um das zu unterstreichen, steigen sie zuerst aus der besonders energiedichten Kernenergie aus statt aus der Kohlekraft.

Zum Jahresende werden mit dem badischen KKW Philippsburg-2 die nächsten 1400 Megawatt CO2-armer elektrischer Leistung vom Netz genommen, viele weitere tausend Megawatt werden bis 2022 folgen. Doch ersetzt wird diese Leistung keinesfalls durch Wind- und Sonnenkraft, denn diese Umgebungsenergien können keine planbare gesicherte Leistung zur Netzstabilisierung bereitstellen und brauchen selber konventionelles Backup. Daher werden vor allem Kohle und Erdgas in die Funktionsstelle der Atomkraft einrücken. Pünktlich zum Abschied von Philippsburg geht das Kohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz. 

Klima-Dissidenten in Philippsburg

Mitten in dieser Misere kommt eine kleine, aber feine Initiative daher, der ich hiermit das Prädikat „Deutschlands ehrlichste Klimademo“ verleihe. Pro-nukleare Initiativen und Klima-Aktivisten aus Deutschland und Polen werden am Sonntag nach Weihnachten nach Philippsburg fahren und auf den eklatanten Widerspruch zwischen deutschem Notstandsgerede und deutscher Handlungs-Verweigerung aufmerksam machen. Sie  fordern, dass nicht Atomkraftwerke, sondern Kohlekraftwerke stillgelegt werden sollten. Dafür beziehen sie jetzt schon kräftig Prügel von all jenen Öko-Gralshütern, die die Atomkraft bereits als erledigt ansahen. Die „Ökosozialistin“ Jutta Ditfurth witterte eine Intrige der Atomindustrie und blockte auf Twitter die Autorin dieser Zeilen; die Hambi-Besetzer waren not amused, als ein Physik-Doktorand dieser Tage mit Atomkraft-Ja-bitte-Plakat an der Braunkohlen-Abbaukante auftauchte: „Holt den Scheiß da weg!“

Es werden nicht viele Demonstranten sein, die unter dem Slogan „Atomstromverbot ist Klimatod“ der alten Anti-AKW-Bewegung Konkurrenz machen werden. Aber es werden die konsequentesten sein. Die alte Tante Anti-AKW trifft sich am selben Tag zu einem ihrer „Abschaltfeste“, an dem sie ihren vorgeblichen Triumph über die Atomindustrie feiert. Sie reklamiert ihn für sich, obwohl nicht sie, sondern eine Wahlversprechen-brechende Angela Merkel 2011 für das Ende der Kernenergie sorgte. 

How dare you! 

Natürlich führen beide, Kanzlerin wie Anti-AKW-Traditionalisten, neben ihrem Bekenntnis zum Atomausstieg auch den Klimaschutz beständig im Munde. „Wie könnt ihr es wagen!“, möchte man ihnen mit Greta zurufen, die sich einmal vorsichtig zustimmend zur Atomkraft-Lösung geäußert hatte, bis ihr ideologisch gefestigteres Umfeld sie zurückpfiff. Und weil sie es wagen – weil sie uns alle mit dem Vokabular der Dringlichkeit und des Notstandes in den Ohren liegen, aber den naheliegendsten  Lösungsansatz verteufeln und torpedieren – werde ich am 29. Dezember vor den Toren von Philippsburg-2 stehen, auf der einzigen Klimademo des Jahres 2019, die wirklich Nägel mit Köpfen macht. 

Wer auch mitmachen will, kann sich hier informieren.