Spätestens nach dem Fall von Afrin und der Bedrohung Griechenlands ist die Türkei zum Gegner des Westens geworden.

Es gibt Zeiten der Partnerschaft und Zusammenarbeit und es gibt Zeiten der Trennung. Im Verhältnis des Westens zur Türkei ist es an der Zeit, sich zu trennen, zu erkennen, dass die Türkei eben kein Partner mehr sondern längst ein Gegner ist. Wer daran allein Erdogan die Schuld gibt, irrt. Zwar sind er und seine AKP dabei, die Türkei von einem laizistischen Staat in der Tradition Atatürks zu einer islamistischen Regionalmacht umzuformen und das Land jeden Tag weiter aus der westlichen Wertegemeinschaft zu führen, aber in allen aktuellen Konflikten kann sich Erdogan auf die Unterstützung von großen Teilen der Opposition verlassen: So wird der Angriffskrieg auf die kurdischen Kantone in Syrien von der größten Oppositionspartei der Türkei, der Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) unterstützt. Als Mitglied der Sozialistischen Internationalen ist sie eine der Partnerparteien der SPD.
Mit ihrer Unterstützung geht Erdogan gemeinsam mit jihadistischen Kräften gegen eine Region vor, die gemessen an den Verhältnissen im Nahen Osten, fortschrittlich ist. Die „Neue Zürcher Zeitung“ beschreibt zutreffend und nicht unkritisch, dass YPG-Gebiet sei „wie die anderen selbstverwalteten kurdischen «Kantone» zwar sicher keine Musterdemokratie“ aber es sei geschafft worden, woran es Syrien mangelt: „Eine funktionierende Verwaltung, eine halbwegs funktionierende Wirtschaft, ein gleichberechtigtes Gesellschaftsmodell für Frauen und Minderheiten.“

Wer ist patriotischer?

Der türkische Nationalismus der CHP ist stärker als ihre angeblich sozialdemokratische Orientierung. Mit den Kurden, mit den Truppen den Volksverteidigungseinheiten (YPG), dem wichtigsten Partner des Westens im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS), befindet sich die Türkei im Krieg. Aber aggressiv tritt das Land auch gegen Griechenland auf, auch hier passt zwischen Erdogans AKP und der Oppositionellen CHP kein Blatt Papier. Wie Erdogan erhebt auch der CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu Anspruch auf 18 griechische Inseln. Für den Fall seines, eher unwahrscheinlichen, Wahlsiegs gegen Erdogan bei den Präsidentschaftswahlen 2019 hat Kılıçdaroğlu die Eroberung der Inseln angekündigt. Das Gatestone Institut kommt zu dem Schluss: „Der einzige Konflikt zwischen den beiden Parteien in dieser Frage besteht im Wettbewerb, welche mächtiger und patriotischer ist, und welche von beiden tatsächlich den Mut hat, die Drohung gegen Griechenland auszuführen.“

Ein Land, das gemeinsam mit Jihadisten ein für die Region fortschrittliches gesellschaftliches Experiment, wie es die YPG in Nordsyrien begonnen hat, militärisch zu beenden versucht, das einem NATO-Partner offen mit einem Angriffskrieg droht und sich gesellschaftlich von der westlichen Zivilisation weg in Richtung islamistischer Barbarei entwickelt, kann kein Partner des Westens sein. Die Türkei ist kein Freund mehr, sie ist ein Gegner. Das muss nicht für alle Zeiten so bleiben, die Türkei hat langfristig alle Möglichkeiten, sich wieder in Richtung einer laizistischen Demokratie zu entwickeln – doch so lange sie auf dem Weg ist, eine islamistische und nationalistische Despotie zu werden, müssen die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden: Die Türkei hat in der NATO nichts mehr zu suchen, die Gespräche über einen EU-Beitritt und die mit ihnen verbundenen finanziellen Hilfen müssen eingestellt werden und in Deutschland darf es mit der mit dem türkischen Staat eng verbundenen Ditib keine Zusammenarbeit staatlicher Stellen mehr geben. In Partnerschaften gibt es den Augenblick, wo es besser ist, sich zu trennen. Im Verhältnis des Westens zur Türkei ist dieser Moment gekommen.