Die postmoderne Linke nimmt gerne für sich in Anspruch „progressiv“ zu sein. Nach dem 7. Oktober ist deutlich geworden: Das Gegenteil ist der Fall. Ein Essay.

In den letzten Monaten haben die Depressionen bei einigen Freundinnen und Freunden zugenommen. Zunächst dachten sie, es handelte sich um eine jener hamlethaften melancholischen Verstimmungen, unter denen man als Linke angesichts der Weltläufte ohnehin von Zeit zu Zeit leidet. Oder es wäre das Alter, was ja auch immer wieder Überraschungen bereithält. Aber dann waren sie sich unabhängig voneinander sicher, dass dies nach dem 7. Oktober begann: Verzweiflung, Schlaflosigkeit, Antriebsarmut.

Die genaue Analyse ergab schließlich: Es hatte schon vor dem Hamas-Massaker begonnen, vor den bestialischen Morden an Juden, den Folterungen und Vergewaltigungen von Frauen, den Exekutionen von Kindern, Feiernden und Gastarbeitern.

War das alles schon schlimm und Sprache verschlagend genug, steigerten aber die Bilder von Menschen, die die Bluttaten feierten, und die wie auf Kommando über die Welt verlautbarten Warnungen von Intellektuellen vor einem Völkermord durch Israel, dass sich etwas Heilloses verschoben hatte, dass Opfer umgehend dem Verdacht, eigentlich doch Täter zu sein, ausgesetzt werden konnten, nachdem man sie zuvor wie in einem abgrundbösen Karneval verspottet hatte. Als politisch und historisch denkender Mensch, egal ob links oder rechts, weiß man von den vielen Grausamkeiten in der Menschheitsgeschichte. Aber nach dem Holocaust hatte es kein vergleichbares Pogrom gegen Juden gegeben, das sich dann auch noch – quasi als Fußnote – in Belagerungen vermeintlich jüdischer Geschäfte und in antijüdischen Demonstrationen in westlichen Einkaufsstraßen fortsetzte. Das ist schockierend, das ist bedenklich, und das ist mehr als deprimierend.

Aber es hatte, wie gesagt, schon vorher begonnen.

DER STRUKTURWANDEL DER LINKEN

Die Saat für die Depression ist letztlich mit dem Strukturwandel in der Linken selbst gelegt worden. In der Zeit nach `68 teilte sie sich im Westen in reformistische und postmoderne Kräfte. Selbst wer in den siebziger Jahren noch für Mao, Fidel Castro oder Pol Pot Sympathie aufbrachte, hatte irgendwann – nach der Unterwerfung des Prager Frühlings oder den nicht mehr zu leugnenden oder zu rechtfertigenden Killing Fields in Asien – ein Einsehen und machte seinen Frieden mit den sich zusehends liberalisierenden Demokratien. Der, wenn auch mühsame, Gang durch die Institutionen begann, und es ist bemerkenswert, wie viele ehemalige Mitglieder vom Kommunistischen Bund Westdeutschland beispielsweise als Realpolitiker Karriere gemacht haben. Gerade in Deutschland war das eine immanent wichtige Integrationsleistung der Republik, von der sie politisch und gesellschaftlich profitierte.

Spätestens in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre begann dann aber auf der anderen Seite der Aufstieg der postmodernen Linken mit der intensiven Lektüre und Verbreitung der Arbeiten von Michel Foucault und Edward Said (in der Tradition von Frantz Fanon), später kam noch Judith Butler hinzu (weitere müssen hier nicht genannt werden, sie sind Adepten, nur wie so oft noch radikaler und törichter als ihre Vordenker). Ein mühsamer und entideologisierender Gang durch die Institutionen fehlte von vorneherein, denn die postmoderne Linke hat mit einigem Geschick die Universität zu ihrer lebenslangen Wohngemeinschaft gemacht – was den Kontakt mit der Realität natürlich von vorneherein reduziert. Über die Jahrzehnte ergatterte man immer mehr Lehrstühle, Forschungsgelder, Studienaufträge und Zugänge zu Landes- und Bundesministerien. Entsprechend der Theorie von der „performativen Kraft der Sprache“ konzentrierte man sich vor allem auf die kulturelle Hegemonie der eigenen Lehre, die sich in Hochschulen, Medien, Stiftungen und Institutsgründungen verfestigte: Poststrukturalismus, Genderwissenschaft, Postkolonialismus und Critical Race Theory wurden in ihren Verästelungen die herrschenden Ideologien in den Sozialwissenschaften. Da eine echte Integration von politischer Seite nicht forciert wurde und stattdessen reichlich Pfründe verteilt und weite Teile der akademischen Institutionen an diese Ideologien ausgeliefert wurden, fühlen sie sich mittlerweile so stark, dass sie Erkenntnisse und Fakten aus den Naturwissenschaften infrage stellen und die Welt oft unwidersprochen zu einem Konstrukt aus sozialen Konstruktionen erklären können.

Speziell der Postkolonialismus breitet sich in den letzten Jahren pandemisch in den Hochschulen des Westens aus und schafft es immer noch, als der „letzte heiße Scheiß“ angesehen zu werden. An ihm kann man auch einen weiteren Grund für den vorübergehenden Erfolg an Hochschulen und kulturellen Einrichtungen wie zum Beispiel den Theatern erklären: Die Verfechter der postmodernen Lehren wie auch die „Kulturschaffenden“ auf den vielen Bühnen sind ja nicht an Ausgleich und Integration interessiert – das ist langweilig –, sondern an Desintegration. Die Weltgeschichte wird nun allein als Konflikt von Nord gegen Süd, von vermeintlich Privilegierten gegen vermeintlich Diskriminierten, von Weiß gegen Nichtweiß, von Kolonialisten gegen Kolonisierte, von Heterosexuellen gegen Nonbinäre, von strukturellen Rassisten gegen alle anderen als Opfer dieses Rassismus’ interpretiert. Aber diese vorgeblichen Konflikte sollen nicht überwunden, sondern die Machtverhältnisse, nach einer ausgiebigen Zeit der Rache, des Paybacks, der Demütigungen, der neuen Ungerechtigkeiten usw. umgedreht werden. Dass auf dieser Basis keine Lösungen durch Zusammenarbeit für drängende Probleme wie den Klimawandel oder das Artensterben oder den Vormarsch der Autokratien gefunden werden, ist einleuchtend. Immerhin könnte man dem Postkolonialismus zugute halten, dass er die Erinnerung an die Verbrechen in den (deutschen) Kolonien wachgerufen hat – wenn der Postkolonialismus diese nicht vor allem dafür nutzen würde, den Holocaust zu relativieren und seine Bedeutung zu schrumpfen.

Die weltweite Aufteilung der Länder in Täter- und Opferstaaten, Täter- und Opfergesellschaften findet bei der reformistischen Linke keinen Widerhall, diese Ideen werden nirgends geteilt. (Sie findet auch sonst außerhalb der postmodernen Milieus keinen Widerhall.) Und sie allein reichen auch nicht, um eine Depression zu chronifizieren – auch wenn man in ständigem Konflikt mit diesen weltfremden postmodernen Thesen steht. Was die von mir am Anfang erwähnten Freundinnen und Freunde neben dem bestialischen, bedrohlichen und maulheldenhaften Judenhass so in eine tiefe Depression gestürzt hat, das ist der Verlust einer Figur, auf der sie politisch gebaut haben, die sie als Garant für den Erhalt und den Fortschritt eines Gemeinwesens ansehen – und in der sie sich selbst erkennen. Die Rede ist vom Citoyen, also dem auf Vernunft, Aufklärung, Universalismus, Gemeinsinn und zivilgesellschaftliches Engagement setzenden Bürger. Er ist nun weitgehend abgelöst worden von einem verhinderten Bohemien und seinen identitären Fußgruppen. Ziel der Linken war es mal, den Bourgeois endgültig der Vergangenheit zuzuführen und den Citoyen an die Macht zu bringen. Aber dann übernahm dieser verhinderte Bohemien mit seiner Schwarz-Weiß-Ideologie seine heiß ersehnten diskursprallen Habitate: die Theater, Museen, Hochschulen usw. – und schreibt der Gesellschaft von dort vor, wie sie zu reden, zu denken, zu fühlen, zu schauen habe. Ein Privilegierter, der andere „Privilegierte“ schimpft. Ein neuer Rassekundler, der im Weißsein das Antlitz des Teufels erkennen will. Ein Aufschneider: wissenschaftlich haltlos, politisch verheerend. Ein Albtraum.

GEGEN ISRAEL UND DEUTSCHLAND

Da kann man schon mal depressiv werden. Und dann kam noch der 7. Oktober, das Massaker der Hamas, dieses diabolische Fanal, das die Postkolonialisten quasi befreit hat, es war der Moment, an dem sie aus den Universitäten mit breiter Brust für die gute Sache auf die Straße drängen konnten, mit Kufiya um den Hals, mit Regenbogenfahne und Schlachtgesängen gegen Israel.

Jürgen Kaube hat jüngst in der FAZ die besondere Funktion der Palästinenser im postintellektuellen Diskurs beschrieben: es sei ein „Ersatzproletariat“ für die Linke, so etwas wie die neuen „Verdammten dieser Erde“. Das ist nicht falsch, aber es fehlt das Entscheidende. Davon abgesehen, dass uns der Konflikt in Nahost und das Schicksal der Israelis wie der Palästinenser wirklich nicht gleichgültig sein sollten – wenn es um die linke Suche nach einem politischen Mündel ginge, dem man zur Seite stehen möchte, dann hätten sich zum Beispiel auch die muslimischen Rohingya in Myanmar angeboten, die von der dortigen Militärdiktatur verfolgt und vertrieben werden. Aber dafür fehlen zwei Zutaten: Erstens würde zwar die postkoloniale Fabel von der Urschuld durch die britischen Kolonisatoren passen (lesen Sie ruhig George Orwells Tage in Burma !), aber das heutige Myanmar lässt sich nur schwer als dem verhassten Westen zugehörig stempeln. Und, zweitens, die Rohingyas stehen nicht im Konflikt mit Israel bzw. den Juden, die als westliche und weiße Kolonisatoren „gelesen“ werden. Denn darum geht es bei der postkolonialen Linken immer: Es geht gegen den Westen und den Liberalismus im Allgemeinen – und gegen Israel und die Juden im Besonderen. Das ist nicht nur auffällig, das ist geradezu schlagend.

Und es geht immer öfter um Deutschland.

Das hat mit zwei Dingen zu tun: mit der deutschen Erinnerungskultur, die Teil der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen ist und den „absoluten Genozid, den Holocaust“ (Dan Diner) vor dem Vergessen und der Relativierung schützen will; und mit dem Bundestagsbeschluss gegen die direkte oder indirekte Unterstützung des israelfeindlichen BDS („Boycott, Divestment and Sanctions“). Die postkoloniale Bewegung – man kann mittlerweile von einer Bewegung sprechen – geht anscheinend davon aus, dass, wenn die deutsche Erinnerungskultur fällt, man dann den Holocaust völlig ungeniert weltweit relativieren kann. Nach dem Motto: Seht, auch die Deutschen haben es eingesehen, dass auch Israel, also die Nazi-Opfer, Genozide begehen können. Und als nächstes, so hoffen sie, wird dann auch das Beharren auf dem Existenzrecht Israels fallen. Das Land Israel ist ja nicht nur wegen der Juden, die aus dem Nahen Osten verschwinden sollen, unter dem Brennglas der Postkolonialisten, sondern auch um zu beweisen, dass man ein in ihren Augen „koloniales Projekt“ wie den Staat Israel abwickeln kann. Denn auch die postkoloniale Theorie drängt wie alle Wahnsinnsideen in die Praxis – koste es, was es wolle.

Aber damit nicht genug. Die kanadische Bestseller-Autorin, Kapitalismuskritikerin und Aktivistin Naomi Klein hat vor kurzem in einem Interview deutlich gemacht, dass es um die gesamte westliche Zivilisation geht – und man bei Israel als pars pro toto ein Exempel statuieren muss. Sie sagte: „Aus Nordamerika kommend, habe ich die deutsche Erinnerungs-PR lange akzeptiert. Demnach haben sich die Deutschen … wirklich mit den Dämonen ihrer Geschichte und mit sich selbst auseinandergesetzt. Heute glaube ich das nicht mehr. Wenn sich herausstellen sollte, dass dies bedeutete, eine Logik fortzusetzen, die den Holocaust mit hervorbrachte, und all das im Namen der Wiedergutmachung, meine Güte, dann haben wir wirklich eine Menge Arbeit vor uns. Wir befinden uns in einem globalen Kampf um Erinnerung. Die Frage lautet, ob die europäische Unschuldsgeschichte überlebt. Oder ob wir eine andere Geschichte erzählen. … Eine, die den europäischen Faschismus als Kehrseite des europäischen Zivilisationsprojekts versteht.“

Der Antisemitismus, die Israelfeindlichkeit, der Judenhass – sie stehen immer in Verbindung mit Antiliberalismus, mit Antikapitalismus, Antiamerikanismus, mit Hass auf den Westen und Sympathie für Despoten und Demagogen, die diese Denke teilen. Deshalb auch das entsprechende Schweigen über die Hamas und ihre Schandtaten, über die Rolle Irans, der Hisbollah, Syriens usw. In der postkolonialen Logik liest man die Hamas konsequent als Befreiungsbewegung, nicht als Terrorgruppe, sondern als eine Art postkoloniale Avantgarde. Etliche der alten 68er dachten auch schon so, aber sie waren da klarer, deutlicher, ehrlicher wenn sie skandierten: „Schlagt die Zionisten tot, macht den Nahen Osten rot.“

DIE ANDERE DEPRESSION

Es gibt noch eine andere linke Depression neben der tiefen Niedergeschlagenheit. Ich meine den Niedergang. Und der ist so offensichtlich, dass man eigentlich gar keine Zahlen bemühen muss. Jeder sieht, wie in Europa rechte Parteien fröhliche Urständ feiern, und in Deutschland ist das nicht anders. Linke Parteien kämpfen mit der 5-Prozent-Hürde, ob es die SPD (in vielen Bundesländern) oder die Linke allgemein ist; allein die Grünen halten sich weitgehend stabil in ihrem Spagat zwischen Mitte und links; das Wagenknecht-Bündnis selbst macht auch einen großen Bogen um das Etikett „links“. Links bekäme auf Bundesebene im Moment nicht mal mehr ein Drittel der Stimmen zusammen.

Die Analysen zu diesem Phänomen lassen noch weitgehend auf sich warten; immerhin rumort es schon bei der SPD. Doch eines ist sicher: Die postmoderne Linke, auf ihr Dilemma angesprochen, wird bei sich selbst keine Gründe für den breiten Niedergang der Linken finden. Sie werden sogar jede Verantwortung weit von sich weisen. Es mag viele Gründe dafür geben, dass der alte Genosse Trend sich abgewendet hat. Vielleicht liegt es an der rigiden Sprachpolitik, vielleicht tatsächlich an den alles durchdringenden Fanfaren hoher Moral oder an der Selbst- und Fremdtäuschung in Sachen irregulärer Migration. Ich weiß es nicht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es nicht so sehr die Merz-CDU war, die bestimmte Tabus gebrochen hat und damit das rechte Sprechen salonfähig, sondern gerade die postmoderne Linke mit ihrem verkappten und offenen Antisemitismus. Was die Rechtsextremen bislang hinter vorgehaltener Hand betrieben haben, das konnte gerade von der postkolonialen Linken nach dem 7. Oktober nicht mehr eingedämmt oder poststrukturell verschwiemelt werden – das brach und bricht sich nun ungehemmt Bahn. Es wird dann gerne darauf hingewiesen, dass der rechte Antisemitismus schlimmer sei als der linke. Warum nur? Es ist der gleiche Antisemitismus. Der linke ist auf seine Art auch eliminatorisch, wie der 7. Oktober und das linke Feiern, Leugnen, Schweigen und die offen vorgetragenen Auslöschungsforderungen gegen Israel seitdem belegt haben. Der Antisemitismus ist das Verbindungsglied zwischen Links und Rechts, so wie der Antiamerikanismus, der Hass auf den Westen, die Sympathie für Autokraten.

Und was ist von diesem postmodernen linken Sprechen zu halten, wenn es klingt wie Martin Walser 1998 auf seiner Friedenpreisrede, wo er sich über „diese Dauerrepräsentation unserer Schande“ beklagte, den Schuldkult, die „Instrumentalisierung“ von Auschwitz als „Einschüchterungsmittel“?

Der Kampfplatz „Öffentlichkeit“ wird schon seit längerem angefeuert von postkolonialen Verschwörungsphantasien: In Deutschland herrsche eine Diskursverengung, eine Kultur des „Mundtotmachens“. In Deutschland gebe es einen neuen „McCarthyismus“, man könne nicht mehr sagen, was man wolle, nicht mal mehr das Wort „Palästina“. Das sind alles populistische Topoi, die nicht auf Erkenntnis zielen, sondern auf Mobilisierung, sie funktionieren wie Codes, die die radikalen Milieus antriggern – egal ob es Trump-Anhänger sind oder „Querdenker“ oder Postkolonialisten. Sie klingen alle gleich. Links ist rechts geworden.

Apropos Trump: Als dieser Ende 2016 für fast alle überraschend zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, erinnerten sich einige wenige plötzlich an ein Buch, das der amerikanische Philosoph Richard Rorty knapp 20 Jahre zuvor geschrieben hatte: Achieving Our Country. Leftist Thought in Twentieth-Century America (dt.: Stolz auf unser Land. Die amerikanische Linke und der Patriotismus). Darin beschreibt er, wie ein wirtschaftlicher und kultureller Kosmopolitismus, der auf 25 Prozent der Bevölkerung beschränkt bleibt, quasi in allen Dingen über den Wolken schwebt und sich für die restlichen 75 Prozent nicht im geringsten interessiert. Und er vermutet, dass diese vergessene Mehrheit irgendwann einen starken Mann wählen wird, der ihnen verspreche, dass unter ihm „die feinen Bürokraten, raffinierten Anwälte, überbezahlten Anlageberater und postmodernistischen Professoren nicht mehr das Sagen haben werden“. Um das zu verhindern, müsse sich die postmoderne Linke ändern. Dafür machte Rorty zwei Vorschläge: „Der eine lautet, dass die Linke das Theoretisieren vorläufig einstellen sollte. Sie sollte versuchen, ihre philosophische Pose zum Teufel zu jagen. Der zweite lautet, daß die Linke versuchen sollte, die Überreste unseres Stolzes als Amerikaner zu mobilisieren. … Diese Linke muß damit aufhören, sich immer abstraktere und verstiegenere Namen für ‚das System’ auszudenken und stattdessen beginnen, inspirierende Zukunftsvorstellungen für unser Land zu entwickeln.“

Nun tauschen sie das Wort „Amerikaner“ einfach gegen „Deutsche“ aus – und schon haben Sie eine fundierte Beschreibung unserer Situation. Rorty, der als pragmatischer Linker von jeher für eine Ausweitung des „Wir“ eintrat, hat uns früh gewarnt. Und doch kommt er zum zweiten Mal zu spät. Die postmoderne Linke hat sich in ihren Dogmen bequem eingerichtet und wird mit ihnen untergehen. Schade nur, dass sie auch die reformistische Linke mit sich hinab zieht. Wir müssen nur darauf achten, dass es nicht das ganze Land wird.