Eine kurze Überlegung zu einer langen Debatte, bei der die Betroffenen, die Landwirte, kaum zu Wort kommen.

Alle reden vom Klima – aber konkrete, machbare Vorschläge werden selten gemacht. Im Gegenteil: Glyphosat wird verboten, von denselben Leuten, die sich Klima- und Umweltschützer nennen, obwohl Glyphosat genau das tut, nämlich Boden und Klima schützen. Und keine Gefahr für Leib und Leben bedeutet, wie immer wieder behauptet und immer wieder widerlegt wird: nein, keine Krebsgefahr; nein, keine großräumige Insektenvernichtung, keine schädlichen Lebensmittelrückstände; nein, kein Bienensterben wegen Glyphosat. Aber das will man offenbar nicht wahrhaben. Man glaubt lieber den Unwahrsagern, die Ängste schüren.

Vom Nutzen von Glyphosat wird nicht gesprochen. Zu sehr haben Aktivisten und Agitatoren die Stimmung aufgeheizt und das Herbizid abgewertet und verteufelt. Zu erfolgreich hat das Trommeln von Schlagworten und die populistische Angstmache von NGOs die Menschen beeinflusst. Meist sind es Städter, die besonders laut protestieren und von Landwirtschaft keine Ahnung haben, sich aber auch nicht bei Fachleuten informieren, sondern lieber protestieren. Oder Hobbygärtner, die ihren Lebensunterhalt nicht vom Ertrag des Bodens bestreiten müssen. Doch eine nüchterne Analyse ergibt: Bei einer rationalen Abwägung von Nutzen und Schaden hilft Glyphosat nicht nur in der Landwirtschaft, es hilft auch im Kampf gegen den menschenbeeinflussten Klimawandel. Lobbyisten sind da ganz anderer Meinung. Warum? Weil dann die Spenden der verängstigten Österreicher ausbleiben? Weil man eingestehen müsste, dass man Unrecht hatte? Weil man in Wahrheit keine Alternativen anbieten kann, aber das nicht zugeben will?

Glyphosat ist heute geradezu ein Synonym für Gift in Getreide, Obst und Gemüse. Ein Teufelszeug, das uns angeblich alle vernichten wird. Es wird zwar seit gut 50 Jahren in der Landwirtschaft verwendet, nach dem Ablauf der Patente von vielen Firmen hergestellt, ist also auch kein Produkt eines bösen Monopolisten wie Monsanto mehr, dem Lieblingsfeind der Protestiergemeinde. Es hat sich in der Landwirtschaft bewährt, dem Bauern viele Mühen abgenommen, baut sich schnell im Boden ab, ist wesentlich weniger giftig als andere Herbizide und, bei richtiger Anwendung, auch für den Landwirt, der direkt damit in Kontakt kommt, kein Problem. Aber…

… aber dann, 2015, kam eine Untersuchung heraus, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufte. Eine einzige. Sie wurde von der IARC, der International Agency for Research on Cancer, einer Untergruppe der UN, veröffentlicht. Und bald darauf von der internationalen Wissenschaftsgemeinde als methodisch antiquiert und wertlos erkannt – wohlgemerkt nicht von Monsanto, nicht von deren angeblich bezahlten Vasallen. Es waren Institute wie das JMPR, ein Gremium aus WHO und Vertretern der Welternährungsorganisation FAO, es war die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Es war das deutsche Institut für Risikobewertung BfR, es war die Europäische Chemikalienagentur ECHA und ähnliche Institutionen in den USA, Kanada, Australien, Japan und Neuseeland. Keine dieser Organisationen konnten Anzeichen von Krebsgefahr feststellen. 15 Megastudien weltweit wiesen das Ergebnis der IARC zurück, eine aktuelle Studie des Centers for Disease Control und der Environmental Protection Agency bekräftigte das globale Urteil: „Es gibt keine Evidenz, dass Glyphosat Krebs erregt.“

Auch Wasser kann gefährlich sein

Wobei selbst diese eine Studie, die immer wieder von NGOs und den offenbar populistisch reagierenden Politikern zitiert wird, das Risiko für gleich groß hält, wie wenn man Speck verzehrt oder als Friseur arbeitet. Und  nicht einmal die IARC behauptet, dass es Gefahr für den Konsumenten gäbe, sondern nur für die Bauern, die es anwenden. Aber nicht einmal das stimmt: Bei einer aktuellen State-of-the-Art Studie an 50.000 (!) Bauern, die lange Jahre regelmäßig Glyphosat verwendeten, waren keine Anzeichen von vermehrter Krebshäufigkeit festzustellen.

Noch dazu KANN Glyphosat, das man in Maßen zu sich nimmt, gar nichts anrichten, es wird nicht verstoffwechselt, ist nicht fettlöslich, kann sich also auch im Körperfett nicht einlagern. Nach 48 Stunden hat alles geschluckte Glyphosat über die Nieren und den Urin den Körper wieder verlassen. Natürlich kann man zu viel davon einnehmen, und der Körper wird damit nicht mehr fertig. Aber das ist bei allen Stoffen so, von Zimt bis sogar Wasser. Deshalb gibt es Grenzwerte. Aber die sind so sicher angelegt, dass man z.B. 1000 Liter pro Tag von dem Bier trinken müsste, in dem neulich „skandalöse“ Spuren von Glyphosat entdeckt wurden, um auch nur an den Grenzwert zu kommen – allein die Menge wäre nicht zu bewältigen, ganz abgesehen vom Alkohol. Der ist nämlich nicht wahrscheinlich und nicht möglicherweise sondern ganz bestimmt krebserregend und steht im Verdacht, das Erbgut zu beschädigen. Nicht mehr als sechs bis sieben Achtel Wein pro Woche sollten deshalb konsumiert werden. Als Vergleich dazu: Eine dänische Studie, die das Langzeitrisiko ALLER Pestizidrückstände, die täglich konsumiert werden, berechnet hat, kommt zu dem Schluss, dass der schädliche Einfluss nicht höher ist als ein Glas Wein, das man alle sieben Jahre trinkt. (Aber das ist ein Thema, das NGOs lieber nicht thematisieren, viele Spender würden dann nämlich nicht mehr übrigbleiben.)

Das Beispiel Bier wurde gewählt, weil es in Medien zu einem Riesenproblem aufgebauscht wurde, obwohl die entdeckten Spuren ja so minimal waren, dass sie gerade noch festgestellt werden konnten: ihr Auftauchen war also nur den besseren Messmethoden geschuldet. 

Also: Glyphosat, richtig angewendet (so sparsam wie möglich, so viel wie nötig) ist weder eine Belastung für den Boden noch für die Menschen, die damit arbeiten, und schon gar nicht für die Konsumenten, die es in Minimalmengen zu sich nehmen. Jeder Schluck Alkohol, jedes Steak, jede Tüte Pommes, Wurst, Sonnenlicht oder jede Tasse Kaffee ist krebsgefährdender! Insekten werden nicht beeinträchtigt (außer durch zu wenig bunte Wiesen und Grünstreifen, aber das ist wieder eine andere Geschichte), die Bodenfauna bleibt erhalten. Auch hier gibt es wieder eine Aufregerstudie über die Auswirkung auf Regenwürmer, die z.B. von der AGES als wertlos erkannt wurde: Man ertränkte die Regenwürmer geradezu in Glyphosat (gemischt mit anderen Zusatzstoffen!) und verzichtete auf entsprechende Kontrollgruppen. Glyphosat ist auch nicht hautreizend und in Form von Glyphosatsalzen (wie es in Roundup-Produkten vorkommt) nicht augenreizend. Besonders absurd: viele andere, erlaubte Herbizide sind wesentlich giftiger, manche um das Hundertfache, wie Diquat oder Glufosinat; aber auch Kupfer, von Biobauern angewendet.

Ungiftig ist brutal

Um zum Klimaschutz zu kommen: Die einzige ungiftige Alternative, Felder zu bestellen und ausreichend zu beernten, ist das Pflügen, die brutalste Art, mit dem Boden und auch dem Klima umzugehen. Werden Bauern dazu gezwungen, statt Glyphosat aufzubringen die Erde umzugraben, führt der verstärkte Humusabbau zu einem enormen Ausstoß an CO2. Das Aufbringen von Glyphosat verändert die Wasserinfiltrationsrate nicht (im Gegensatz zu den schweren Pflugmaschinen), aber ein einziges Pflügen bringt enormen Wasser-Verdunstungsverlust von bis zu 50l pro m2, in Trockenperioden eine Katastrophe! Zusätzlich verbraucht der hohe Kraftverbrauch beim Pflügen enorm viel Diesel – das gerade in Deutschland wegen zu hoher Umweltbelastung verboten wird. 

Straßenränder, Bahndämme, Wege unkrautfrei zu halten gelingt dann nur noch mit Heißschaum, Heißwasser oder Abbrennen, was eine verheerende Energiebilanz und einen riesengroßen ökologischen Fußabdruck bedeutet, abgesehen davon, dass der Heißschaum mit Palmöl (!) versetzt ist und die Verbrennungsdämpfe so richtig gesundheitsgefährdend sind. Nicht nur für Menschen, auch für die Bodenlebewesen. Außerdem würde der Zwischenfruchtanbau, der abstirbt und ein wunderbarer Dünger ist, zurückgehen, was stärkere Stickstoffdüngung bedeutet, wodurch sich der Treibhausgasausstoß nochmals erhöht.

Noch ein Gedanke: lässt man das Unkraut, von Bio-Verteidigern gerne euphemistisch Beikraut genannt, zwischen Getreide, Obst oder Gemüse wuchern, vermindert das den Ertrag beträchtlich – und erfordert Importe aus dem Ausland. Mit all den Transport- und Kühlkosten, die da anfallen, eine zusätzlich Klimabelastung. Und schließlich: je mehr Boden man braucht, desto weniger bleibt für Wiesen und Wälder übrig, und damit für Insekten, Vögel und all das Getier, das wir schützen sollten. 

Nichts ist hundertprozentig sicher. Nichts ist völlig ungefährlich. Wir müssen mit Wahrscheinlichkeiten leben. Und mit Kompromissen. Glyphosat ist, wenn man Für und Wider und vor allem die Alternativen abwägt und mit Leuten spricht, die damit arbeiten, mit den Betroffenen, den Landwirten, momentan die beste Lösung. Aber sie finden kein Gehör, denn Expertenmeinungen gelten leider nicht für Fundamentalisten, Angstmacher und Populisten, sprich: Politiker. 

 

Elisabeth Hewson ist freie Journalistin und Autorin (Bio Ketzer Buch) und beschäftigt sich seit langem mit Ernährung, Landwirtschaft und populärwissenschaftlichen Themen.