Der Sieg der Demokraten bei den Nachwahlen in Alabama könnte eine Wende sein. Besinnen sich die Republikaner und jagen ihren Präsidenten zum Teufel?

Bis zur letzten Minute hatte ich gedacht, dass bei den Nachwahlen in Alabama Roy Moore zum Senator gewählt wird. Ein Scharlatan, der erfolgreich den evangelikalen Christen mimt; ein Rechtsbrecher, der über die Trennung von Staat und Religion in Amerika hinwegflankt, als sei das nichts; ein Rassist, der in einer öffentlichen Diskussion sagte, Amerika sei zur Zeit der Sklaverei noch groß gewesen und alle Verfassungszusätze nach dem zehnten streichen möchte, also zum Beispiel auch das 13. Amendment (Abschaffung der Sklaverei), das 14. Amendment (Staatsbürgerrechte für alle im Lande Geborenen) und das 19. Amendment (Wahlrecht für Frauen). (Übrigens waren all diese Verfassungszusätze mal Errungenschaften der Republikanischen Paetei. Seufz.) Ich dachte, Roy Moore wird gewählt, obwohl – nein, weil – die „Washington Post“ Frauen ausfindig gemacht hat, die als Teenager von ihm sexuell belästigt oder überfallen wurden; diese Nachricht, dachte ich, würde seine Fans nur noch mehr in seine Ecke treiben, sie würden die Vorwürfe entweder nicht glauben oder die Frauen für Störenfriede halten oder die linksliberalen Medien in den Nordstaaten dafür verantwortlich machen oder all dies zusammen.

Ich hatte gedacht, Roy Moore würde gewinnen – und dachte im Stillen: Gut so. Soll dieses Scheusal das Gesicht der gewendeten Republikanischen Partei sein, die Donald Trump zu Füßen sitzt. Soll sie zeigen, wen man bekommt, wenn man sich von der faschistischen Ideologie eines Schwachkopfes wie Steve Bannon bezirzen lässt. Ganz machiavellistisch rechnete ich mir an drei Fingern der rechten Hand aus: Ein Wahlsieg für Roy Moore würde für die Republikaner ein Pyrrhussieg sein.

Und nun hat Roy Moore verloren, und an seiner Stelle ist mit einer hauchzarten Mehrheit Doug Jones gewählt worden. Ein honoriger Linksliberaler, der als Staatsanwalt die Ku-Klux-Klan-Mörder angeklagt hat, die 1963 mit einer Bombe vier schwarze Mädchen in einer Kirche umgebracht haben. Doug Jones hatte Erfolg, indem er seinen Wahlkampf ganz unaufgeregt in der politischen Mitte führte. Wir wollen dabei nicht vergessen, wer diesen Wahlsieg möglich gemacht hat: die schwarze Gemeinschaft in Alabama – sie vor allen anderen. Ihre Mitglieder sind in rekordverdächtig hohen Zahlen zu den Wahlmaschinen geschritten, und sie haben sich dabei von keiner Schikane, mit der weiße Republikaner schwarze Wählerinnen und Wähler einschüchtern wollten, abschrecken lassen. Chapeau!

Holen die Demokraten sich den Senat zurück?

Jetzt ist alles möglich: Es kann sogar sein, dass die Demokraten sich bei den „midterm elections“ in einem Jahr den Senat wiederholen. Im Repräsentantenhaus ist ohnehin mit einer „blauen Welle“ zu rechnen. Bei den Republikanern bricht wunderbare Panik aus: Die Völkischen und die Feiglinge, die sich Trump nur aus Furcht vor der Parteibasis unterworfen hatten, fangen ganz offen an, miteinander zu streiten.

Ich kann mir plötzlich vorstellen, dass Trump, wenn er versucht, Sonderermittler Bob Mueller zu feuern, eine Gegenreaktion hervorruft, die ihn von der politischen Bühne fegt; wenn die Untersuchung weiterläuft, wird sie ihn aber auch erledigen. (Heißer Lektüretipp: „Collusion“ von Luke Harding!) Und die Frauen, die Trump begrabscht hat, melden sich im Zeichen von „MeToo“ auch wieder zu Wort. Und Trumps sexistische Attacke gegen Senatorin Gillibrand führt dazu, dass immer mehr Leute erkennen: Dieser Präsident ist es nicht würdig, die Toiletten in der Barack-Obama-Gedenkbibliothek und die Schuhe von George W. Bush zu putzen.

Kurz und gut, heute bin ich sehr vergnügt. Nach den Wahlen in Virginia hatte ich das Gefühl: Jetzt kann ich wieder atmen. Nach Alabama denke ich: Die amerikanische Republik wird Trump und den Trumpismus überleben. Vielleicht wird sie sogar gestärkt aus dieser dunklen Episode hervorgehen.