Die SZ unterbietet sich selbst
Ein Kommentar über einen Kommentar, der nicht unkommentiert bleiben darf
Wenn es zumindest einen kleinen Lichtblick gab im tiefen Dunkel dieses Tages und seiner barbarischen Angriffe auf die israelische Bevölkerung, dann war es der Umstand, dass die Solidarität mit dem Angegriffenen in Deutschland diesmal nicht allein pflichtschuldig und blutleer wirkte, sondern als ernster und ehrlicher Ausdruck des Entsetzens über die von niemandem erwartete Terrorwelle daherkam. Die schiere Grausamkeit der Realität ließ auch kaum eine andere Wahl, sodass der Konsens nur noch rettungslos Verstrahlte wie Kerem Schamberger oder das „Neue Deutschland“ mit ihrem gewaltverherrlichenden Gesinnungstotalitarismus außen vor ließ. Dass ein Staat seine Bürger gegen Todesschwadrone schützen muss, die mit Maschinengewehren in Wohngebieten herumballern, wahllos Menschen verschleppen und blutige Jagd auf Partygänger machen, ist eine derart elementare Einsicht, dass das übliche unheilbare Besserwissen einiger „kritischer“ Beobachter heute eigentlich keinen Platz mehr haben dürfte. Eigentlich.
Denn auch in dieser Stunde größter Not bleibt weiterhin Verlass auf die Süddeutsche Zeitung und ihren plumpen, sich am eigenen Tiefsinn ergötzenden deutschen Moralismus. Auch über Dutzende Leichen und durch Bäche von Blut bahnt Peter Münch sich in seinem widerlichen Kommentar „Auch dieser Krieg wird nichts ändern“ deshalb den Weg auf eine karge Anhöhe, die nur der Umnachtete noch mit dem High Ground verwechseln kann. Demonstrativ unangefasst vom Grauen des Tages referiert Münch über die Sinnlosigkeit der Diplomatie und eine „destruktive Dynamik“ in Nahost; garniert wird diese intellektuelle Offenbarungseid mit Sätzen, die wohl abgeklärt resigniert klingen sollen, tatsächlich aber über die Flughöhe eines übersteuerten Schülersprechers nicht hinauskommen. Ruhe ist in Nahost etwa „immer nur die Pause zwischen zwei Kriegen“, und dieser Krieg wird, natürlich, „nur Verlierer hervorbringen“. Die lieblos hingeschluderte Feststellung, Israels Selbstverteidigungsrecht stehe „außer Frage“, wird schon im nächsten Satz mit dem Hinweis entwertet, dass „auch diese Eskalation nicht ohne Vorgeschichte betrachtet werden“ könne. Es folgen bekannte Versatzstücke über Siedlungsbau, „Scharfmacher“ und eine israelische Regierung, „die den Palästinensern auch noch den letzten Rest an Hoffnung auf einen eigenen Staat nimmt“. Von wo aus, so muss man Münch wohl verstehen, dann eine gerade Linie zum wahllosen Mord an israelischen Zivilisten führt.
Münch selbst würde diesen beschämenden Titer einer deutschen Seele vielleicht mit dem berühmten Wort von Hanns Joachim Friedrichs zu rechtfertigen suchen, wonach ein Journalist sich mit keiner Sache gemein zu machen habe, auch nicht mit einer guten. Mag sein. Aber auch Friedrichs hatte gewiss nicht im Sinn, dass den Opfern von Mord und Totschlag im Namen der journalistischen Distanz noch ex post ins Gesicht zu spucken sei, und jedenfalls ist es kein „Kommentar“ mehr, wenn ein Autor im Angesicht derartiger Verbrechen in genervtem Ton bemängelt, dass alle Beteiligten sich trotz seiner besten Absichten doch eh nicht verständigen würden.
Deshalb: Israel steht heute vor seiner schwersten Prüfung seit dem Jom-Kippur-Krieg. Es wird viele weitere Tote geben, Leid und Zerstörung, die den Israelis aufgenötigt werden von einem Feind, den nichts antreibt als Hass. Was dem Land und seinen Menschen aber Hoffnung geben darf, Hoffnung geben muss, sind das Vertrauen in die eigene Stärke und die eigenen Werte sowie die unerschütterliche Sicherheit, dass Israels Schicksal niemals und zu keiner Zeit von den Ansichten eines Peter Münch abhängen wird. Am Israel chai!
Dani Eisen